Glauben erschöpft sich nicht im Denken. Warum ich auch als Mann die feministische Theologie würdigen möchte. Christoph Fleischer

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Der Bericht meiner Lektüre eines feministischen Dialogs über den Glauben zwischen Antje Schrupp und Barbara Steidl:

„Kann eine Feministin fromm sein? Ein E-Mail-Dialog zwischen Antje Schrupp und Barbara Streidl“
Mit dem Gedanken, dass Glauben sich nicht im Denken erschöpft, beginnt Barbara Streidl ihren Dialog mit Antje Schrupp. Eher distanziert kirchlich eingestellt fand sie darin Trost, Worte eines Psalms aufzusagen, deren Inhalt jedoch „ihr unangenehm“ ist, „Der Herr ist mein Hirte“ (Psalm 23). Antje Schrupp rät ihr daraufhin, darauf zu achten, was sie „tatsächlich glaube“ und nicht, was sie meint, glauben zu sollen. Trotzdem rekurriert Barbara Steidl noch einmal auf das „Sollen“, das einem unterschwelligen, man müsste sagen impliziten, Bedürfnis entspreche: „Ich möchte an etwas glauben.“ Dazu signalisiert Antje Schrupp Zustimmung und erklärt, das Stichwort „Feminismus“ aufgreifend, dass in den Begriffen des „Sollens“ ein patriarchaler Modus auftaucht, was die feministische Theologie offengelegt habe. Woran man glaubt, das „kann man Gott nennen“, aber auch genauso „gut leben für alle“. Hieraus wird deutlich, dass der Glaubensgedanke von patriarchalen Denkstrukturen befreit und so in einem positiven Sinn geschwächt wird und zugleich individualisiert. Barbara Streidl fragt an dieser Stelle zurück, da sie, gut säkular gedacht, das Wörtchen „fromm“ mit Gedanken von Mangel oder Einschränkung verbindet. Worin diese Einschränkung genau besteht, wird nicht deutlich, ist wohl eher ein Gefühl. Antje Schrupp dagegen sieht eine Lösung darin, sich von männlichem Denken abzusetzen, da sich „Frauen“ eher für eine gute Sache einsetzen als für sich selbst, und darin Kraft gewinnen, und aus diesem Grund auf den sogenannten Individualismus ohnehin wenig Wert legen. Interessanterweise scheint Barbara Streidl genau dies zu überhören oder zurückzustellen, weil sie möglicherseise bereits ahnt, dass ihr kleiner Diskurs zuletzt beim Individuum landen wird. Sie dagegen kommt nun erneut auf die Problematik des „Fromm-seins“ zurück, von der Antje Schrupp anfangs sagte, es hieße, sich „am Willen Gottes“ zu „orientieren“. Sie, Barbara Streidl, dagegen fühle darin schon eine Art Zwang, der bei ihr den Gedanken auslöst, sich einer Idee unterordnen zu müssen, von der es heißt, sie betreffe alle Menschen. Indirekt stellt sie also die Frage danach, wen die Sache des Glaubens betrifft und wie. Dabei geht auch sie zu recht von existentiellen Fragen aus, hier von denen, die eine Ausgrenzung des Weiblichen aus der Religion betreffen. Ihre Frage lautet: „Wie schaffe ich es, ein von schlechten Bildern und rein männlich konnotierten Ideen einen Weg zum Glauben zu finden?“ Antje Schrupp antwortet, dass einerseits Fehldeutungen von, wie sie es sagt, echter Wahrheit zu unterscheiden seien, und andererseits patriarchale Denkstrukturen herauszufiltern sind. Eine Bestätigung dafür findet sie darin, dass eine durch Männer geprägte Überlieferung trotzdem Frauen an Schlüsselpositionen der Glaubensüberlieferung stellt, z. B. als Zeuginnen der Auferstehung. Von daher könne auch nicht alle nach außen so erscheinenden Praktiken, wie das Tragen eines Kopftuches bei Musliminnen pauschal abgelehnt werden, sondern müsse man die einzelnen Frauen fragen, was sie damit verbinden. Hiermit deutet sich auch an, dass möglicherweise einzelne Verhaltensweise zwar patriarchal erscheinen, sich aber im Kern schon z. B. zu einer weiblichen Identität entwickelt haben. Die Frage nach einer „besseren“ Religion, so sagt sie, ist ohnehin irrelevant, da sie ausschließlich von Konkurrenz geprägt ist. Barbara Streidl hält die Argumentation mit weiblichen Glaubenszeuginnen dagegen für eine Krücke. Was die Religion angeht, neigt sie ohnehin zum Pantheismus. Sie sagt zu recht, dass sie den Zugang zum Glauben letztlich in sich selbst finden muss.
Zu Recht weist nun Antje Schrupp auf die Diskussion familiärer sprich männlicher Gewalterfahrungen hin, die eben auch mit dazu geführt habe, ein deutlich gewalt- und hierarchiefreies Gottesbild entwickeln zu wollen. Hiermit kommt sie indirekt darauf zurück, dass mit der frühen Dorothee Sölle zu sagen ist, dass der Glaube immer konkret sei. „Es sind immer konkrete Menschen, mit denen ich es zu tun habe.“ Es ist schon richtig, dass man auch in der Frage hier noch einmal hinter die patriarchal geprägte Tradition zurückfragt. In anderer Hinsicht tut das ja auch Bert Brecht in den „Fragen eines lesenden Arbeiters „z. B: wer baute das siebentorige Theben?“, da sich aus dieser Perspektive Geschichte immer als Herrschaftsgeschichte darstellt und weniger als Lebensgeschichte. Die Reaktion Barbara Streidls führt abgesehen von der Propagierung eines „freien Willens“ in eine Distanz zum christlichen Glauben, da sie sich dabei am männlich geprägten Mainstream orientiert und nicht daran, was „feministisch“ gedacht, noch zu denken möglich wäre. Sie schreckt im Grunde noch davor zurück, den „Kontext des Glaubens“ zu betreten. Darin wird ja auch deutlich, dass sie die Position der Distanz zur Religion bewusst gewählt hat, ohne jedoch darauf zu verzichten, bei Bedarf quasi auf ihre möglich religiöse Denkweise zurückzugreifen, wie ja am Anfang schon skizziert.
Antje Schrupp bietet ihr nun das Bild der „Enklave“ auf dem „Kontinent“ des Glaubens an. Sie sagt sinngemäß: Du selbst entscheidest, wem du Autorität und Vollmacht geben willst. Die Frage danach, wie sie persönlich „ihrem Bedürfnis nach Glauben“ (als Frau) nachgehen kann, wird von anderen, z. B. den Autorinnen und Autoren der „Bibel in gerechter Sprache“ geteilt. Sie dreht also Barbara Streidls Frage einfach um und sagt: „Wie käme ich dazu, meinem Bedürfnis nach Glauben nicht nachzugehen…?“ Diese Konsequenz wird nun im Schlusssatz von Barbara Streidl ebenfalls bestätigt. Sie sagt, sie habe nun die Hoffnung, „selbst zu entscheiden, woran ich glaube, und wie ich meinen individuellen Glauben leben.“
Gerade vom Schluss her zeigt sich, dass der Feminismus eine Leitfrage ist, die dazu dient, den persönlichen Glauben eines individuellen Menschen mit seinen eigenen kontextuellen Erfahrungen und Bedürfnissen in den Blick zu nehmen. Zu Recht wird in diesem Zusammenhang durch die feministische Theologie darauf verwiesen, dass es auch möglich ist, an anderen Menschen anzuknüpfen, die ihre Bedürfnisse und Erfahrungen miteinander teilen können, wie diese beiden Autorinnen es tun. Die Voraussetzung dazu besteht auf jeden Fall darin, die Religion des und der anderen zu achten. Das Vorbild der feministischen Theologie besteht darin, darauf hinzuweisen, dass das sprachliche Gebäude des christlichen Glaubens derart patriarchal und hierarchisch geprägt ist, dass viele Menschen spüren, vor allem Frauen, dass sie ihr Bedürfnis zu glauben in vielen dieser Worte nicht ausleben können bzw. sich in dieser Sprache fremd fühlen. Die christliche Religion der Zukunft muss, so zeigte es ja auch der Schluss des Gesprächs, streng von der konkreten Situation des Subjekts aus gedacht werden. Dazu neutestamentlich Beispiele zu finden, dürfte nicht gerade schwierig sein. Es ist möglich, die Bibel gegen den patriarchalen Mainstream zu lesen. Die Bibel öffnet sich solchen individuellen Fragen, wen sie Jesus von Nazareth als ein solches Individuum darstellt, der von sich sagen und behaupten kann, ein geliebter Sohn Gottes zu sein. Hiermit meine ich nicht gerade die patriarchale Struktur, die in diesem Vater-Sohn Verhältnis auch aufscheint, sondern das Symbol für ein Gefühl des Angenommen-seins und des Geliebt-seins.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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