Was macht das Geld mit uns – was machen wir mit dem Geld? Christoph Fleischer, Meschede 2004

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Wirtschaftliches und christliches Denken im Gespräch. [1]

Die christliche Religion hat es zuerst mit dem Individuum zu tun. Aus ihrer Antwort über unser Leben und unser Dasein gewinnt sie soziale und politische Perspektiven. Es ist aber ein Irrweg, dass Theologen manchmal geneigt sein könnten, sich über das eigenes Thema hinweg als Autodidakten oder Hobbyökonomen zu Experten in gesellschaftlichen Fragen zu machen. Gedanken über gesellschaftliche Fragen sollten also einen Rückbezug zur Selbstbestimmung von Religion aufweisen. Religion ist die individuelle und gemeinsame Beschäftigung mit Gedanken und praktischen Verrichtungen, die das Leben im Horizont einer universellen und transzendenten Wirklichkeit sehen, mit Gott als dem Grund des Lebens.

Der Philosoph Jürgen Habermas, dem 2001 der Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen wurde, hat in seiner Festrede kurz nach dem 11. September 2001 auf die Chancen und auf die Gefahren des Religiösen in unserer Zeit hingewiesen. Habermas wollte in seiner Rede auf das Problem der Bioethik hinaus. Auf diesem Grenzgebiet zwischen Theologie und Naturwissenschaften zeigte sich ihm als Philosoph die Notwendigkeit im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich die religiöse Perspektive zur Kenntnis zu nehmen. Die Säkularisation zwinge die Anhänger einer Religion ohnehin ständig zu einem Übersetzungsprozess zwischen der Sprache der Religion und der alltäglichen Welt. Für mich war damit klar, dass die Religion auch in der säkularisierten Welt eine sehr wichtige gesellschaftliche Realität ist. Ich denke die Rede von Habermas zeigt exemplarisch, dass sich heute auch in Beziehung zu anderen Lebensbereichen wieder selbstbewusster auch aus religiöser Perspektive nachdenken, reden und handeln lässt.

Nun schließe ich den Kreis enger: Religion und Wirtschaft, wie geht das zusammen? Vor kurzem begegnete mir ein Buch mit dem vielsagenden Titel: „Kapitalismus als Religion.“ Eine kurze Schrift aus dem Nachlass von Walter Benjamin wird dort auf ihre geschichtliche und aktuelle Relevanz beleuchtet. Obwohl dieser Philosoph den Begriff „Kapitalismus“ auf dem Hintergrund marxistischer Wirtschaftstheorien analysierte, ist dieser Begriff doch auch inzwischen ein wertfreier Begriff für die Wirtschaft im allgemeinen. Ich frage mich: Was bedeutet es für den christlichen Glauben, dass das System unserer Wirtschaft in einigen Bereichen religiöse Züge annimmt, als Glaubenssystem auftritt und die anderen Formen von Religion dadurch auch zweifelsfrei verdrängt. Für mich als wirtschaftlichem aber interessiertem Laien war dies eigentlich schon immer in der Werbung erkennbar, besonders dann, wenn sie ausdrücklich oder implizit religiöse Motive aufgreift. Es gibt dazu inzwischen eine ganze Sammlung im Internet, www.glauben-und-kaufen.de, dort 700 Beispiele. Ein anderer Hinweis der auch bei Benjamin auftaucht ist der Verweis auf das Geld, dem Thema, dem wir uns heute zuwenden wollen.

Haben Geld und Religion miteinander zu tun? Um diese Frage zu beantworten, neige ich zu einem Vorgehen, das einfach versucht, vorfindliche Fakten zu beschreiben. Solange auf einer Dollarnote der Satz steht: „In God we trust“ dürfte eine Anspielung auf die christliche Religion nicht zufällig sein. Doch welche Rolle spielt dieser Glaube im Umgang mit Geld, das doch eigentlich einen reinen Wertgegenstand darstellt? Geldscheine scheinen schon seit ihrem Aufkommen geeignet zu sein, Anspielungen auf religiöse Werte zu enthalten. Interessant ist dabei aber, dass die griechische Mythologie eine weitaus größere Rolle gespielt hat als die christliche Religion.

Ich hörte vor einiger Zeit noch eine Andacht, in der man das Vorhandensein von Brücken auf jeder Euronote auf die Entwicklung des wachsenden Europas bezog und darauf, Kommunikation in Europa zu fördern. Auch die Abbildungen der europäischen Baustile auf den Euronoten zeigen Anspielung auf das Christentum, wie Kirchenportale, Kirchenfenster und ähnliches.

Bevor nun die Fachreferenten das Wort erhalten, möchte ich einige Texte aus der Bibel nennen, auf die sich ja die Sprache unserer Religion immer direkt oder indirekt bezieht. Für die Verkündigung gilt, dass wenn jemand aus einem Bibeltext eine Anspielung auf das Geld heraushört, er zweifelsohne an das Geld denkt, mit dem er es täglich zu tun hat.

Die Bibeltexte sind direkt oder indirekt aus der Tradition des Mannes, den wir heute Jesus Christus nennen. Seine Worte sind in den Evangelien überliefert, wenn auch oft durch Überlieferung geprägt. Es gibt keine Texte aus seiner Feder. Aber ich denke doch, dass die Traditionsströme seiner Verkündigung weitestgehend richtig überliefert worden sind. Dazu gehört, dass es von Jesus auffallend viele Texte gibt, in denen indirekt auf Geld angespielt wird, einige Texte, in denen es ausdrücklich zum Thema wird. Geld und Reichtum gehören oft zusammen, wohl auch aus dem Grund, weil in der reinen Subsistenzwirtschaft nur der über Geld verfügt, der mehr hat, als er zum eigentlichen Existieren braucht, also reich ist. In der Marktwirtschaft ist auch die Existenz eines armen, etwas verschuldeten Menschen vom Geld geprägt.

Jesus sagt – so steht es auf der Einladungskarte -:

„Verkauft Eure Habe, und gebt den Erlös den Armen! Macht euch Geldbeutel, die nicht zerreißen. Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, droben im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst. Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“ [2] Die Überlieferung dieses Textes findet sich auch bei Matthäus. Dort ist allerdings ganz allgemein von Schätzen die Rede, die von Motten und Rost gefressen werden, teure Kleidung oder Gegenstände aus Metall. Die Pointe ist zwar die gleiche, wie bei Lukas, dass der Schatz im Himmel wichtiger ist als der irdische Reichtum. Ich finde in dem vorgelesenen Text aber mehrere Anspielungen auf das Geld, und zwar nicht nur negative.

Besonders viele positive Nennungen des Geldes finden sich in den Gleichnissen. Ich nenne aus Zeitgründen jetzt nur eins: Der barmherzige Samariter im Gleichnis, der einem Gewaltopfer das Leben rettet, hat Geld dabei. Er bringt den Verletzten in einem Gasthof unter, beauftragt den Wirt mit der Unterbringung und Pflege des Kranken, indem er ihm einen Geldbetrag gibt, der als Anzahlung dient (Lukas 10, 35). [3] Die Episoden des Lebens Jesu in den Evangelien erwähnen ebenfalls das Geld. [4] Jesus selbst und auch seine Jünger kamen aber abgesehen von der Gemeinschaftskasse persönlich ohne Geld aus. [5] Besonders kritisch, ja feindlich ist Jesus aber dem Geldverkehr des Tempels gegenüber. Dort hatte sich eingebürgert, dass das Opfer erst in Jerusalem durch Kauf eines Tieres ermöglicht wurde. Dadurch brauchte man nicht mehr mit den Opfertieren zu reisen. Die Tische der Geldwechsler im Tempel stieß Jesus um und vertrieb die Händler. Das Opfer der armen Witwe in Höhe von zwei kleinen Münzen hob Jesus dagegen lobend hervor ( Markus 12, 41ff). [6]

Obwohl also die Erwähnung von Gelde im Zusammenhang mit Reichtum steht, und damit auch mit Kritik daran, kommt Geld als Teil der realen Welt vor in den unterschiedlichsten Alltagsbezügen. Für mich heißt christliche Religion ganz konkret Handeln in der Orientierung an Jesus. In vielen Bibeltexten wird der Abstand der Christen zur Welt betont. Dies kann andererseits nicht bedeuten, sich aus der Gesellschaft zu verabschieden. Daher kann der wirtschaftliche Umgang mit Geld auch aus christlicher Perspektive betrachtet werden. [7]

[1] Einführung in das Thema des Dozentenforums am 18. 5. 2004 Nachdem 2003 das erste Dozentenforum der Hochschulgemeinde für die FH Meschede stattfand, war gedacht, nun an das Thema Globalisierung anzuknüpfen. Das Thema, zu dem wir nun gefunden haben, ist aus einer Diskussion über Globalisierung nicht wegzudenken. Aber es lässt sich auch so betrachten, dass man von der globalen Perspektive zunächst absieht und die Innenperspektive wählt.

[2] Lukasevangelium 12, 33 – 34

[3] Das Geld kommt auch sonst in den Gleichnissen Jesu vor: Die Arbeiter im Weinberg erhalten jeweils einen Denar als Lohn, obwohl die einen den ganzen Tag und die anderen nur eine Stunde gearbeitet haben (Matthäus 20, 2). Der unbarmherzige Gläubiger wird bestraft, weil er bei einem seiner Schuldner die geringe Schuld eintreibt, obwohl ihm selbst eine sehr hohe Schuld erlassen wurde. Das Verhältnis wird in Geldbeträgen ausgedrückt: zehntauend Telente, Hundert Denare (Matthäus 18, 23). Wenn von Schuld die Rede ist, wird dies auch sonst in Gleichnissen mit Geld umschrieben (Lukas 7, 41ff). In einem interessanten Text wird sogar der unehrliche Umgang mit Geld gelobt, indem ein bestrafter Verwalter die Schuldscheine seines Chefs fälscht, indem er ihre Werte heruntersetzt.

[4] Der Eintritt und die Mitarbeit in der Gemeinschaft der Jüngerinnen und Jünger kann durch das Geld ermöglicht werden. Durch Geld ist es möglich, den Besitz, Land und Güter, zu verkaufen und den Erlös den Armen zukommen zu lassen. In der Geschichte des reichen Zöllners Zachäus wird dies konkret ausgeführt. Er gibt die Hälfte seines Besitzes den Armen und entschädigt die Betrogenen mit dem vierfachen Satz (Lukas 19, 8).

[5] Die Aussendung der Jünger in Jesu Auftrag setzt voraus, dass diese ohne Geld und Gepäck reisen und von den Gemeinden unterhalten werden. (Matthäus 10, 9)

[6] Ein wichtiger Text zum Geld ist seine Antwort auf die Frage, ob man dem Kaiser Steuern zu zahlen hat. Jesus sagte: »… Gebt mir eine Silbermünze*; ich will sie mir ansehen.« Sie gaben ihm eine, und er fragte: »Wessen Bild und wessen Name sind denn hier aufgeprägt?« »Das Bild und der Name des Kaisers«, antworteten sie. Da sagte Jesus: »Dann gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört – aber gebt Gott, was Gott gehört!« Solch eine Antwort hatten sie nicht von ihm erwartet.“ (Markus 12, 15 – 17)

[7] Dazu gehören als weitere Referate:
Die Bedeutung des Geldes in der Wirtschaft (Prof. Dr. Martin Ehret)
Sozialer Umgang mit Geld – Anmerkungen aus Sicht einer katholischen Kirchenbank. (Dr. Richard Böger, Bank für Kirche und Caritas, Paderborn)

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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