Predigt im Konfirmationsgottesdienst am 09. Mai 2010, Christoph Fleischer, Werl 2010

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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes seii mit Euch allen. Amen.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern und Gäste, liebe Gemeinde,

Da ist ein junger Mensch in einer Konfirmandengruppe. Er kann nicht so mittoben wie die anderen. An den normalen Späßen zeigt er wenig Interesse. Kommt der Pfarrer und spricht über die Bibel, dann spricht er mit, als wolle er sich anbiedern, wie uncool, der Streber. Die Gesangbuchverse, die zweimal in der Woche gelernt werden müssen, kann er jeden Dienstag und jeden Donnerstag auswendig. Dafür fehlen an seinem Fahrrad nach dem Kindergottesdienst schon mal die Ventile, und er schiebt es stoisch zu Fuß nach Hause. Mobbing, so würde man das heute wohl nennen.

Ein Wort, das er in der Kirche hört, lässt ihn aufmerken: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“ Es könnte also sein, dass die Gruppe der Starken ein mal zu den Schwachen gehören wird, und dass der eine, der sich in dieser Gruppe schwach fühlt, sich einmal stark fühlen wird. Es könnte also sein, dass er, so schwierig das im Moment sein mag, gerade so wie er ist, als Träumer und als Zuhörer, gebraucht wird. Und es könnte sein, dass die, denen die Bibel oder die Kirche nicht so wichtig ist, in ihrem Leben einmal leer dastehen. Da sie Muffensausen haben vor einer Operation, mit der Trennung einer Beziehung nicht umgehen können oder Angst vor einer Prüfung haben.

„Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“

Stop! Es geht nicht um den Maurer, den die Bauleute nicht ernst nehmen, so wie auf dem Bau oft die Maler gemobbt werden, sondern es geht um den Umgang mit den Steinen. Eine Natursteinmauer wird wohl so gebaut, dass die vom Steinbruch herübergebrachten Steine sorgfältig sortiert und ausgewählt werden müssen. Nur gerade Steine lassen sich für eine gerade Wand verwenden. Ich habe zur Vorbereitung auf diesen Gottesdienst einige Fotos gemacht, vor allem, weil es mir zuerst die Mauer hinter dem Altar in dieser Kirche angetan hat. Aber auch in Büderich oder in Werl habe ich viele schöne Sandsteinmauern gefunden, an landwirtschaftlichen Gebäuden. Manchmal überwiegt der gelbe weiter verbreitete Sandstein. Hier in Werl wird, wie in Soest der grüne Anröchter Stein oft verarbeitet.  Auch die Altarwand in dieser Kirche ist aus diesen Steinen gemauert! – Wie sehen wohl die Steine aus, die die Bauleute an die Seite legen? Wahrscheinlich fehlt ihnen meist der rechte Winkel. Und diese Steine sollen sich als Eckstein, als Grundstein eignen. Das kann doch nicht sein! Da muss ein Irrtum vorliegen. Und tatsächlich, was ist ein Eckstein? Es ist wohl gar nicht der Grundstein unten auf dem Fundament. Es handelt sich um den Stein, der das runde Gewölbe schließt, den Schlussstein. Dieser Stein darf nicht rechwinklig sein, sondern er muss auf einer Seite schmal und auf einer Seite breit sein.

Und so ist dieser Eckstein gar nicht so ein ungewöhnlicher Stein, sondern einer, der nicht ganz gerade ist. Und in dieser Mauer, die der Psalmbeter kennt, gibt es unten normale gerade Steine und oben, dort wo sich das Gewölbe berfindet den Schlussstein, der das Gewicht der Dachkonstruktion hält. Und so ist die Aussage dieses Psalmverses. Jeder Stein wird gebraucht, sei es für die Mauer, eckig und gerade, sei es für das Gewölbe, schief und winkelig.

Diese Aussage greift der erste Petrusbrief nun in zweifacher Hinsicht auf. Zuerst, um im Rückblick die besondere Bedeutung Jesu Christi herauszustellen: Er ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben, und so ist er der Eckstein geworden, der Stein, der nun das ganze Gebäude zusammenhält. Wer nach diesem Stein fragt, fragt nach dem Inhalt der Glaubens, nach Jesus Christus selbst. In unserer Kirche ist er nicht in der Wand, sondern eher mit dem Altar vertreten: Dort oben das Bild mit der Kreuzigung Jesu, ein wenig angelehnt an ein Altarbild aus der Soester Wiesenkirche. Doch schon dort auf dem Altarbild sind menschliche Gestalten am Kreuz und um die Kreuzigungsszene herum, Menschen, die zu Jesus in Beziehung stehen. Das sind die Bausteine.

Jesus meinte ja auch, er würde den Tempel abbrechen und in drei Tagen neu aufbauen. Dieser Tempel ist nun aufgebaut. Er hat eine andere Zusammensetzung als der alte Tempel, denn er beststeht nicht mehr als Gebäude, sondern er besteht aus Menschen. Ganz eindeutig sagt es ein anderer Bibelvers: „Gott wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind.“ Aber wo wohnt er denn dann? Die Anwortet lautet schlicht und ergreifend: Gott wohnt in uns selbst. Und wir haben die ganze Botschaft Jesu verstanden, wenn wir dies erkannt haben, dass Gott in uns selbst wohnt. Wir sind durch die Taufe die Kinder Gottes; er bildet aus jedem und jeder von uns eine unsichtbare Gemeinschaft. Und deshalb habe ich auf dem Bild, das vorn auf dem Liedblatt ist, die Steine dieser Kirche fotografiert und den Satz darauf geschrieben: „Lasst euch selbst als lebendige Steine zu einem geistigen Haus erbauen.“ (2. Petrus 2,5)

(Grafik: Christoph Fleischer mit dem Bild der Altarwand in der Werler Kirche)

Wir wissen, dass dies schon mit der Taufe geschehen ist, dass es aber jetzt in der Konfirmation aufs Neue bekannt und bekräftigt werden soll: Seid lebendige Steine, lasst euch zu einer Gemeinschaft zusammenfügen. Diese Gemeinschaft war in den vergangenen zwei Jahren die Konfirmandengruppe, die aber mit dem heutigen Tag auseinandergehen wird. Es ist nicht schlimm, dass wir heute Abschied feiern müssen, wenn wir einander bekräftigen, dass wir alle als lebendige Steine zu diesem unsichtbaren Haus gehören, an dem wir nun weiterbauen werden. Auch ist der Missionsbefehl nicht nur gesagt, um eure Taufe zu bestätigen, sondern um euch einen Auftrag zu geben: „Gehet hin in alle Welt und macht alle Menschen zu Jüngern Jesu…“

Wir haben die Grundlagen und wir kennen die Gemeinde vor Ort, aber wo wir auch immer sind, ist Gott mit uns und wir können auf seine Güte und seinen Segen vertrauen. Wir knüpfen aneinander an, wir gehen aufeinander zu, wir gehören zusammen. Ohne dass wir uns dass immer und ewig zeigen müssen. Die Verbindung untereinander ist unsichtbar, wie der Glaube unsichtbar ist. Dies wird nun einmal deutlich, indem die Konfirmandinnen und Konfirmanden in der Gemeinde kleine Menschenketten verteilen. Diese Menschenketten stehen unter dem Motto: „Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun können das Gesicht der Welt verändern.“

Amen.

Der Friede Gottes der höher ist als alle unserer Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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