Notiz zu Bibel und Homosexualität. Christoph Fleischer, Werl 2012

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Das folgende Unterrichtsreferat des Unterrichtenden folgt in weiten Teilen der Argumentation von Klara Butting (siehe Literaturhinweis). Die von ihr behandelte EKD Studie „Mit Spannungen leben“ (s. Literaturhinweise) wird aus praktischen Gründen ausgeblendet. Zudem konzentriere ich mich auf den Römerbrief und den 1. Korintherbrief und somit auf Paulus als Autor. Das hat nur arbeitstechnische Gründe. Der Vorteil besteht darin, an einem Autor und einer Textart deutlich zu machen, wo die Problematik liegt und wieso wir die Bibel trotzdem lesen.

Die Akzeptanz der Vielfalt möglicher Formen sexueller Orientierung hat vielleicht zunächst keine spezielle religiöse Begründung, sondern bezieht sich auf die Menschenrechte und den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Das kann als Motivation zunächst ausreichen. Hierbei ist es allerdings hilfreich anzunehmen, dass diese Menschenrechte religiöse Wurzeln haben, die sich dann aber gegen eine andere religiöse, patriarchale Linie durchsetzen mussten, die jetzt wohl im Abklingen ist.

Eine Info dazu wird von Hans Joas gegeben, der ein Buch über die Menschenrecht vorgelegt hat, das kürzlich in WDR5 vorgestellt worden ist (http://www.wdr5.de/sendungen/philosophische-radio/s/d/16.12.2011-20.05.html/ Hans Joas: Die Sakralität der Person – Eine neue Genealogie der Menschenrechte, Verlag Suhrkamp, Berlin 2011).

Vorbemerkung: Im Rahmen einer Unterrichtseinheit wurde das Thema Liebe und Freundschaft von der Lerngruppe festgelegt. Als Zwischenschritt nach der Themafestlegung lasse ich die Schülerinnen und schüler assoziativ Fragen zum Thema notieren, mit der Vorgabe, dass W-Fragen (offene Fragen) sich besser eignen. Diese Fragen werden gesammelt und auf einem Blatt festgehalten. Aus diesen Fragen wurden Referatsthemen herausgearbeitet. Dabei blieb das Thema offen: Was sagt Gott dazu? Bzw. Was sagt die Bibel zu unterschiedlichen Formen der Liebe? Parallel zu den Referaten sehen wir den Videofilm des Projekts „Verqueere Welten“. In einigen Meinungsäußerungen der Schülerinnen und Schüler wird klar, dass sie die Freiheit zu persönlicher Lebensgestaltung auch im Sinn sexueller Orientierung für ein elementares Menschenrecht halten. Sie gehen davon aus, dass das auch für die Religion gilt. Es ist also in dieser Lerngruppe weniger das Problem, das Thema Homosexualität mit den Fragen von Diskriminierung oder Vorurteilen in Zusammenhang zu bringen. Es geht eher um die Fragen: Wie stehen wir zu unseren Orientierungen und wie kommen wir im Zusammenhang mit Eltern, Schule usw. damit klar? Doch diese Fragen werden nicht explizit ausgesprochen, lassen sich aber aus einzelnen Äußerungen der Schülerinnen und Schüler erschließen. Ich greife also mit diesem eher als Vortrag gestalteten Unterrichtselement die o. g. Fragen auf, lasse allerdings die Schülerinnen und Schüler die Bibeltexte lesen aus Bibeln, die ich als Unterrichtsmaterial verteile, z. T. auch in einem weiteren Kontext der jeweiligen Bibelstelle. Ich verzichte hier auf eine Darbietung der Bibeltexte und nenne aus Platzgründen nur die Stelle.

Römer 1, 24-27: Paulus ist die gleichgeschlechtliche Sexualität von Männern und Frauen bekannt. Sie ist in der römischen oder griechischen Gesellschaft auch geduldet. Seine Argumentation bezieht sich auf die Gleichheit von Juden und Heiden und darauf, dass die Beachtung des Gesetzes keinen Vorzug darstellt. Es ist also kein Text, der sich ausdrücklich um die Frage der sexuellen Orientierung dreht. Dennoch, nach Klara Butting bezieht er sich auf das alttestamentarische Verbot der Vermischung. (3. Mose 19,19; 18,22).

1. Korinther 11, 3: Herrschafts- und Machtverhältnisse in der Beziehung von Mann und Frau sind durch ein Oben und Unten geregelt. Es gibt noch mehr von solchen Texten in der Bibel, die auch von heterosexuell ausgerichteten Menschen nicht mehr fraglos akzeptiert würden. Warum muss für Menschen, die sich an der Bibel orientieren dann aber so ein Text wie Römer 1, 24-27 normativ sein? Das offenbart doch nur, dass hier deren Vorverständnis die Auslegungsweise leitet.

Markus 10, 6-9: Die eheliche Gemeinschaft von Mann und Frau hat hier nicht das Ziel der Nachkommenschaft und der biologischen Vermehrung, sondern zielt auf die Einheit zwischen Menschen, die wohl der Einheit Gottes entspricht. Aus heutiger Sicht können auch andere Beziehungsformen zur Einheit werden. Die Weitergabe ist des Lebens ist mehr die Weitergabe der Botschaft (vgl. Klara Butting, siehe Literaturhinweise). Diesen Abschnitt aus dem Markusevangelium habe ich entgegen der Absicht, nur Paulus zu zitieren, aufgenommen, weil er sich auf die Regelung der Scheidung im Alten Testament bezieht und auch deshalb, weil es ein Irrtum ist, die Ehe habe nur den Zweck, Kinder hervorzubringen und zu erziehen.

1. Korinther 7, 29-38: Wer immer den Vorrang der heterosexuellen Beziehung in der Bibel hervorhebt, sollte hier zur Kenntnis nehmen, dass Paulus das in der damaligen Situation nur als „Notlösung“ ansieht. Paulus geht dabei von einer Ausnahmesituation aus, einer Zwischenzeit. Er argumentiert hier eher asexuell vom Gedanken des Verzichts her. Auch wenn das nun nicht gerade für eine andere Art von Beziehung spricht und die Schülerinnen und Schüler sehr erstaunt sind über den Vorzug des asexuellen Lebens bei Paulus, sollte man diese Stelle zur Kenntnis nehmen als Ablehnung der Heteronormativität. Außerdem ist hier in einem Unteraspekt auch von einem gleichberechtigten Verständnis der Sexualität die Rede, in dem der Körper des einen dem jeweils anderen gehört, auch ein Gedanken, der in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung nicht viel anders sein sollte. (Nebenaspekt: Der Text erlaubt ausdrücklich die Hochzeit zwischen christlichen und nichtchristlichen Partnern. Aber genauso auch: Der Text erkennt die unterschiedliche Religion auch als Scheidungsgrund an, wobei das ursprüngliche Scheidungsverbot zumindest ausgehöhlt wird.)

Weiterhin sollte man die Vorrangstellung der Liebe und ihre Bedeutung zur Kenntnis nehmen, wie nicht nur in 1.Korinther 13, sondern auch in Römer 2, 11 (Es ist kein Ansehen der Person vor Gott), Römer 12, 9 und 10 (Die Liebe sei ohne Falsch. Die brüderliche Liebe sei herzlich.) und Römer 15,7 (Darum nehmt einander an, gleichwie uns Christus angenommen hat zu Gottes Lob.). Alle Bibelstellen, die nicht eine bestimmte Form der Ehe begründen, sondern auf die Frage des Zusammenseins und der Beziehung von Menschen allgemein eingehen, sprechen eher für einen toleranten Umgang miteinander, die Vielfalt von Lebensformen, die der Schöpfungsvielfalt entspricht und nicht unnatürlich oder gar krankhaft. Mit solchen und anderen Bibelstellen wird die Gleichstellung aller Menschen bestätigt. Die schließt auch die Möglichkeit unterschiedlicher Lebensformen ein. Bei Christinnen und Christen, die eine eher fundamentalistische Postition vertreten, kann man bei Nachfragen sehr schnell feststellen, dass sie mehr in die Bibel hinein, als herauslesen.

Literaturhinweise:

Klara Butting: Der das Licht und die Finsternis schuf, Erev Hav, Knesebeck 2007, dort der Text: „Kann denn Liebe Sünde sein?“, S. 38-48

Verqueere Welten: Dort gibt es die DVD und ein Arbeitsheft zum Projekt: http://www.rosastrippe.de/verqueer

http://www.2jesus.de/bibel-faq/offener-brief-an-dr-laura.html

EKD: http://www.ekd.de/familie/44736.html und. http://www.ekd.de/homosexualitaet/index.html

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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