Argumente zum Thema: Multireligiöse Feiern an öffentlichen Bildungseinrichtungen, Christoph Fleischer, Werl 2012

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Als ich vor einigen Jahren in einem Arbeitskreis zum Thema mulitreligiöser Feiern und Aktionen mitwirkte, habe ich versucht, im Blick auf aktuelle Herausforderungen in vier Thesen die notwendige Rahmenbedingungen für multireligiöse Feiern an öffentlichen Bildungseinrichtungen zu beschreiben. Diese Aufstellung habe ich hiermit überarbeitet und im Internet veröffentlicht.

 

1. Religionsfreiheit beinhaltet Religionsausübung: Im Interesse der allgemeinen Bildung schützt der Staat die Ausübung religiöser Handlungen durch die Religionsfreiheit. Das kann nicht gleichzeitig bedeuten, dass jede Religion aus dem Bereich öffentlicher Bildungseinrichtungen ausgegrenzt wird. Daher müssen konkrete Wege gesucht werden, religiöse Feiern stattfinden zu lassen. Das Recht auf Bildung schließt die Kenntnis der unterschiedlichen Religionen ein.

Beispiele: Einschulung, Schulentlassung, Studienbeginn, Trauerfeiern in Extremsituationen. Auch die Frage nach multireligiös genutzten Räumen kann hier angeführt werden (Raum der Stille).

 

2.  Es kann keinen Anspruch von Atheisten auf einen religionsfreien Raum geben. Trotzdem haben sie ein Recht darauf, aus freier Entscheidung religiösen Angeboten fernbleiben zu können. Das religiöse Angebot ist gegenüber dem übrigen Angebot der Bildungseinrichtung als zugleich notwendig und ebenso freiwillig und fakultativ anzusehen, weil niemand zu einer bestimmten Religionsausübung gezwungen oder durch sie vereinnahmt werden sollte.

Beispiel: Es muss für jeden Verstorbenen die Möglichkeit geben, ihn nach dem Ritus seiner Religion bzw. der Religion seiner Angehörigen bestatten zu können. Dies führt zu einer Vielfalt von religiösen Formen angesichts von Tod und Sterben.

 

3. Der Ausgleich unterschiedlicher Wünsche und Ansprüche ist notwendig: Der Vorrang der Ansprüche christlicher Kirchen wie er sich z.B. aus der Landesverfassung des Landes NRW ergibt, kann im Interesse des öffentlichen Wohles nicht gegen das Empfinden muslimischer oder andersgläubiger Menschen durchgesetzt werden.

Beispiel: Die Kirchen haben ein ein berechtigtes Interesse daran, christliche Einschulungsfeiern durchzuführen. Nehmen muslimische Kinder daran teil und lassen sich vom ev. oder kath. Pfarrer segnen?

 

4. Ein Ziel sollte die Verhinderung religiöser Aufsplitterung sein: Im Interesse daran, dass es nicht unterschiedliche und gleichzeitig stattfindende religiöse Angebote anlässlich eines Ereignisses gibt, sollte eine multireligiöse Feier möglich sein, und zwar dann, wenn die Vertreter der Religionen sie in gegenseitiger Achtung gemeinsam durchführen.

Beispiel: Wie geht man mit dem Bekenntnis des einen Gottes um? Wie kann man von einem Gott reden, ohne zugleich anderen monotheistischen Religionen gegenüber intolerant aufzutreten? Was heißt es, wenn Muslime rufen: Es gibt nur einen Gott! Was können Christen dazu sagen?

 

Fazit: Die vier Thesen machen klar, dass es schon aus praktischen Gründen oft ganz sinnvoll ist, multireligiöse Feiern anzubieten. Es kann dabei nicht darum gehen, das eigene Angebot wie z. B. eines Schulgottesdienstes dagegen auszuspielen. Wichtig ist aber auch, dass es eine wichtige Grundlage solcher punktueller Feiern sein sollte, in einem ständigen interreligiösen Dialog zu stehen, z. B. im Rahmen einer interreligiosen Arbeitsgruppe, eines Dialogkreises oder eines interreligiös organisierten Friedensgebetes. Hierbei ist die Frage, inwieweit globale Ereignisse ebenfalls angesprochen werden, entweder, wenn sie die Beziehungen der Religionen betreffen, wie Ereignisse im Nahen Osten, wenn sie die Zukunft der Menschheit als Ganzer in Frage stellen oder wenn sie einfach eine gemeinsame humanitäre Anstrengung nötig machen, wie bie einem Erdbeben oder einer Flutkatastrophe.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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