Ist die Religion ein Anachronismus? Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2012

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Zu: Wozu Gott? Religion zwischen Fundamentalismus und Fortschritt, herausgegeben von Peter Kemper, Alf Mentzer und Ulrich Sonnenschein, Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2009, ISBN 978-3-458-72013-3, Preis: 14,00 €.

Bekanntlich bestand der Philosoph Blaise Pascal zu Beginn der Neuzeit die im Titel genannte Frage mit einer Wette. Da man nicht wissen könne, ob es Gott gibt, setzte er einfach auf das positive Ergebnis. Die Frage ‚Wozu Gott?‘ würde demnach im Vollzug des Glaubens im Leben zu beantworten sein. Dass diese geschickte Position auch am Ende der Neuzeit noch gültig ist, zeigt dieser Band, der als Reader zum Funkkolleg ‚Religion und Gesellschaft‘ erschienen ist. Damit sei auch sofort der Nachteil benannt. Die hier dokumentierten Aufsätze sind allesamt nur in Auswahl abgedruckte Texte aus anderen Büchern, deren Quellenangaben sich am Ende des Buches ohne Seitenzahlen finden. Wer die Autoren zitieren möchte, muss also noch einmal zum Originalband greifen (oder nicht?). Die Vorbemerkung muss um jeweils eine Seite ergänzt werden, die als Einleitung den sechs Kapiteln vorangestellt worden sind. Diese insgesamt sieben Seiten lesen sich im Zusammenhang wie ein Essay, der oft als Collage die jeweiligen Überschriften und die Namen der Autoren kombiniert. Wer das Buch liest, mag nun eine Auswahl der gegebenen Texte lesen. Wie schon beim Funkkolleg ‚Religion und Gesellschaft‘ erweist es sich als hilfreich, dass die Fragestellung des Buches religionsphilosophisch und nicht theologisch orientiert ist. Insofern zeigt sich hier schon wieder eine Bestätigung der These von der Wiederkehr der Religionen in der Gesellschaft. Wie bereits die Überschrift andeutet, ist die aktuelle Position von Jürgen Habermas vorrangig, die von der Übersetzbarkeit religiöser Inhalte in die säkulare Sprache ausgeht. Die religiöse Seite orientiert sich eher am Modell der Wahl-Spiritualität, als an einer traditionellen kirchlichen Bindung. Die Inhalte der Aufsätze folgen eher dem akademischen Diskurs, als dass sie sich nach Ergebnissen empirisch religionssoziologischer Umfragen richten, wie die der Bertelsmann Stiftung. Der Diskurs bleibt aber nicht auf der Ebene dogmatischer Problemstellungen, sondern stellt wirtschaftsethische und kulturtheologische Fragestellungen ebenso dar, womit die Begegnung zwischen Kultur und Religion gemeint ist. Interessante Einzelaspekte sind z.B. der Satanismus, die Postmoderne, der Konsumismus sowie die Kunstreligion. Der Band bietet reichlich Ansatzpunkte für die Entwicklung eigener Fragestellungen und deren weitere Erforschung. Der Artikel von Rainer Forst zum Thema ‚Toleranz‘ bildet so etwas wie eine Wegweisung zum Dialog zwischen Religionen und Säkularismus einerseits sowie andererseits der Religionen untereinander. ‚Toleranz heißt nicht, diese Differenz und Ablehnung wegzudrücken, es heißt aber, dass man sie so ausdrückt, dass die Anderen respektierte Gleiche bleiben ‚ auf Augenhöhe, aber nicht ohne wechselseitige Kritik.‘ (S. 249). Dieses Buch lässt sich auch noch gut im zeitlichen Abstand zum Erscheinungsjahr lesen. Das Thema ist nach wie vor aktuell.

Autoren: Jan Assmann, Ulrich Beck, Norbert Bolz, Michael von Brück, Richard Dawkins, Deniel Dennett, Udo Di Fabio, Eugen Drewermann, Elke Endraß, Rainer Forst, Bernhard Grom, Jürgen Habermas, Bernd-Michael Haese, Heinzpeter Hempelmann, Christopher Hitchens (+), Norbert Hoerster, Hans-Joachim Höhn, Reinhart Hummel, Siegfried Katzer, Silke Lechtenböhmer, Katharina Liebsch, Reinhard Marx, Michail Ryklin, Rüdiger Safranski, Heinz Wilhelm Schäfer, Joachim Schmidt, Thomas M. Schmidt, Ulrich Schnabel, Herbert Schnädelbach, Robert Spaemann, Peter Strasser, Wolfgang Ullrich, Stefan Weidner, Jean-Pierre Wils, Otto Zsok, Paul Michael Zulehner

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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