Einspruch gegen den Weihnachtsfanatismus, Christoph Fleischer, Werl 2012

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Einspruch gegen den Weihnachtsfanatismus, Christoph Fleischer, Werl 2012

Weihnachtsfanatiker nenne ich all die, die im August keine Dominosteine, im September keinen Christstollen, auch nicht als Konfekt mit  Bratapfelgeschmack, im Oktober keinen Lebkuchen und im November keine Schoko – oder Marzipan Christbaumkugeln mögen. Sie meinen: „Advent ist im Dezember“.

Doch wahrscheinlich gehen sie im Advent auch nicht auf dem Weihnachtsmarkt, da hat es für sie ja schließlich eine Fastenzeit ist. Selbstverständlich habe ich nichts dagegen, wenn der Weihnachtsmarkt im Dezember ist und auch nicht das ganze Jahr über ein rieselnder Tannenbaum im Wohnzimmer steht. Auch die Krippe baue ich nach Heilige Drei Könige wieder ab, wenn man sie auch als „Weihnachtsberg“ um andere Ereignisse der Geschichte Jesu erweitern könnte, wie auf dem beigefügten Bild aus Schneeberg.

Doch trotzdem meine ich: Das ganze Jahr über könnte Weihnachten sein.

Weihnachten, das ist eine Botschaft, die an jedem Tag unseres Jahres gelten sollte: Gott ist Mensch geworden.

Gott ist ja nicht nur etwa so Mensch geworden, dass -wie durch einen Zaubertrick- ein Mensch zu einem Erlöser umgewandelt wurde. Gott ist Mensch, d.h.: Gott ist im Menschen ein menschlicher Gedanke, ein menschliches Gefühl; Gott hat ein menschliches Gesicht. Gott ist das Gefühl, dass wir zu unserem Leben gehören und zum Leben der Welt, und dass unsere Person nichts anderes ist, als unser menschliches Leben. Dazu ist Christus zu Weihnachten geboren, um uns allen Gott zu zeigen. Und Gott ist, wie in einer Krippe dargestellt, auch in den Königen und Hirten, den Schafen und Pferden, den Ochsen und Eseln.

Eva Mattes sagt im Chrismon -Interview auf die Frage „An welchen Gott glauben Sie?“: „An den in mir, an den in uns allen. Ich glaube, dass ist viel Potenzial in uns gibt, dass wir nicht nutzen. (…) Ich habe viele Jahre gedacht, dass ich nicht an Gott glaube. Das war eigentlich für mich klar. Vor elf Jahren habe ich aber angefangen zu meditieren. Das hilft mir, geduldiger zu sein, Menschen anders zu betrachten, mich in den besten Momenten mit allem eins zu fühlen.“ (Interview mit Dirk von Nayhauss, Chrismon, Oktober 2012).

In diesem Zitat ist noch nicht deutlich gesagt, dass Gott, der im Menschen erfahrbar ist, so wie es Eva Mattes ausdrückt, der Gott des Weihnachtsfestes ist. Deutlicher wird dies in einer Meditation von Wilhelm Wilms zu dem Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“ herausgestellt (in Auszügen, Rechtschreibung angepasst):

„Aus einer Wurzel zart…

Was ist Zärtlichkeit
Zärtlich ist
der Mensch
der seine Leiblichkeit
und seine Geistigkeit wunderbar
in der Schwebe hält…

Da
wo der Geist
das Äußerste vermag
da
wird er leiblich
Da wird das Innerste
zum Äußersten
und
wo der Leib
seine Leiblichkeit
bis zum äußersten vollbringt
da
wird er geistig
am geistigsten
das Äußerste
der Wege Gottes
das Äußerste
der Zärtlichkeit
Gottes
ist seine Leibwerdung
seine Menschwerdung…

Die Sprache
Die das
Äußerste der Wege
Gottes
zu Wort kommen lässt
kann nur
von äußerster
Zärtlichkeit sein…

Es ist nun die Frage
Wer bedarf
der Zärtlichkeit
mehr
der Mensch
oder
Gott

In Bethlehem
bedurfte
der Säugling Gott
genauso
der Zärtlichkeit
wie der Säugling Mensch…

Wenn wir uns Gott
sprechend nähern
dann muss
unsere Sprache
zärtlich-arm
und schwach werden
und wir werden sehen
wie Gott
in unserer
armen Sprache
mehr erblüht
als in
starken Rechthabereien…“

(Wilhelm Willms: alle nächte werden hell, Ausgewählte Texte, Topos plus Vertragsgemeinschaft Kevelaer 2006, Seite 60 folgende).

Siehe auch:

http://www.ekd.de/advent_dezember/startseite.html,
http://weihnachtsberge.de/ ,
http://www.freiepresse.de/LOKALES/ERZGEBIRGE/AUE/Jede-Generation-verewigt-sich-mit-einer-eigenen-Note-artikel7861621.php, http://chrismon.evangelisch.de/artikel/2012/ich-dachte-viele-jahre-dass-ich-nicht-gott-glaube-15417

 

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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