„Ich glaube – ich hoffe – ich bange“, Wilhelm Willms Credo in Krefeld aufgeführt, Bericht von Marlies Blauth, Meerbusch 2012

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Am Freitag, dem 16.11.2012, wurde in der Friedenskirche Krefeld das Rockoratorium „Credo“ aufgeführt.

Der Komponist des Oratoriums, Hans-Jörg Böckeler, (unter dessen Leitung die Aufführung stattfand), war mit Wilhelm Willms befreundet gewesen – über einige Jahrzehnte hinweg, wenn ich das richtig verstanden habe. Es war spürbar, dass zwei „Seelenverwandte“ ein Werk schufen, das trotz aller collagenartiger Überlagerung, trotz aller Brüche ein homogenes ist. Wilhelm Willms hatte den Text unter dem Titel „Kevelaer Credo“ 1976 veröffentlicht und 1992 für die musikalische Bearbeitung etwas verändert.
„Ich bin sicher, Wilhelm Willms (gestorben 2002) ist im Geiste bei uns“ – sagte Böckeler zu Beginn der Aufführung in Krefeld. Ja, so war es ganz bestimmt.

Wie das Glaubensbekenntnis besteht das Oratorium aus 3 Teilen. Am Schluss „meldete“ die Uhr, dass es summa summarum – mit zwei Pausen – fast 4 (!) Stunden gedauert hat, aber erstaunlicherweise schien beim Zuhören (und auch -sehen, mit dezenter Lightshow) die Zeit, das Zeitgefühl völlig aufgehoben zu sein!

Das Oratorium  ist ein Abbild der (Glaubens-)Welt als musikalische Collage:
Traditionelle Elemente, vorwiegend übernommen von einem Kirchenchor (Dionysius-Chor und CREDO-Projektchor Krefeld), teilweise lateinisch, wurden aufgebrochen, aufgestört von einem – fast winzigen – Jugendchor (6 Sänger), einem Rock-Solosänger (Michael Hanhart) und Band-Instrumentierung – der wiederum ein eher konventionell besetztes Orchester gegenüber gestellt war, außerdem vier Solostimmen (Sopran, Alt, Bariton, Bass – Ausführende Christiane Böckeler, Heike Mueller-Böckeler, Markus Wöckel, Jürgen Moll). Bei all den verschiedenen Strömungen innerhalb „der“ Kirche – nachvollziehbar gemacht durch die Musik – ging es letztlich doch um eine Synthese, ohne dass sich aber irgendjemand aus der munteren Schar hätte verbiegen müssen: Einheit innerhalb einer bunten Vielfalt. Zweifel und Gewissheit hoben sich nicht etwa auf, sondern erfüllten sich gegenseitig mit Leben. Das überzeugte die Hörerinnen und Hörer.

1. Teil – Ich glaube ein den einen Gott, den Schöpfergott

„er hat gemacht sichtbares und unsichtbares, riechbares und unriechbares, er hat gemacht fühlbares, nachfühlbares, tastbares, er hat gemacht knospendes, punkte hat er gemacht und er hat gemacht hörbares und es tönt auf der leiter der töne“ – leider kann ich nur aus dem Programmheft zitieren, in dem lediglich ein paar Textfragmente abgedruckt sind (der besseren Lesbarkeit halber füge ich unter Beibehaltung der Kleinschreibung  Satzzeichen ein, nur die Gedankenstriche sind auch im Originaltext). Das Zitat oben ist m. E. eine ganz typische Stelle: verblüffend schlicht und fast fremd-assoziativ gleichzeitig. Das Assoziative zeigt sich hier als ein absolut probates und faszinierendes Mittel, um die Weite, die Unendlichkeit und Unberechenbarkeit von Gottes Wirken zum Ausdruck zu bringen.

2. Teil – Ich glaube an den einen Herrn, Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn

„ER ist mensch geworden, am rand der welt auf stroh, ein mensch steht gerade, ein mensch geht mit dem kopf durch die wand der welt“

„Gott hat nicht hand noch fuß – aber ER – aber WIR“ <– tatsächlich in Versalien wie GOTT

Interessanterweise – ganz in katholischer Tradition, aber gerade gar nicht un-zeitgemäß – wird das „Mädchen“ Maria, Maria als Gottesgebärerin deutlich gewürdigt:
„GOTT steckt uns in den knochen. ein mädchen – weltwund – weltwand, ER kommt durch diese wand bei verschlossenen türen“
„wir sind im bild, wenn wir dich sehn im gnadenbild, maria“ – für mich als bildende Künstlerin ist das ein sehr spannender Ansatz, in dem ein bisschen „Ikone“ steckt, ein bisschen Wortspiel, letztlich aber das Visuelle – das mir immer wichtig war – rechtfertigt, indem es uns aktiv mit hineinnimmt. Hier wird einerseits deutlich, wie fast spielerisch die katholische Theologe beibehalten und ins Symbolische umgedeutet wird, zugleich aber der Bezug zur Mystik hergestellt wird, die sagt, dass auch wir (M?)maria sind, wenn wir Gott aus uns gebären bzw. hervorbringen.

3. Teil – Ich glaube an den Heiligen Geist, den Herrn, der Leben spendet, der vom Vater ausgeht, der gesprochen hat durch die Propheten

Eine interessante Stelle: „ich glaube an den heiligen geist, der unerträglich ist, ich glaube an den heiligen geist, der so neu, so unverständlich …“

oder „ich bekenne, dass ich getauft werden muss (!), ich bekenne meine schuld, meinen schmutz meine sünde“ (aufgelöst in, sinngemäß: ich muss gewaschen werden ) und: „ich glaube an das wasser, das fließt“

Und am Schluss: „ich schaue aus nach – ich erwarte, habe alles darauf gesetzt – ich verstehe mein Leben nur so – ich sehe das kommende leben, wenn die schale zeit zerbricht“

Glaube wird, trotz Zweifel, vielleicht Anfechtung, als etwas Befreiendes und Lebensbejahendes vermittelt, als lebens- und menschennah, als ein Phänomen des/vom Menschen für den Menschen. Manches erschien mir für einen Moment fast etwas katholisch-barock (vielleicht, da das „Erdenschwere“ völlig fehlt), da der Mensch als Akteur aber nicht im Hintergrund versteckt ist, sondern – im Gegenteil – immer wieder ins Zentrum gerückt wird, hat man nicht das Gefühl, in irgendwelchen unnützen bzw. konfessions-psychologischen Traditionen „hängen“ zu müssen. Die Texte von Wilhelm Willms treffen die Alltäglichkeit jedes Menschen, die jedoch unter der Perspektive der Veränderbarkeit durch Gottes Geist gesehen wird.

Die Texte von Wilhelm Willms treffen den Menschen in seiner Alltäglichkeit, mitten im Leben; sie sprechen die Sprache, die uns allen bekannt, nicht-fremd ist. Dadurch dass er sie aber lyrisch komponiert, also neue, bisweilen ziemlich ungewohnte Zusammenhänge schafft, macht er Kunst; er setzt die Kraft seiner (Sprach-)Kunst ein, um uns einen Eindruck des Mystischen und Göttlichen zu vermitteln. Fast unmerklich; denn wir dürfen all unsere skeptischen und blockenden Gefühle alle mitnehmen! Und können einfach nachschauen, ob sie vielleicht stellenweise auflösbar sind, ob sich neue Gedanken, neue Perspektiven entwickeln, ob vielleicht Hoffnung aufkeimt – ob wir nicht letztlich ideenreich-konstruktiv mitgestalten wollen an der Welt. Vielleicht haben wir dann ja einen Hauch mitgeatmet vom „bunten“ Wirken des Heiligen Geists – und ich bin mir sicher, dass es das Anliegen von Wilhelm Willms war, uns diesen Eindruck zum Geschenk zu machen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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