Wilhelm Morgner (1891-1917) und die Soester Kirchen, Präsentation von Christoph Fleischer, Werl 2012

Print Friendly, PDF & Email

Die folgendes Präsentation bedarf einer weiterer Ausarbeitung als Aufsatz. Zur Biografie von Wilhelm Morgner verweise ich darüber hinaus auf die Seite von Walter Weihs: http://www.wilhelm-morgner-archiv.de/index_2.html. Die Fotos, die ich ursprünglich live gezeigt habe, sind auch auf dieser Seite. Die Bilder Morgners sind gemeinfrei unter www.zeno.org veröffentlicht. Sollten sich Einwände gegen eine Veröffentlichung erheben, werde ich sie sofort stornieren. Die Bilder des Kreuzigungsaltars sind von Groenling auf flickr.com veröffentlicht und zur gemeinnützigen und nicht kommerziellen Verbreitung genehmigt.

Wilhelm Morgner aus Soest mit Schwester und Eltern.

Wilhelm Morgner lebte mit seiner ein Jahr jüngeren Schwester bei seiner Mutter in Soest, geboren 1891. Sein Vater, ursprünglich Militärmusiker aus dem Erzgebirge, dann aber Eisenbahnschaffner ist früh verstorben. Seine Mutter arbeitete als selbständige Schneiderin.

Im Wohnhaus in der Rosenstraße ganz in der Nähe des Petrikirchplatzes befindet sich heute ein Cafè.

Georg Tappert – Malschule in Worpswede und Berlin, Kontakte zur nationalen Kunstszene

Wilhelm Morgner wollte als sechzehnjähriger Junge die Schule verlassen, um Maler zu werden. Um dies zu erreichen ist er einmal sogar von zu Hause weggelaufen. Er konnte überredet werden, einen Schulabschluss zu absolvieren, danach wurde er über den Kontakt des Malers Otto Modersohn nach Worpswede geschickt, wo er in der Malschule von Georg Tappert die expressionistische Malweise erlernte. Er kehrte nach einem Jahr nach Soest zurück und malte dort in einem kleinen Atelier in Hattrop. Als Georg Tappert nach Berlin wechselte, reiste Wilhelm Morgner erneut dorthin, um weiter zu lernen. Als er dann wieder zurückkehrte, blieb er mit Tappert im Kontakt und teilte ihm brieflich Gedanken und Entwürfe mit, die heute in einem Buch veröffentlicht sind:

Briefe und Zeichnungen. Briefe an Georg Tappert, an die Mutter und an Wilhelm Wulff, herausgegeben und mit einer Einleitung von Christine Knupp-Uhlenhaut, Verlagsbuchhandlung Mocker und Jahn, Soest 1984

Morgner kam mit der modernen Kunstszene in Kontakt und wurde dort positiv aufgenommen. Er stellte in mehreren Ausstellungen aus, wie z. B. in der sog. Sonderbundausstellung 1912 in Köln (Steinhauer, 1912)

Wandelbares Selbstbild

Die Maltechniken wechselten. Mehrere Vorbilder, unter andere Van Gogh, probierte der junge Maler aus.
Ein häufiger und leicht zu beschaffender Übungsgegenstand ist die eigene Person. In der Arbeit am Selbstbildnis entwickelte Morgner nicht nur Maltechniken, sondern auch vollständig unterschiedliche Auffassungsmöglichkeiten der (eigenen) Person. Fast wie im Theater nahm er verschiedene Rollen an.

Oben Selbstbildnis 1915, unten 1912:

Soester Kirchen

Wilhelm Morgner ist nicht nur im Schatten der Soester Kirchen aufgewachsen und kannte sie von klein auf, sondern er wählte sie auch als künstlerische Vorbilder aus. Theodor Däubler meint sogar, dass Morgner zunächst hatte Kunstglaser werden wollen und von dort her zur Malerei gekommen ist. Doch nicht nur gemalte Fenster, die heute nur noch zum Teil erhalten sind, sondern auch Altäre und Wandmalereien wirkten auf ihn motivierend. Er hatte einmal sogar die Idee, er könne sich in einer Kirche einschließen lassen, um eine Wand zu gestalten, wie etwa mit einem Entwurf zur Kreuzigung:

Auch in Morgners modernen und abstrakten Bildern konnte sich zum Teil der Einfluss von Kirchenbildern bemerkbar machen, die dann nicht kopiert, sondern frei umgestaltet wurden, also fast völlig sogar der kirchlichen Bildsprache entnommen wurden. Im Jahr von 1912 auf 1913 fällt aber auch die Vielzahl von religiösen Bildern, speziell Darstellungen der Passion Jesu auf. Hier einige Beispiele:

Aus dem malerischen Fresko der Kirche Maria zur Höhe

wurde bei Wilhelm Morgner der Einzug Jesu in eine Stadt mit Heilung eines Bettlers (von Georg Tappert irrtümlich Einzug Jesu in Jerusalem genannt).

Deutlich sind hier die ursprünglichen Engel um den Thron des Himmelskönigs zu erkennen.

Morgners Kreuzigungsbilder

Morgners zahlreiche Passions- und Kreuzigungsbilder lassen oftmals einen kunsthistorischen Bezug erkennen.

Zweifellos werden ihn aber auch die zahlreichen Kreuzigungsdarstellungen auf den Altären der Soester Kirchen animiert haben. Sicherlich haben ihm auch Bilder aus Kunstbänden wie von Dürer, Rembrandt oder Lukas Cranach vorgelegen. Wird etwa bei Dürer ein Tuch verwendet, um den Leichnam Jesu zu bergen, so findet sich vergleichbarer Vorgang auch beim Schnitzaltar in der Wiesenkirche.:

Doch neben dem Tuch fällt hier auch eine Leiter auf, die Wilhelm Morgner ebenfalls bei seinen Kreuzigungsbildern verwendet.

Morgner malte sie allerdings als Stehleiter, wie mal sie etwa auch vom Malerhandwerk kennt:

Ebenso bemerkenswert sind die für die mittelalterliche Zeit eher vornehm gekleideten Personen an der rechten Bildseite. Zu ihnen gehörte auch Josef von Arimathäa, ein Mitglied des Hohen Rats, der nach dem Bericht der Evangelien Jesu Grab zur Verfügung gestellt hat. Schon in den alten Altarbildern bekamen alle Beteiligten zeitgenössische Kleidung.

Dieser Gedanke tauscht nun auch bei Wilhelm Morgner auf, wobei er besonders beim Mann mit Frack auf die bürgerliche Verbindung zur Kirche hinwies:

Neben den Selbstbildnissen sind es also Darstellungen aus der Bilderwelt der Bibel, die bei Wilhelm Morgner eine expressionistische Interpretation erfahren. Die Vorstellungen gleichen sich der Bilderwelt der Landschaften ebenso an wie der eher abstrakten Gemälde.

So lässt sich bei dem Bild der Himmelfahrt

eine Parallele zum Bild des Kartoffelfeuers entdecken:

Das Bild der Schöpfung ist verständlicherweise den kreativen Landschaftsbildern oder den abstrakten Gemälden ganz ähnlich.

Von der Schöpfung Gottes zum schöpferischen Handeln des Künstlers ist hier kein weiter Weg.

Das schöpferische kreative Handeln Gottes in der Schöpfung findet seine Entsprechung in der Erschaffung neuen Bilder, Strukturen und Perspektiven im expressionistischen Gemälde.

Wilhelm Morgners schöpferische Kunst ist nicht denkbar ohne die Bilderwelt der Soester Kirchen, die ihn allerdings ermutigte, in expressionistischer Weise über die dogmatischen Richtigkeiten hinaus zu denken und in künstlerischer Weise der Mystik einer Einheit von Gott und Welt in der Schöpfung des Künstlers Ausdruck zu geben.

Heute kommt es darauf an, diesen expressionistischen Ausdruck als modernes Zeugnis des christlichen Glaubens zu entdecken und zu beschreiben, das nicht denkbar ist, ohne die Trennung der Wirklichkeit in die Ebene Gottes und der menschlichen Welt aufzugeben. Es ist daher nicht untypisch, dass die Wegbereiter des Expressionismus in der Wiederentdeckung der Mystik einen Schlüssel zu ihrem Weltverständnis entdeckten.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.