Predigt über Lukas 7, 11-17, Christoph Fleischer, Werl 2013

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Die Predigt wird am 16. Sonntag nach Trinitatis in Körbecke am Möhnesee gehalten. Der Gottesdienst ist mit Taufe und Abendmahl. Den Bezug zur Taufe werde ich im Einstieg und Schluss der Predigt über das Stichwort „Auferstehung“ herstellen.

Verlesung des Textes Lukas 7, 11-17 aus der Gute Nachricht Bibel:

Jesus macht einen Toten lebendig

11 Bald darauf ging Jesus nach Naïn. Seine Jünger, die Männer und Frauen, und noch viele Leute folgten ihm. 12 Als sie in die Nähe des Stadttores kamen, wurde gerade ein Toter zur Bestattung hinausgetragen. Es war der Sohn einer Witwe, ihr einziger. Zahlreiche Bewohner der Stadt begleiteten die Mutter. 13 Als der Herr die Witwe sah, ergriff ihn das Mitleid und er sagte zu ihr: »Weine nicht!« 14 Dann trat er näher und berührte die Bahre; die Träger blieben stehen. Er sagte zu dem Toten: »Du junger Mann, ich befehle dir: Steh auf!« 15 Da richtete der Tote sich auf und fing an zu reden, und Jesus gab ihn seiner Mutter zurück. 16 Alle wurden von Furcht gepackt; sie priesen Gott und riefen: »Ein großer Prophet ist unter uns aufgetreten! Gott selbst ist seinem Volk zu Hilfe gekommen!« 17 Die Kunde von dem, was Jesus getan hatte, verbreitete sich im ganzen jüdischen Land und in allen angrenzenden Gebieten.

Liebe Gemeinde,

wenn eines an Jesus bezeichnend ist, dann das, dass seine Botschaft und sein Handeln einander entsprechen. Daher sind die Erzählungen seines Handelns genauso Teil seiner Botschaft wie die Aussprüche oder Gleichnisse. In dieser Geschichte geht es um das Thema „Auferstehung“. Die Bibel ist nicht gewohnt, Begriffe auf einen bestimmten Sinn einzuschränken, sondern eher diese zu umschreiben und verschiedene Interpretationen anzubieten. Das ist für uns westliche Menschen manchmal etwas ungewöhnlich, aber auch lehrreich. Das Problem ist nur, dass uns unsere Tradition eine andere Vorgehensweise gelehrt hat, so_dass das Denken von einem Punkt her auch schon in die Bibelerklärung eingegangen ist. Im Grunde antworten alle Texte des Neuen Testaments auf die Frage: „Wer ist Jesus Christus?“ Und dann strömt uns eine derartige Vielfalt von Antworten entgegen, dass schon die frühe Christenheit bemüht war, darin eine Ordnung zu finden. Diese Ordnung hat die Vielfalt der möglichen Antworten eingeschränkt und dadurch auch verfälscht. Wichtig ist auch genau hinzuhören und hinzusehen, und sich zu fragen: Wer sagt uns denn, wer Jesus Christus ist? Ist es Jesus selbst, der das von sich mitteilt, oder sind es eher andere, die Jünger, die anderen Menschen oder gar erst die frühen Gemeinden? Darauf sind zwei Antworten möglich, die beide nicht falsch sind: Jesus sagt selten wer er ist, manchmal in Form einer Bestätigung, deutet es eher praktisch an, durch seine Handlungen oder Gleichnisse. Es ist ihm wichtig, dass andere sich durch dieses Handeln an Gott erinnern lassen und sich seine Bedeutung dann eben auch von Gott her erklären. Ich bin der Meinung, dass die Antwort auf die Frage: „Wer ist Jesus Christus?“ auch das eigentliche Thema der Geschichte von der Auferweckung des Jünglings zu Nain ist. Diese Antwort erfolgt im Anschluss an die Auferweckungsgeschichte und lautet hier: „Ein großer Prophet ist unter uns aufgetreten! Gott selbst ist seinem Volk zu Hilfe gekommen!“

Da hier das gleiche Wort verwendet wird, wie bei der Auferstehung des Toten Jünglings von Nain, kann man auch sagen: „Ein großer Prophet ist auferstanden.“ In der Gegend von Nain, das ein paar Kilometer von Nazareth entfernt ist, war noch die Erinnerung an die Propheten Elia und Elisa lebendig, die im Alten Testament erzählt wird. Auferstehung hat also tatsächlich an dieser Stelle die Bedeutung von Wiedergeburt. Das ist eine ganz interessante Seite dieses Textes, dass also doch auch schon für die Bibel die Wiedergeburt ein Denkmodell ist, wenn auch nur auf wenige Person beschränkt. Jesus wird ja auch als Sohn Davids bezeichnet und wäre damit etwas wie der zurückgekommene David. Hier gilt er als der auferstandene Propheten Elia oder Elisa, die beide auch jemanden vom Tod auferweckt haben sollen.

Die Geschichte selbst erzählt die Auferstehung dann aber anders, als eine Art Wiederbelebung eines Toten, der zurückkehrt in sein altes Leben. Dass diese Rückkehr in ein altes Leben ungewöhnlich ist, ist klar. Einmal ist das ja auch beabsichtigt, denn gerade das Ungewohnte an dieser Handlung ruft ja gerade die Reaktion des Erstaunens hervor. Wissenschaftliche Interpretationen wie des Scheintod würden dieses Erstaunen nur wieder glattbügeln und klein machen. Trotzdem kommt für Jesus selbst diese Auferweckung relativ alltäglich rüber. Er geht auf den Leichenzug zu, hält die Bahre an, spricht mit der Witwe, bevor überhaupt etwas Entscheidendes passiert. Man hat den Eindruck, als wäre die ganze Szene wichtiger als die Auferweckung selbst. Das ist auch schon die erste Antwort auf die Frage nach der Bedeutung von Auferstehung im Zusammenhang der Erzählung: die Auferstehung ist ein Ereignis, dass alle beteiligten Personen einbezieht und ihnen eine neue Sicht auf das Leben und einen Neuanfang gibt. Man kann sagen, wie es ja auch in den Osterliedern gesungen wird: Das Leben setzt sich durch.

Jesus kommt mit einer großen Menschenmenge auf die Stadt Nain zu und will sie am Tor betreten. Dort wird es nun eng, weil genau von der anderen Seite in Gegenrichtung der Leichenzug sich aus der Stadt heraus bewegen will. Einer dieser beiden Züge muss anhalten, wenn sie nicht im Tor einander zerquetschen sollen. Jesus hätte seinen eigenen Zug anhalten können, doch das war wohl kaum möglich. Symbolisch kann man sagen: Der Zug des Lebens und der Zug des Todes begegnen sich.

Jetzt würden nun aber alle, die mit einem Wunder rechnen, enttäuscht, denn Jesus geht zunächst zur nächsten Angehörigen, um mit ihr zu sprechen. Ich denke, dass wir hier in der Bibel nur die Kurzfassung hören. Das Gespräch wird auf eine Kurzfassung gebracht. Jesus sagt zur Witwe: „Hör auf zu weinen!“ Ich denke, das ist weder als Aufforderung noch als Befehl zu denken, sondern als Ergebnis eine kurzen, aber intensiven Gesprächs.

Der Tote, so erfährt Jesus dabei ist, nicht der Ehemann, der schon vorher gestorben war, sondern der Sohn, bei dem diese Witwe nun lebt. Er hat die Aufgabe übernommen, für seine Mutter zu sorgen, da sie keine neue Ehe mit einem Bruder ihres verstorbenen Mannes eingegangen ist. Das Verwandtschaftssystem regelte sowohl die Altersvorsorge als auch die Sozialhilfe, so könnte man sagen. Wo dieses System ausfiel, blieb nur noch die Armut, die Bettelei übrig. Das was Jesus in dieser Geschichte tut, das tut er für diese Frau. Das Leben des Jünglings spielt eine Rolle im Blick auf seine Mutter. So heißt es nach der Auferweckung des Jünglings: „Jesus gab ihn seiner Mutter zurück.“ Und damit war diese zunächst einmal aus dem Kreislauf der Armut befreit. Die Folgen der Armut sind für Jesus gravierender als der Tod. Die Auferweckung des Jünglings ist gleichbedeutend mit der Befreiung der Witwe von Nain aus ihrem sozialen Tod.

Nun erst trat Jesus an die Bahre und brachte sie endgültig zum Stehen. Der Zug des Todes wurde gestoppt. Und Jesus spricht einige Worte zur Leiche, so als wüsste er jetzt schon, das ihn der junge Mann hören könnte: »Du junger Mann, ich befehle dir: Steh auf!« Nur ein Wort, kein Zauber, kein Ritus, keine Berührung, kein magisches Zeichen. Die paar Worte Jesu genügen, warum? Auferstehung ist nun hier in seiner ursprünglich wörtlichen Bedeutung gemeint: Der junge Mann richtet sich auf und steht auf. Er löst sich aus der Erstarrung und wird lebendig. Doch wie schon erwähnt, bleibt er als Person recht blass. Jesus gibt ihn seiner Mutter zurück. Der junge Mann muss sich erst wieder im Leben zurecht finden.

Die Beerdigung war damit zu Ende. Abgebrochen quasi. Doch was geschah mit der Menschenmenge, die sich ja jetzt nicht einfach in Luft auflösen konnte? Diese Menschen, alle, sowohl die aus dem Zug des Lebens als die aus dem Zug des Todes, waren nun Zeugen der Auferweckung des Jünglings geworden und sie bildeten spontan eine Gemeinde. Sie feierten Gottesdienst. Sie priesen und lobten Gott, sie feierten Gott als den Bewahrer des Lebens. Nicht der Wundertäter steht im Mittelpunkt, nicht Jesus gilt zunächst der Dank, sondern Gott selbst. Die Auferstehung ist eine Handlung Gottes, die durch Jesus nur quasi ausgelöst oder eingeleitet wurde. Gott selbst greift ein und nimmt dem Tod die Macht. Genau das ist letztlich ja auch die Bedeutung, die das Wort Auferstehung im christlichen Glauben bekommt. „Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.“ Jesus wird hier tatsächlich als Prophet gesehen, der Gottes Gegenwart und Willen verkündigt und anzeigt, aber sich nicht an seine Stelle setzt. Jesus hat sich nicht selbst erhöht. Das hätte seiner Botschaft widersprochen, sondern Gott hat ihn erhöht und der Gemeinde als Mitte ihrer Anbetung gegeben.

Was ist Auferstehung und wozu ist sie da? Ich habe in dieser Geschichte vier verschiedene Erklärungen von Auferstehung gefunden, die ich nun zum Ende der Predigt kurz darstelle:

– Auferstehung kann als Wiedergeburt verstanden werden. Jesus kommt wieder und ist in seinen Worten und Taten unter uns lebendig. Wo Jesu Worte Hände und Füße bekommen, dort ist Jesus unter uns lebendig und auferstanden, so wie in Jesus der Prophet Elia lebendig war.

– Auferstehung ist ein Weg aus dem sozialen Tod, aus der Armut. Das wird hier am Beispiel der Witwe erklärt. Wo Menschen einander beistehen, wo sie füreinander sorgen, dort ist der Weg in die Armut versperrt. Das kann man wirklich nicht alles dem Staat anlasten. Ich denke, dass unser Staat auch deshalb verschuldet ist, weil wir so tun, als wäre dies alles nicht mehr unsere Aufgabe. Der Staat soll uns darin unterstützen, aber nicht aus der Verantwortung entlassen.

– Auferstehung ist ein neues Leben, ein Neuanfang des Lebens aus der Erstarrung des Todes. Wie der Jüngling zu Nain vom Tod auferweckt worden sein mag, kann man heute nur noch symbolisch deuten. Doch ist es deshalb weniger wahr? Auferstehung ist das Handeln Gottes an uns, die Erneuerung des Lebens. Dieses Handeln Gottes darf aber ruhig auch vom dem Willen unterstützt werden. Der junge Mann in Nain musste selbst hören und aufstehen.

– Auferstehung ist die Vereinigung der Menschen zu einem Zug des Lebens. In der Mitte dieser Gemeinschaft erklingt das Lob Gottes und das Bekenntnis zu Jesus als dem Auferstandenen. Das Ziel der Botschaft Jesu ist die Freude über den Neuanfang, über das neu geschenkte Leben.

Amen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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