Predigt über Offenbarung 3, 1 – 6, zum 3. Advent, Christoph Fleischer Werl 2013

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An die Gemeinde in Sardes
3 1 »Schreibe an den Engel der Gemeinde in Sardes:
So spricht Er, dem die sieben Geister Gottes dienen
und der die sieben Sterne in der Hand hält:
Ich kenne euer Tun.
Ich weiß, dass ihr in dem Ruf steht, eine lebendige Gemeinde zu sein;
aber in Wirklichkeit seid ihr tot.
2 Werdet wach und stärkt den Rest, der noch Leben hat, bevor er vollends stirbt.
Was ich bei euch an Taten vorgefunden habe,
kann in den Augen meines Gottes nicht bestehen.
3 Erinnert euch daran, wie ihr die Botschaft anfangs gehört und aufgenommen habt!
Richtet euch nach ihr und lebt wieder wie damals!
Wenn ihr nicht aufwacht und wach bleibt, werde ich euch wie ein Dieb überraschen;
ihr werdet nicht wissen, in welcher Stunde ich über euch komme.
4 Aber einige von euch in Sardes haben sich nicht beschmutzt.
Sie werden weiße Kleider tragen und immer bei mir sein; denn sie sind es wert.
5 Alle, die durchhalten und den Sieg erringen, werden solch ein weißes Kleid tragen.
Ich will ihren Namen nicht aus dem Buch des Lebens streichen.
Vor meinem Vater und seinen Engeln werde ich mich offen zu ihnen bekennen.
6 Wer Ohren hat, soll hören, was der Geist den Gemeinden sagt!«

Die Offenbarung des Johannes ist das prophetische Buch des Neuen Testaments. Eine Prophezeiung ist eine warnende Voraussage für die Zukunft. So kann man etwas prophezeien, was von heute aus morgen geschieht: „Wenn die Entwicklung der Klimakatastrophe fortschreitet wie bis heute, dann wird der Meeresspiegel steigen.“ Eigentlich bezieht sich der Sinn der Prophezeiung also eher auf die Gegenwart. Das heißt also: Nicht die Phantasiegemälde der möglichen Katastrophen wie in vielen Endzeitfilmen ist wichtig, sondern die Frage: Was heißt das für uns heute? Eine Prophezeiung ist eine Botschaft für die Gegenwart.

Bei Johannes geht es um die Religion. In einer religiösen Prophezeiung spricht Gott selbst. Um den wahren Sinn der in der Offenbarung weiter folgenden Prophezeiungen darzustellen, gehen von Gott zunächst sieben Sendschreiben an die sieben Gemeinden in Kleinasien heraus, die auf jede Gemeinde direkt Bezug nehmen. Sie zeigen, wie vertraut Johannes mit diesen Gemeinden ist. Es heißt, er sei eine Art Bischof gewesen, der aber dann auf die Insel Patmos verbannt worden ist. Von dort aus schrieb er die Offenbarung auf, Worte von Gott aus den Gedanken und Visionen des Johannes.
Doch wozu ist dieser Text heute hier ausgesucht? Was heißt dies alles im Advent?
Wir richten uns auf die Zukunft ein. Wir warten nicht aufs Christkind, sondern wir bereiten uns auf das Kommen Gottes in die Welt vor.
Die Weihnachtsbotschaft lautet doch schlicht: Gott wurde Mensch und verwandelt alles, was er sagen will, in Menschlichkeit. Diese Prophezeiung gilt als erfüllt. Damit warten wir nicht wie damals auf eine unbekannte Zukunft, sondern wir richten uns auf Gottes Kommen in die Welt aus. Wir wollen, dass Gottes Menschlichkeit in der Welt beginnt, so wie damals in Bethlehem. Wer sich darauf vorbereitet, fragt nach der Bedeutung der Worte Gottes in dieser Welt und in dieser Zeit. Christlicher Glaube ist, in allem Christus zu sehen, wahrzunehmen und zu begegnen. Er sagt schon heute: „Was ihr getan habt diesen meinen geringsten Brüdern und Schwestern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25, 40)
Ich komme zum Sendschreiben an die Gemeinde in Sardes. Was kommt auf diese Gemeinde zu und wie ist sie darauf vorbereitet, so lautet die Frage. Es geht um die Antwort und die Reaktion auf das von Gott gestellte Problem. Gott ist der Eine, der die Gemeinden miteinander verbindet und dem diese dienen. Es ist auch möglich, hierin Christus zu sehen, was aber letztlich das Gleiche bedeutet. Die Gemeinden, denen Johannes seine Visionen mitteilt, beziehen sich auf Christus und auf Gott gleichermaßen.
Der Anfang kommt gleich klar rüber. „Ich kenne Euer Tun.“ (Vers 1) Das heißt nicht, ich kenne eure Frömmigkeit und es heißt nicht, ich kenne euren Glauben. Es heißt: Ich kenne Euer Tun.
Was damit genau gemeint ist, wird später klar. Hier wird deutlich, dass es auf das Handeln ankommt. Christinnen und Christen sind an ihren Taten zu erkennen. Der Glaube ist die Vorbereitung der Tat.
Was das konkret für die Gemeinde bedeutet, sagt der nächste Satz:
„Ihr steht in dem Ruf eine lebendige Gemeinde zu sein, in Wahrheit aber seid ihr tot.“ (Vers 1)
Eine richtige Gemeinde wird also nicht an ihrer Lebendigkeit erkannt, sondern daran, was sie tut.
Wichtig ist nicht die Anzahl der Besucher, sondern ob die Besucher bereit sind Flüchtlinge aufzunehmen.
Nur ein Beispiel: eine christliche Gemeinde praktiziert die Nächstenliebe und Feindesliebe. Doch geschieht das wirklich? Viel einfacher ist das Freund-Feind-Denken, das im Anderen denjenigen vermutet, der den eigenen Glauben in Frage stellt. Was dieser Satz aussagen will, ist: der Schein trügt vielleicht. Es zählen nicht zuerst die Zahlen, sondern die Werte, das Tun jedes und jeder Einzelnen.
Daraus folgt nun der Auftrag der Seelsorge. Alle, die noch lebendig sind, können und sollen gestärkt werden. Gehen wir wieder zu den einzelnen Menschen hin, vielleicht vor Weihnachten und sprechen mit ihnen bei einer Tasse Kaffee? Die Realität ist anders. Weihnachten ist die Zeit des Konsums. Oberflächliche Freundlichkeit und emsige Geschäftigkeit verdecken den Egoismus. So kann die Gemeinde in den Augen Gottes nicht bestehen, heißt es. Die Stimmung ist trübe. Schon der Seher Johannes will wachrütteln, denn wenn die Probleme kommen, dann könnten diese Leute den Glauben leugnen.
Hierzu ein kleiner Ausschnitt aus dem Buch Über Briefe eines kleinen Mädchens an Mister Gott.
Lieber Mister Gott!
Heut schreib ich dir, was ich zu Fynn gesagt hab über Dich, aber der hat gesagt, schreib’s ihm doch selbst. Ich glaub, der hat Angst, dass Du böse wirst, und er will keinen Ärger mit Dir. Auch nicht mit dem Pfarrer. Also: Furchtbar gern geh ich nicht in die Kirche; hab ich zu Fynn gesagt. Woher weißt du denn, ob Mister Gott da drin ist? Er kann drin sein, aber er muss nicht. Nur wenn wir ihn mit reinnehmen, dann ist er bestimmt drin. Ich würd ja an Mister Gott seiner Stelle von allein auch nicht kommen. Ich würd immer warten, dass mich die Leute mitnehmen. Hab ich zu Fynn gesagt. Findest Du das schlimm? Ich geh auch nicht gern in die Kirche, weil die Leute da so traurige Lieder singen. Die machen aus Dir einen, der immer schimpft…
Und dabei bist Du doch sehr lustig, find ich; und ganz riesig nett…
Die Leute sagen, Du bist so was wie ein König. Nur, wenn ein König in unsere Straße kommt, dann weiß der bestimmt nicht, wo ich wohne. Aber ich glaub, Du weißt das: Du hast keine Krone auf’m Kopf, … dafür kennst Du jeden ganz genau. Sogar den Leberfleck auf meiner Backe kennst Du, wetten? Und wenn ich die Hände nicht gewaschen hab; weißt Du das bestimmt auch. So genau guckst Du Dir jeden an: Ein König würd nie so genau hingucken: Die Arbeit macht der sich nicht. Nur Du machst Dir mit mir so viel Arbeit….
(Fynn: Anna schreibt an Mister Gott, Neues von Anna über Gott und den Lauf der Welt, Scherz Verlag Bern, München, Wien 1986, Lizenzausgabe, S.12f.)
Das wäre schon eine interessante Frage, ob die Menschen nicht nur in die Kirche gehen, um sich Gott dort abzuholen, um mit der kleinen Anna zu sprechen, sondern um Gott dorthin mitzubringen und Gott dort miteinander zu teilen. Das hieße dann: Kirche ist da, wo Menschen Gott miteinander teilen. Wo Menschen einander Gott glauben und abnehmen.
Dann ist die Kirche keine Anstalt für Glaubensbelehrung, sondern ein Erlebnisraum für religiöse Bedürfnisse. Keine Kirmes, aber auch keine Schule. Die Liturgie im Gottesdienst ist eine Hilfe dafür, Gott miteinander zu_teilen, in Lobgesang und in der Stille, in der Musik und im Wort, im Reden und im Hören und letztlich auch im Teilen des Brotes.
In die Kirche zu gehen heißt, Gott schon mitzubringen dorthin. Im Bild gesprochen kann man sagen: Gott sieht danach, ob wir ihn mitbringen. Doch woran können wir das spüren, ob Gott mit uns ist?
Die Antwort des Johannes ist: Denkt an den Anfang. Für Johannes ist jeder Gottesdienst eine Tauferinnerung. Deshalb ist hier so viel von weißen Kleidern die Rede. Das sind die Taufkleider.
Alle, die durchhalten und den Sieg erringen, werden ein weißes Kleid tragen.
Ihre Kleider sind nicht mit dem Blut der Opfertiere beschmutzt. Oder welche Opfer die Leute eben bringen. Die Gemeinschaft mit Gott bleibt bestehen, wenn wir selbst dafür sorgen.
Ich gebe zu, dass diese Aussagen des Sehers Johannes vielleicht über das Ziel hinausschießen.
In einem anderen Brief heißt es, dass Gott die Türen öffnet und dass jeder zu ihm zurückkehren kann. Andererseits ist die Interpretation des Sehers Johannes auch aktuell nachvollziehbar.
Im 1. Brief des Johannes heißt es: „Gott ist die Liebe. Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“ (1. Johannes 4,16) Das müsste den o. g. Satz dann vielleicht sofort erklären.
Damit passt das dann auch zum Anfang. Gott ist die Liebe und die Liebe ist das Merkmal des Glaubens, von Anfang an.
In diesem Sinne ist es gemeint, dass sich Christus zu uns bekennen wird. Wo der Geist der Liebe spürbar ist, das ist Gott. Advent heißt Vorbereitung auf das Fest der Liebe. Wer Liebe empfängt kann Liebe weitergeben. Es wäre doch schade, wenn das nur für einen Feiertag im Jahr gelten würde. Das Fest der Liebe soll ausstrahlen und weiter wirken. Wer ohne Liebe meint im Buch Gottes zu stehen, mag sich irren der irrt sich.
Der Geist wird die Gemeinde stärken und auf alles vorbereiten, was kommt. Wollen wir uns doch einfach in der Adventszeit fragen, wohin wir Gott mitnehmen können.
Amen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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