Religion im Wechsel der Zeit, Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2014

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Zu: Ortswechsel, Evangelisches Religionsbuch für Gymnasien 5/6, Claudius Verlag München 2013, ISBN 978-3-532-70040-2, Preis: , http://www.claudius.de/index.php

20140207-180436.jpgWenn der Religionsunterricht im an Kompetenzen orientierten Ansatz erfolgt, dann sind Schülerinnen und Schüler nicht zu Unterrichtende, sondern am Unterrichtsgeschehen Beteiligte. Unterricht ist so gesehen eine Kombination von Zuspruch und Anspruch. Ein Religionsbuch, das diesem Ansatz gerecht wird, ist ein Buch, das Schülerinnen und Schüler auch dazu anleitet, die vorgeschlagenen oder gewählten Methoden selbsttätig zu bearbeiten. Der Methodenteil am Ende des jeweiligen Bandes „Ortswechsel“ ist vorrangig dazu da, eigenständig vorgeschlagene oder selbst gewählte Methoden im Unterricht durchzuführen. Lerninhalte und Material werden vom Lehrbuch vorgegeben, von Unterrichtenden eingeführt oder z. B. durch Internetrecherche erkundet.

Einige Methoden seien beispielhaft genannt: klangliche Gestaltung biblischer Texte, Rollenspiel, kreatives Schreiben in der Umformulierung eines Bibeltextes aus einer Rolle heraus, Anregung zur Diskussion und Hinweise zu ihrer Durchführung.
Die erste Seite zu jedem Thema wird durch Fragen eröffnet. Hier heißt es: „Wo bin ich zuhause?“ (S. 9). Darauf folgt eine Doppelseite mit Text- und Bildimpulsen (Beispiel Harry Potter).
Danach werden auf den Inhalts- und Aufgabenseiten mehrere Ortswechsel vollzogen. Religion ist allein im Lebensbezug zu finden. Ortswechsel sind als menschliche Realität eine Frage an den Wert von Beziehungen. Hier knüpft der Band an den gerade vollzogenen Schulwechsel zum Gymnasium an, thematisiert aber auch den täglichen Wechsel zwischen Elternhaus und Schule.
Als biblisch religiöses Vorbild dient der 23. Psalm. So heißt es hier: „Auch im Psalm 23 gibt es mehrere Ortswechsel.“ (S. 15). Neben vorgegebenen Methoden der Textaneignung finden sich auch öffnende Aufgabenstellungen: „Bestimmt habt ihr noch mehr Ideen.“ (S. 15). Die letzte Seite eines Kapitels verweist in Gestalt eines Rucksacks auf Aneignungsmöglichkeiten. Dazu gibt es Anregungen zur Weiterarbeit und Integration des Gelernten, wie hier in der Anregung, die Schüler könnten die Rückseite ihrer Religionsmappe kreativ gestalten.
Im Internet gibt es zu diesem auch für NRW gedachten Band eine Tabelle, in der genau aufgezeigt wird, zu welchen Inhaltsfeldern und zu welchen Kompetenzfeldern des Lehrplans NRW die einzelnen Kapitel zuzuordnen sind. Das Religionsbuch hat neben einem Lexikon und dem Methodenteil insgesamt 11 Kapitel, die für den Religionsunterricht in den ersten zwei Schuljahren des Gymnasiums Material und Anregungen bieten. Das Inhaltsverzeichnis eröffnet einen Anblick in die Themenfelder des Religionsunterrichts, in eigenen Worten:
Umgang mit der Bibel („In Geschichten zuhause“)
Kirche und Gemeinde („Platz für viele“)
Die Frage nach Gott („Ich bin da“) usw.
Es ist schon eindeutig ersichtlich, welche kirchlich-religiösen sich unter den jeweiligen Überschriften verbergen. Die Formulierung deutet auf das Prinzip der Korrelation zwischen Lebensfragen und religiösen und institutionellen Fakten. Kirche entsteht im Prozess der Aneignung von Inhalten und ihrer Umwandlung in Normen und Prinzipien. Das einzige, was man fragen könnte, ob hier nur mal wieder das alte Paket „Kirche“ in einer neuen Verpackung geboten wird und ob es Schülerinnen und Schülern auch und gerade im schulischen Kontext gelingt, sich als Beteiligte zu fühlen, nicht als Objekte.
„Ortswechsel“ bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler sich nicht nur in der Welt der Religion verorten können, mit ihrer je eigenen religiösen und weltanschaulichen Auffassung, es bedeutet auch, dass sich die Vorstellungen der christlichen Religion im menschlichen Dasein verorten lassen. Insofern finden immer Ortswechsel statt zwischen Tradition und Gegenwart und zwischen Individuum und Institution. So widmet sich das Kapitel 10 den Fragen des interreligiösen Dialogs unter dem Stichwort „verwandt“. Wie immer im Dialog geht es nicht allein um den Blick auf andere, sondern auch um die eigene Positionsbestimmung. So ist zuletzt auch die Frage erlaubt: „Ist Religion wichtig?“ Das heißt: Auch die eigene Religion darf sich in Frage stellen lassen. Die Impulsseite sieht nicht nur Abraham als gemeinsamen Vater bzw. Großvater dreier Religionen, sondern auch die Abrahamstradition als Grundmotiv des Ortswechsels (S. 178f). Bevor jedoch der Aufbrüche Abrahams gedacht wird („Geh!“, S. 181), muss am Ort der eigenen Herkunft in Verwandtschaftsstrukturen von „Cousins und Cousinen“ gesucht werden (S. 180). Die folgenden sechs Seiten gehen auf biblische Traditionen ein und stellen sie in den Kontext von Islam und Judentum (S. 182 – 187). Danach geht es auf vier Seiten um Zeichen und Formen von Religion, sowie um heilige Orte in unterschiedlicher Gestalt, die jedoch einander nicht unähnlich sind (S. 188 – 191), um so zur Beobachtung zu kommen, dass es auch innerhalb der Grenzen einer Religion zu verschiedenen Formen und Gestalten kommt: „BeMERKenswert (mit MERK werden Merksätze notiert): DEN Islam gibt es nicht!“ (S. 191). Annäherung und Dialog führen auch zur Akzeptanz von Unterschieden und von Vielfalt. Von dort her wird Transfer möglich, der auf der letzten Seite angedeutet wird, wo Lernergebnisse skizziert werden: „Auch Christinnen und Christen leben ihre Religion unterschiedlich. Formuliere fünf bis zehn Aussagen zum christlichen Glauben, an denen du solche verschiedenen Einstellungen zeigen kannst.“ (S. 192)
Ortswechsel tragen zur Standortbestimmungen im Unterwegs des Lebens bei. Unterwegs gibt es Begegnungen. Dafür steht exemplarisch die Religionsgruppe an der Schule. Das Schulbuch „Ortswechsel“ hilft mit, den eigenen Ort zu finden und zu festigen, die unterschiedlichen Orte in der religiösen und zuletzt auch gesellschaftlichen Vielfalt wahrzunehmen und ein verantwortetes Leben und Glauben in der globalisierten Welt zu ermöglichen. Je besser man andere kennenlernt, umso besser gelingt es, die eigenen Lebenswege zu finden und zu gehen. Dass dazu auch der Religionsunterricht ein unersetzbares Schulfach ist, kann die Lektüre dieses Schulbuches zeigen.

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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