Andacht über den Predigttext zum Sonntag Kantate 2014 über Offenbarung 15,2–4, Christoph Fleischer, Werl 2014

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(Gute Nachricht Bibel)
Ich sah etwas wie ein gläsernes Meer, das mit Feuer vermischt war.
Auf diesem Meer sah ich alle die stehen, die den Sieg über das Tier erlangt hatten und über sein Standbild und die Zahl seines Namens. Sie hielten himmlische Harfen in den Händen.
Sie sangen ein Lied, das das Siegeslied Moses, des Bevollmächtigten Gottes, noch weit überbietet, das Siegeslied des Lammes:
»Herr, unser Gott,
du Herrscher der ganzen Welt,
wie groß und wunderbar sind deine Taten!
In allem, was du planst und ausführst,
bist du vollkommen und gerecht,
du König über alle Völker!
Wer wollte dich, Herr, nicht fürchten
und deinem Namen keine Ehre erweisen?
Du allein bist heilig.
Alle Völker werden kommen
und sich vor dir niederwerfen;
denn deine gerechten Taten
sind nun für alle offenbar geworden.«

Einige Gedanken, die zum Aufbau einer Predigt gehören. Dabei folge ich ganz gern dem Prinzip der klassischen Rhetorik:
Verständigung mit den Hörerinnen und Hörern, Einleitung oder Anbiederung (es heißt tatsächlich so, weil der Anfang der Rede darüber entscheidet, ob die Hörer wirklich zuhören. Die Rede muss also in ihrer Welt beginnen und dort auf Interesse stoßen)
Narratio – erzählende Aufarbeitung und Einführung
Argumentatio – argumentative Entfaltung
Conclusio – Zusammenfassung und Fazit.

1. Anbiederung, Das Wecken von Interesse.
Die Vision wird verknüpft mit der Überlieferung eines Liedes. Welches Lied aus der Popmusik könnte diesem formal entsprechen? Wo wird ein besonders krasses Bild phantasiemäßig mit dem Inhalt eines Liedes verknüpft. Eins meiner Lieblingslieder ist „Denkmal“ von „Wir sind Helden“. (Das Musikvideo zeigt eine Aufstehsituation der Tourneecrew von „Wir sind Helden“. Das „sie haben uns ein Denkmal gebaut“ korrespondiert kit der Aufforderung „komm her ans Fenster“. Der Link mit einem Werbevorspann: http://www.myvideo.de/watch/7222409/Wir_Sind_Helden_Denkmal)

2. Narrative Darstellung des Textes oder Themas. Die Stimmung des Liedes ist durch realistische Vorstellung gedeckt, da es wohl das Denkmal auf dem Platz vor ALDI real nicht gibt. Der Inhalt klingt daher unwirklich. Der Lebenszusammenhang dagegen wird angesprochen: Da ist die Rede von Beton und einem Vorschlaghammer, vom Platz vor ALDI und der Großstadt. Dennoch ist da die Euphorie: Sie haben uns ein Denkmal gebaut. Doch das Denkmal muss wieder zerstört werden, da es die Liebe versaut.
So schildert auch Johannes in seiner Vision ein Bild eher im Stil der Phantasie vom „Herrn der Ringe“. Ein gläsernes Meer, mit Feuer vermischt. Der Sieg über das Standbild ist geschehen. Die Zahl seiner Namen ist besiegt. Da muss ein Siegeslied angestimmt werden, von dem man genau weiß, dass draußen noch alles wie vorher ist. Und doch ist hier, in unserem Glauben, im Namen Jesu das Ganze schon passiert.
Erzählen müssen wir davon, wie wir solche kirchlichen Protestlieder gesungen haben (Ich zitiere bewusst aus meiner Erinnerung). Welche Liedfetzen fallen uns ein? „Sonne der Gerechtigkeit“ auf einer Antikriegsdemo, „We shall overcome“, Hand in Hand gesungen, „Heute hier, morgen dort“, oder den „Hauptbahnhof Hamm“ von Reinhard Mey, „Yesterday“ von den Beatles. Die Liebe ist der Herrscher der ganzen Welt. Die Liebe besiegt alle Gewalt, die Liebe überwindet allen Hass und alle Vorurteile. Die Liebe wollen wir fürchten respektieren/ mit Respekt ansehen und anbeten. Wir haben eine Vision, den Frieden der ganzen Welt.
Kara Huber-Kaldrack, Wolfgang Huber (Assoziationen 6, S. 124): „Was Gott mit der Welt vorhat, können wir nur dann dankbar loben, wenn wir nicht vor dem Protest gegen die Plagen zurückschrecken, mit denen wir Menschen einander überziehen. Die Ausflucht, diese Plagen seien von Gott geschickt, erstirbt uns um so mehr auf den Lippen, je grausamer sie sind. […] Wir müssen die Plagen uns selbst zurechnen, deren Urheber wir sind; keine apokalyptische Vision kann Untätigkeit gegenüber dem, was uns und anderen droht, rechtfertigen.“

3. Argumentation mit Text oder Thema. Was gibt es hier zu argumentieren? Was ist genau die Aussage, die wir vermitteln wollen? Ist es die Geschichte der Psalmen, deren Aufgabe es war und ist, Gott zu loben, fortgesetzt über die Lieder der Kirche. Über die verbotene Musik und das Singen, der Sprechgesang der Mönche. Sind es die umgedichteten Landsknechtslieder der Reformationszeit? Kampflieder des Glaubens wie „ein feste Burg ist unser Gott“?
Gottes Wirklichkeit ist die Wirklichkeit des Glaubens in unserer Realität des Betons. Doch diese Wirklichkeit ist nicht unwirklich. Sie entfaltet eine ungeheure Macht, die subversiv ist, von unten wirkt. Wer in der Kirche nicht auf diese Subversion setzt, ist fehl am Platz. Man kann nicht gleichzeitig das Standbild preisen und den Unsichtbaren verehren. Ideologie ist ein Irrweg, denn sie verbindet das Unsagbare mit festgelegten Denkstrukturen. Wie argumentieren für ein Lied? Spricht nicht die Ästhetik der Religion ihre eigene Sprache? Vielleicht würde ich ein Lied von Annette von Droste Hülshoff vorlesen oder von Rilke, um einmal die Literatur ins Gespräch zu bringen. Lyrik ist die Musik der Sprache. Die Kirche hat diese „Musik der Sprache“ auch, was in den Kirchenliedern zu entdecken ohne wäre.

4. Zusammenfassung und Schluss. Was haben wir gesagt? Wir haben im Beispiel des Liedes „Denkmal“ eine Parallele zur Liedvision der Offenbarung entdeckt. Wir haben erzählt von Liedern, die wir selbst gesungen haben, auf welchen Plätzen, draußen vor dem Brandenburger Tor oder auf der Abschlusskundgebung des Hannoveraner Kirchentages 1983. Wir haben das Thema „Liebe“ in all diesen Liedern der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gefunden, als verbindendes Thema zwischen öffentlichen und sakralen Liedern. Wir sind der Geschichte der sakralen Musik ein wenig auf die Spur gegangen und haben die Kraft des Glaubens in den Liedern der Kirche entdeckt.
Lieder sind ein Element ständiger Erneuerung in der Religion: „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ (Psalm 98)

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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