Die Quellen der Kraft, Andacht sieben, Psalm 37, Der eigene Weg in Gottes Hand, Christoph Fleischer, Werl 2014

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(Diese Klinikandacht benutze ich auch als Predigt am Sonntag Kantate.)
Zuerst lese ich das Gedicht aus dem Buch „Psalmengedichte“, um zu zeigen, dass der Psalm vier Teile hat. Die vier Verse des Gedichts sind wie kurze Zusammenfassungen:
Befreiungskampf. Nach Psalm 37.

Du, Gott, vergänglich sind die Bösen;
Ich aber bleib gerecht und treu.
Das Licht deckt auf die Skandalösen.
Und Wind verweht sie dann wie Heu.

Du, Gott, kann dir sich widersetzen
Wer weiß, dass abgerechnet wird?
Warum den Armen so verletzen
Und Menschen töten unbeirrt?

Du, Gott, du unterstützt die Armen,
Und die Getreuen machst du stark.
Du sorgst mit täglichem Erbarmen
Für ein gesundes Knochenmark.

Du, Gott, gibst mir ein langes Leben.
Nie Hunger hat die Kinderschar.
Lass auch die Zukunft Heimat geben
Und Wohnung hier und immerdar.

(Quelle: Psalmengedichte. Christoph Fleischer, Neubearbeitung, Werl 2011 | Der schwache Glaube, http://www.der-schwache-glaube.de/?p=1008)

Der Psalm wird in der nun folgenden Andacht nicht in einem Stück gelesen und kommentiert, sondern in den vier Teilen.
(Gute Nachricht Bibel)
Verse 1 – 10:
Von David. Reg dich nicht auf über Menschen, die Gottes Gebote missachten!
Und wenn es den Unheilstiftern gut geht, beneide sie nicht!
Denn wie das Gras verdorren sie bald, sie welken und gehen ein wie grünes Kraut.
Verlass dich auf den HERRN und tu, was recht ist;
dann bleibst du im Land und wohnst in Sicherheit.
Suche dein Glück beim HERRN: Er wird dir jeden Wunsch erfüllen.
Überlass dem HERRN die Führung in deinem Leben;
vertrau doch auf ihn, er macht es richtig!
Deine guten Taten macht er sichtbar wie das Licht des Tages,
und deine Treue lässt er strahlen wie die Mittagssonne.
Werde ruhig vor dem HERRN und warte gelassen auf sein Tun!
Wenn Menschen, die Böses im Schilde führen, auch noch ständig Erfolg haben, reg dich nicht auf! Lass dich nicht hinreißen zu Wut und Zorn,
ereifere dich nicht, wenn andere Böses tun; sonst tust du am Ende selber Unrecht!
Menschen, die sich Gott widersetzen, rottet er aus;
doch alle, die auf ihn hoffen, werden das Land besitzen.
Nicht lange mehr, dann sind die Bösen fort,
du wirst von ihnen keine Spur mehr finden.

Die Existenz der Bösen, die dem Beter Schwierigkeiten bereitet, soll ihn nicht dazu verführen, Gewalt anzuwenden. Auch wenn hier eine Einteilung in Gute und Böse vorzuliegen scheint, besteht doch die Strategie darin, nicht selbst zum Bösen zu werden. Ich persönlich deute diese Ausdrucksweise nicht moralisch, sondern ökonomisch. Ich vermute, dass der Psalm aus der Perspektive von Armen ausgedrückt ist.

Verse 12 – 20:
Den Armen aber wird das Land gehören und nichts wird fehlen an ihrem Glück.
Wer Gott missachtet, schmiedet Pläne, zähneknirschend
und voller Hass, um denen zu schaden, die Gott gehorchen.
Der Herr aber lacht über seine Feinde, er weiß:
Der Tag der Abrechnung kommt.
Die Bösen haben das Schwert gezogen, den Bogen haben sie schon gespannt.
Sie wollen die Armen und Wehrlosen töten, alle, die ein ehrliches Leben führen.
Doch das Schwert dringt ihnen ins eigene Herz und ihre Bogen werden zerbrochen.
Arm sein, aber mit Gott leben ist besser als aller Reichtum der vielen, die gegen Gott leben;
denn der Herr zerbricht die Macht seiner Gegner, doch seine Getreuen macht er stark.
Der HERR sorgt täglich für die, die sich in allem nach ihm richten.
Was er ihnen geben will, bleibt für immer ihr Besitz.
In Unglückstagen enttäuscht er sie nicht, in Zeiten der Hungersnot macht er sie satt.
Doch seine Feinde kommen um, die Bösen verschwinden wie die Pracht der Wiesen, sie gehen in Rauch auf und verwehen.

Das hier mit Gewalt auch Unterdrückung gemeint ist, zeigt der zweite Teil, der auch von Armen und Reichen handelt. Letztlich kann man hier aber jede Art von Bedrohung hineinlesen, Feindschaft im Inneren und Äußeren. Auch mit Reichtum können auch unmoralische Handlungen verbunden sein wie Enteignung oder gewaltsames Eintreiben von Schulden. Siehe Nabots Weinberg. Wer damals nicht bezahlen konnte kam ins Gefängnis und konnte sich nur freikaufen, wenn er bereit war in die Sklaverei zu gehen.
Der Beter bezeichnet sich selbst als fromm, was keine Auszeichnung ist, sondern bedeutet, den Weg Gottes zu verfolgen. Dazu gehört das Vertrauen auf Gott: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen!“ Dem Frommen wird das Land verheißen, was faktisch bedeutet, dass er auch ökonomisch Erfolg haben wird, wenn auch erst mit der Zeit und nicht mit Gewalt. Hieraus kann man erkennen, dass Frömmigkeit keine rein geistige Sache ist, sondern das ganze Leben betrifft und sich zuletzt sogar auf den beruflichen und wirtschaftlichen Erfolg auswirkt. Eine ähnliche Theologie wurde später auch von Johannes Calvin aus Genf verfolgt.

Verse 21 – 29:
Wer Gott missachtet, muss ständig borgen, und zurückzahlen kann er nicht.
Doch wer Gott gehorcht, kann freigebig helfen.
Menschen, die Gott segnet, besitzen das Land;
doch wer unter seinem Fluch steht, kommt um.
Der HERR hat Freude an einem redlichen Menschen und lenkt alle seine Schritte.
Er mag fallen, aber er stürzt nicht zu Boden;
denn der HERR hält ihn fest an der Hand.
Ich habe ein langes Leben hinter mir;
nie sah ich Menschen von Gott verlassen, die ihm die Treue halten,
und nie ihre Kinder auf der Suche nach Brot.
Alle Tage können sie freigebig leihen und an ihren Kindern zeigt sich Gottes Segen.
Kehr dich vom Bösen ab und tu das Gute; dann ist dir dein Wohnplatz für immer sicher.
Denn der HERR liebt das Recht und verlässt die Seinen nicht, die ihm treu bleiben;
für alle Zeiten beschützt er sie.
Aber die Nachkommen der Feinde Gottes kommen um.
Den Gehorsamen wird das Land gehören, sie dürfen für immer darin wohnen.

Es ist schon richtig, dass hier die Guten und die Bösen gegeneinander gestellt werden. Doch wir sollten es nicht als Aufhetzen sehen, sondern als Einübung in Gelassenheit. Neid ist eben kein guter Ratgeber. Die Menschen, die sich zu Gott halten sind immer dann gut aufgehoben, wenn sie Gott in allem vertrauen. Der Unterschied zwischen Wohlstand und Armut entscheidet nicht über den Sinn des Lebens. Wer sagt denn, dass Reiche mehr vom Leben haben als Arme. Interessant ist das Argument des Todes. Die Reichen und die Nachkommen der Feinde Gottes kommen um. Doch was damit genau gemeint ist, aber das Bild meint, dass sie in Rauch aufgehen werden, sich in Luft auflösen werden. Es meint wahrscheinlich so etwas wie das deutsche Sprichwort: Unrecht Gut gedeihet nicht. Für die Frevler ist der Tod das endgültige Ende, da niemand von ihnen sprechen wird.

Verse 30 – 40
Ein Mensch, der sich nach Gott richtet, spricht Worte der Weisheit
und sagt, was recht ist vor dem HERRN.
Das Gesetz seines Gottes trägt er im Herzen; darum weicht er nicht vom richtigen Weg.
Wer Gott missachtet, lauert darauf, die umzubringen, die Gott gehorchen.
Doch der HERR lässt nicht zu, dass sie in Mörderhände fallen oder dass man sie gegen das Recht verurteilt.
Hoffe auf den HERRN und befolge seine Gebote;
dann ehrt er dich und schenkt dir das Land, und du wirst sehen, wie er seine Feinde vernichtet.
Ich sah einen Bösen, der seine Macht missbrauchte;
er wurde immer größer, wie ein Baum auf fettem Boden.
Aber als ich noch einmal vorüberging, da war nichts mehr von ihm zu sehen.
Ich suchte ihn, doch ich fand keine Spur.
Achte auf unsträfliche, ehrliche Menschen und du wirst sehen:
Wer den Frieden liebt, dessen Nachkommen bleiben.
Doch die Unheilstifter werden alle vernichtet und ihre Nachkommen werden ausgerottet.
Der HERR hilft denen, die zu ihm halten.
Wenn Gefahr droht, finden sie bei ihm Zuflucht.
Er rettet sie und steht ihnen bei.
Vor den Bösen wird er sie retten und ihnen helfen, denn bei ihm suchen sie Schutz.

Hier wird nicht einmal gezeigt, dass es auch echte Bedrohungen sein können. Die Gerechten und Frommen suchen und finden Schutz bei Gott. Die Zukunft der Gerechten liegt im Frieden, die Zukunft der Frevler liegt darin, dass sie die Folgen ihres Unrechts zu spüren bekommen. Gottes Schutz ist auch hier mehr als geistig, sondern im Leben praktisch spürbar. Die Einstellung des Glaubens bewirkt diesen Schutz, weil Vertrauen der bessere Ratgeber ist. Die Argumente des Psalms führen immer wieder in das praktische Leben.

Eines der bekanntesten Motive dieses Psalms ist der Weg. Dadurch wird deutlich, dass der Blick auf die anderen im Neid oder gar in Feindschaft dem eigenen Weg nicht zuträglich ist. Hierbei kommt es im Gegenteil darauf an, die eigenen Schritte mit Gott zu gehen. Der Weg ist eine alltägliche Erfahrung, weil täglich Wege zurückgelegt werden müssen.
Verse des Psalms, in denen das Wort Weg vorkommt oder mitgemeint ist, sind:
Vers 5: Befiehl dem Herrn deinen Weg, und vertraue auf ihn, so wird er es vollbringen.
Vers 7: Erzürne dich nicht über den, dessen Weg gelingt, über den Mann der Arglist übt.
Vers 23: Vom Herrn werden die Schritte des Mannes bestätigt, wenn ihm sein Weg gefällt.
Vers 31: Das Gesetz seines Gottes ist in seinem Herzen, und seine Schritte wanken nicht.
Vers 34: Harre auf den Herrn und bewahre seinen Weg, so wird er dich erhöhen, dass du das Land erbst.

Interessanterweise wird das Verhalten, das hier mit dem Weg Gottes gleichgesetzt wird nicht extra begründet. Der Beter geht auf dem Weg des Gesetzes oder man kann sagen: Mit Gott rechnen, Gott vertrauen und die Prinzipien der Religion achten. Die Gegner sollten aber nicht zwangsläufig als Gegner der Religion bezeichnet werden, sondern es werden verschiedene Verhaltensweisen genannt, Gewalt, Unterdrückung, Mord, Diebstahl und Betrug.
Paul Gerhardt geht nun weniger auf solchen Frevel ein, sondern einfach auf die Grundeinstellung des Gottvertrauens. Dafür wird etwas mehr über Gott gesagt, für Paul Gerhard in erster Linie der Schöpfer, im Psalm dagegen eher der Beschützer Israels.
„Der Wolken Luft und Winden gibt Wege Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden…“
„Weg hast du allerwegen, an Mitteln fehlt dir’s nicht, dein Tun ist lauter Segen, dein Gang ist lauter Licht…“ (Quelle: Evangelisches Gesangbuch, Lied 361)

Manches klingt im Psalm eher moralisch oder an der Frage nach Zugehörigkeit orientiert. Bei Paul Gerhardt ist das Verhalten nicht so wichtig, sondern es geht eher um die Lebenseinstellung. „Befiehl du deine Wege“ meint das Gottvertrauen in allen Lebenssituationen. Wir sollten beides im Glauben sehen, einmal eine Art Befreiungskampf und zum anderen das Vertrauen auf den lebendigen Gott.
Zum Ausklang zitiere ich ein paar Sprüche aus der irischen Weisheitsliteratur
(Möge das Leben gut zu dir sein, Irische Segenswünsche für jeden Tag, benno Verlag Leipzig, Jahr?)

7. Februar: Segne mich, o Herr, und die Erde unter meinen Füßen. Segne mich, o Herr, und den Weg, auf dem ich gehe. Segne mich, o Herr, und die Sache, für die ich unterwegs bin. Du von Ewigkeit zu Ewigkeit, segne mich auch bei meiner Rast.

12. Februar: Möge der Himmel der Sonne immer ein Schlupfloch für ihre wärmenden Strahlen offen halten, die dich begleiten mögen auf deinem Weg.

23. Februar: Nicht immer soll dein Weg eben sein, ohne Hindernisse und Schwierigkeiten, und ohne Regen und Stürme. Gerade diese sind für dich bestimmt, deinen Weg nachdenklicher zu gehen, deine Nächsten und auch die Fremden nicht zu vergessen.

7. März: Gott segne dich, er gehe dir voran und weise dir den richtigen Weg. Gott sei in deiner Nähe und lege seinen Arm sanft um dich. Gott sei hinter dir, schütze dich vor allem Bösen. Gott sei unter dir, dich aufzufangen wie ein Netz.

5. April: Der Wind stärke dir den Rücken. Die Sonne erwärme dein Gesicht. Der Regen schenke dir frische. Das Land soll dir Heimat sein. Möge deine Wege zu friedlichen Orten führen.

Die irischen Segensworte verbinden die Betonung des Gottvertrauens mit den praktischen Erfahrungen des Lebensweges. So wird das Gottvertrauen zum Leitgedanken, ohne dass wir den Eindruck hätten, damit uns völlig einem ungewissen Schicksal zu überlassen. Auch wenn der Weg von Gott geleitet, behütet und gesegnet ist, muss und wird er doch von uns selbst gegangen werden.
Amen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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