Medienpräsenz bei Luther und heute, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2015

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Zu: Bernd Beuscher: #LUTHER, Reformation, Kommunikation, Medien, Studienreihe Luther 4, Hrsg. von Dieter Beese, Günter Brakelmann und Arno Lohmann, Luther-Verlag Bielefeld 2015, ISBN 9783785806524, Preis: 12,95 Euro

782_0In der Reihe, die inhaltlich auf das Lutherjubiläum vorbereitet findet sich aktuell neu ein Band, der auf die Bedeutung der Medienkultur heute und zur Zeit der Reformation hinweist. Die Reformation mit und durch Martin Luther wäre nicht denkbar gewesen ohne die Medien der damaligen Zeit – genannt sei vor allem die Verbreitung von Bildern, der Druck von Flugschriften und der sich ständig verbessernde Buchdruck. Obwohl es immer wieder auf Luther und die Reformationszeit zu sprechen kommt, ist das Buch von Bernd Beuscher, Professor für Praktische Theologie an der FH in Bochum, keinesfalls auf der historischen Ebene anzusiedeln.

Die Vergegenwärtigung der Reformation wird hier zur aktuellen Mitteilung, im Gespräch mit dem Rapper Marteria, „‚Du hast ´nen Text.’“ (Zitat Marteria, S. 13), und vielen anderen aktuellen Zeuginnen und Zeugen. Die Entscheidungsnot Martin Luthers, die die Reformation mit auslöste, findet sich z. B. in einem Zitat des Begründers der Gestalttherapie Fritz S. Perls wieder: „Das ist der tote Punkt, an dem du in die Vermeidung ausweichst, an dem du phobisch wirst. Du wirst ganz plötzlich schläfrig oder erinnerst dich an etwas ganz Wichtiges, das du unbedingt tun musst. Darum ist es besser, gemeinsam mit jemand anderem zu arbeiten, der dich darauf hinweisen kann, wo du fliehst.“ (Zitat Perls, S. 28)

Die Kriterien der lutherischen Übersetzungskunst werden zur Kritik an der oft unreflektierten Übernahme des biblisch theologischen Vokabulars in der kirchlichen Sprache: „‚Wir aber bleiben auf dem Gebetsteppich unserer Terminologie.‘“ (Zitat Ulf Weißenfels, hier: S. 44f). Beuscher hat ebenso den Mut, eine Formulierung aus „Rechtfertigung und Freiheit“ (Denkschrift der EKD) als „Fehleinschätzung“ zu bezeichnen (vgl. S. 50), die behauptet, die Ausdrucksweise der Bibel hätte nicht direkt etwas mit Bildern zu tun. Er empfiehlt dagegen, das Muster der Hermeneutik (der Übersetzung von Bedeutungen in die Gegenwart, d. Rez.) durch das der Semiotik zu ersetzen, dem „Spiel der Bedeutungen“ (S. 55). Mit Herder und Humboldt (u. a.) erinnert er an die Ganzheitlichkeit der Sprache. In der Welt und Gott sieht er keinen Gegensatz: „‚Die Weltfremdheit der Theologie ist nur eine Kehrseite mangelnder Gotteserkennntnis.‘“ (Zitat Rudolf Bohren, hier: S. 61).

Erneut ist es eine Schrift der EKD, die er kritisch betrachtet, wenn er feststellt, dass darin die heutige Bildung als „Transport“ erklärt wird (vgl. S. 66). Er hebt die Arbeit von Gemeinde- und Religionspädagogen (inkl. Pädagoginnen) hervor, denen es gelingt zu „elementarisieren“ (S. 65) und dabei „auf die üblichen klerikalen  Sprach-, Denk- und Hörgewohnheiten zu verzichten.“ (S. 67). Mit Paul Tillich findet er „die Kraft der Selbstkritik im protestantischen Prinzip“, das er mit Luther und Paulus (2. Korinther 12) dahingehend deutet, „Schwäche zugeben zu können“ (S. 68). Dabei geht es ihm gerade darum, nicht wie heute so oft, die Rechtfertigung mit Stichworten der Aufklärung „moralisch“ zu „formatieren“ (S. 71). Er verdeutlicht an Beispielen aus der aktuellen        Kunst (Matthias Schamp), dass die geringe Reichweite der kirchlichen Sprache heute daher rührt, das „Wort Gott“ auf einen „Code“ zu reduzieren (S. 79). Stattdessen gilt es hierbei auch Leere und Raum zu entdecken, der neue Möglichkeiten eröffnet, wobei auch „Gottes Unverfügbarkeit“ mit Meister Eckart erst wahrgenommen wird.

Ein Film über den Auftritt der Band Metallica in Wacken 2005 wird für ihn zu einem Bild der Religion: „Die Leute beten mehr, als sie denken.“ (S. 84). Er empfiehlt, den Schlussteil des Films auf Youtube anzusehen mit dem bekannten Song „Nothing Else Happens“.

Soweit eine Anzahl von Beobachtungen aus diesem Text, der sich mit der medialen Aktualisierung der Reformation beschäftigt und dafür plädiert, das von Luther beanspruchte und im Blick auf den Glauben auch verdeutlichte Freiheitspotential neu zu nutzen.

Das Schlusskapitel ist dann aber doch auch noch ein kritischer Blick auf die Medienpräsenz, so sie denn ein Eigenleben führt. Der Blick auf den Glauben enttarnt auch die (elektronischen) Götzen (nach Luther).

Viele Anmerkungen und Quellenangaben laden zur Weiterarbeit ein. Warum aber auch etliche Zitate und als Zitate gekennzeichnete Stichworte von Sloterdijk, Benjamin, Rosenstock-Huessy, Walser und anderen nicht belegt worden sind, ist allerdings unverständlich. Aber es gibt ja noch Google.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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