Wie weit tragen Metaphern theologisch? Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016

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Zu: Siegfried Grillmeyer, Erik Müller-Zähringer, Johanna Rahner (Hg.): Peterchens Mondfahrt – Peter Sloterdijk, die Religion und die Theologie, Band 12 der Reihe Veröffentlichungen der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus, www.cph-nuernberg.de, Echter-Verlag, Würzburg 2015, 198 Seiten, Preis: 16,80 Euro

978-3-429-03823-6

Die Autorin und die Autoren dieses Bandes Erik Müller-Zähringer, Klaus Müller, Gregor Maria Hoff, Johannes Rahner, Martin Kirschner und Johannes Först verbindet die Lehrtätigkeit im Fach katholische Theologie an diversen Hochschulen sowie die Mitarbeit am theologischen Forum der Universität Bamberg und am Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg. Die religionskritische Arbeit Peter Sloterdijks zeigt Wirkung und wird von Seiten der katholischen Theologie aufmerksam aufgenommen. Peter Sloterdijk, evangelisch sozialisiert, versteht es, die Metaphern des religiösen Lebens in säkularer Sprache auszudrücken, aber nicht wie meist unterstellt, um sie aggressiv atheistisch zu entlarven, sondern um Brücken zwischen Religion und Philosophie zu bauen. Er wird im Bereich der Kirche wahrgenommen, da er die Religion, quasi immer von einem neutralen Standpunkt aus beobachtet und in ihrem Engagement für die Menschheit zu verstehen versucht. Wie nah und sensibel er in seinem Buch „Du musst dein Leben ändern“ an der Wahrhaftigkeit religiöser Sprache rührt, wird vor allem im letzten Beitrag von Johannes Först dargestellt: „Metapher, Fragment und Sakrament, Peter Sloterdijks metaphorische Sprachkunst als Impuls für eine sakramentale Daseinshermeneutik (S. 167 – 192).

Bei den anderen Beiträgen überwiegt die Auseinandersetzung, die bis in den Titel hinein zuweilen zynische Züge annimmt („Peterchens Mondfahrt“). Hin und wieder scheint es in der katholischen (und evangelischen?) Theologie ein Bedürfnis zu geben, sich kritisch und abgrenzend mit der zeitgenössischen Philosophie zu befassen. Formal gesehen sind diese Beiträge stark zitatlastig, was in der Form der Abgrenzung manchmal etwas schroff wirkt. Es ist zu fragen, ob Essays oder Artikel mit einer derartigen Flut von Zitaten wirklich zu einer sachgemäßen und rationalen Auseinandersetzung beitragen. Wenn man Sloterdijk lesen will, kann man sich doch seine Bücher besorgen.

Den Beiträgen von Johanna Rahner und Martin Kirschner hat es das Stichwort „Anthropotechnik“ angetan. Warum das Stichwort „Übung“ bei Martin Kirschner die Assoziation eines „anthropotechnologischen Fitness-Studios“ auslöst mit „gnadentheologischen Dehn- und Entspannungsübungen“  (S. 139) deutet daraufhin, dass die Zitate Sloterdijks den Sinn haben, ihn absichtlich missverstehen zu wollen oder zu müssen. Zumal „Anthropotechnik“ im Sinn des Wortes hierbei gar nicht gemeint ist. Auch bei Johanna Rahners Artikel scheint mir das Gespür für den leicht ironischen Unterton Sloterdijks zu fehlen, wenn sie schreibt: „Wenn wir die Verankerung und Relevanz des Religiösen auch in ihrer biologisch-naturalen Dimension ernst nehmen (und vieles spricht dafür), so wäre sehr erstaunlich, wenn sie nicht wirklich auch über biologisch-naturale Wurzeln verfügten, also dass Glaube und Religion dem auch ‚guttun’, also ‚von Vorteil’ sind (individuelle und evolutionär betrachtet).“ (S. 125). Auch wenn sie bei Sloterdijks „Regeln für den Menschenpark“ 1999 einsetzt, so muss sie doch zuletzt vom Thema Biopolitik hin zur Frage der Transzendenz kommen. Die Transzendenz der christlichen Religion gründet sich auf keiner Sicherheit, weder in Abgrenzung noch in der Frage nach der Funktion von Religion. Zuletzt muss sie demnach konstatieren: „Christliche Hoffnung gründet und begründet sich in diesem ‚Funken von außen’, diesem ‚Gegenüber’, das Glaubende ‚Gott’ nennen, und sie provoziert mit der Zusage, dass sich die Lücke zwischen dem, was ist, und dem, was als Erhofftes sein könnte, nicht durch unser Zutun, sondern durch das eines ganz anderen schließen wird.“ (S. 134). Angesichts diese Aufnahme der negativen Theologie, die auch in der Philosophie Sloterdijks mitschwingt, müsste es klar sein, dass hier jede Apologetik zu kurz greift, wenn man sich nicht kleinlich an dem Begriff „Anthropotechnik“ verbeißt. Wir sollten als Kirchen eher dankbar sein für Stimme wie die von Peter Sloterdijk, die den Kirchen und Religionen Rückmeldungen „von außen“ geben. So bietet Peter Sloterdijk in den Worten des Herausgebers Siegfried Grillmeyer: „Viele Impulse, die immer wieder Stoff auch für Theologinnen und Theologen boten – als Ausgangspunkte einer Auseinandersetzung mit einzelnen theologischen Fragen ebenso wie mit den Grundannahmen der eigenen Disziplin, zu eignen Selbstvergewisserung und damit auch Verortung im beginnenden 21. Jahrhundert.“ ( S. 194). Der Ausdruck „Übung“ zusammen mit der einem Gedicht von Rainer Maria Rilke entlehnten Aussage: „Du sollst dein Leben ändern“ ist ein Impuls, der auch dem interreligiösen Dialog Brücken baut, da er die Unterschiede der Religionen und deren Gemeinsamkeiten gleichermaßen respektiert.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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