Islam in Deutschland zu Hause, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016

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Zu: Aiman Mazyek: Was machen Muslime an Weihnachten? Islamischer Glaube und Alltag in Deutschland, C. Bertelsmann, München 2016, ISBN 978-3-570-10280-0, Preis: 16,99 Euro

Was machen Muslime an Weihnachten von Aiman Mazyek
Was machen Muslime an Weihnachten von Aiman Mazyek

Aiman Mazyek ist 1969 in Aachen geboren und hat Philosophie, Politikwissenschaft und Volkswirtschaft studiert. Er hat sich intensiv mit dem Islam befasst und war einige Zeit Delegierter der Internationalen Islamkonferenz in Kairo. Seit 2010 ist er Vorsitzender des Zentralrats der Muslime. Laut Wikipedia (vom 02.10.2016) ist er für Toleranz innerhalb des Islams und lehnt einen Kopftuchzwang mit Hinweis auf den Koran ab, der sagt, es gäbe „keinen Zwang in der Religion“ (Sure 2,256). Aiman Mazyek bleibt die Antwort auf die im Titel gestellt Frage schuldig, besser gesagt feiern Muslime Weihnachten nicht, aber es heißt: „Weihnachten, Chanukka, Ramadan – das heißt vor allem Begegnung, etwas, das uns heute fehlt.“ (S. 11). Das wird später in der Beschreibung des Vollzugs islamischer Religion untermauert. Stichworte wir „Entschleunigung“, „Solidarität“ und „Verzicht“ zeigen die gesellschaftliche Bedeutung der Religion auf. In dieser Hinsicht ist das Buch ein Beispiel, wie die Exklusivität einer Religion durch die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz aufgehoben werden kann.

Allerdings steht der moderne Islam vor der Herausforderung, auf den Imageschaden zu reagieren, der zuerst durch den Anschlag vom 11.09.2001 in New York auf das Word Trade Center entstanden ist. „Der 11. September hat das Vertrauen in die Muslime erschüttert, er hat den Muslimen maßgeblich geschadet – und vor allem hat der Anschlag bis heute viele tausend mittelbare Opfer gefordert, darunter Juden, Christen, Nichtgläubige und sehr viele Muslime.“ (S. 16). Es darf nicht sein, so Aiman Mazyek, dass der Islam pauschal mit Gewalt und Terror gleichgesetzt wird. Der Islam sollte der Meinung Mazyeks zufolge der gesamten Menschheit verpflichtet sein und ist es von seiner Koraninterpretation auch.

Er, der in Deutschland als Sohn einer deutschen Mutter und eines syrischen Vaters aufgewachsen ist, zeigt auf, worin heute die Verbindung zwischen Islam und Europa besteht und welche Geschichte sie hat. Auch Prominente Muslime wie auch Navid Kermani gehören zu Deutschland.

Das Buch, so will es jedenfalls auch der Titel andeuten, sucht die Notwendigkeit des gesellschaftlichen Dialogs immer wieder in der Religion selbst. So enthält das Buch auch eine allgemeinverständliche Darstellung islamischer Religion. Dazu gehört eine kurze Darstellung der Biografie Mohammeds, die aber wohl aus religiösen Gründen jede kritische Seite vermissen lässt. Problematische Teile der frühen Geschichte des Islams werden schlicht weggelassen, wie die Ermordung der jüdischen Volksgruppe in Medina durch Mohammed.

Klar ist jedoch, dass der Islam, so wie er vom Vorsitzendes des Zentralrats der Muslime in Deutschland geglaubt und vertreten wird, mit den Menschenrechten nicht nur vereinbar ist, sondern sie auch mitbegründen kann.

Der Zentralrat ist von ausländischen Einflüssen unabhängig und ist demnach unermüdlich bestrebt, Gewalt und Terror im Gewand der Religion zu verurteilen. Im Anhang ist dazu eine Rede Aiman Mazyeks vor dem Brandenburger Tor in Berlin aus dem Jahr 2015 nach dem Pariser Anschlag auf Charlie Hebdo dokumentiert: „Für uns Muslime ist es so, als ob unsere Geschwister in dem jüdischen Supermarkt, in den Redaktionsräumen von Charlie Hebdo oder als Polizist auf der Straße von Paris getötet worden sind.“ (S. 304).

Mit dem Zentralrat der Muslime gibt es in Deutschland eine Gestalt des Islams, die nicht nur vereinbar ist mit den Menschenrechten, sondern die eine Stütze der demokratischen und freiheitlichen Gesellschaft ist und im Islam ein Vorbild in Toleranz und Gastfreundlichkeit sieht, zumindest von seinem inhaltlichen Anspruch her. Man sollte ihn bewusst deutschen Islam nennen. Die Frage nach dem Weihnachtsfest ist insofern eine Irreführung, als dass der Zentralrat der Muslime keinesfalls beabsichtigt zur Feier des Weihnachtsfestes einzuladen oder ansonsten synkretistisch zu wirken. Unter dem Stichwort „interreligiöser Dialog“ zeigt Aiman Mazyek auf, dass der Koran nicht nur Maria als Mutter Jesu erwähnt und ihr sogar eine Sure widmet, sondern auch die Vorstellung der Jungfrauengeburt kennt. Für den Koran ist sie aber schlicht ein Wunder und kein Beweis der Gottessohnschaft Jesu. Es gibt also keinen Grund für die Muslime, Weihnachten zu feiner, aber: „Wenn die Christen an Weihnachten die Geburt von Jesus feiern, so ist das auch für Muslime ein Freudentag wegen der hohen Wertschätzung die Isa – so das arabische Wort für Jesus – im Islam genießt.“ (S. 272).

Gerade an dieser Stelle setzen meine Fragen an. Wenn klar wäre, dass die Bezeichnung Gottessohn eher symbolisch zu verstehen ist, dann wäre in dieser Sache ja kaum eine Differenz zwischen Islam und Christentum, und es gäbe keinen Grund für Muslime, Weihnachten nicht zu feiern. Da der Koran die Kreuzigung leugnet, was hier auch erwähnt ist, würde die Feier des Osterfestes ohnehin entfallen.

Ich persönlich würde mir wünschen, dass der üblichen Einladung zum Ramadan in die Moschee eine Einladung zu einem hohen christlichen Feiertag in die Kirche korrespondieren würde, wozu sich doch Weihnachten anbieten könnte. Dem würde allenfalls entgegenstehen, dass Weihnachten bei uns zu einer Privatveranstaltung geworden ist.

Der Dialog, wie er vom Zentralrat gedacht ist, zielt hingegen auf die Zusammenarbeit der Religionen auf gesellschaftlicher Ebene, wie es auch die islamische Charta andeutet, die hier im Buch dokumentiert ist (S. 313, Grundsatzerklärung des Zentralrats der Muslime in Deutschland, http://www.zentralrat.de/3035.php).

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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