Predigt über Philipper 3, Christoph Fleischer, Welver 2016

Print Friendly, PDF & Email

Predigt für den 23. Sonntag nach Trinitatis, gehalten in Lohne und Bad Sassendorf, 2016,

 

Philipper 3, 17 – 21 (Lutherbibel 2017)

17 Ahmt mit mir Christus nach,

Brüder und Schwestern,

und seht auf die, die so wandeln,

wie ihr uns zum Vorbild habt.

18 Denn viele wandeln so,

dass ich euch oft von ihnen gesagt habe,

nun aber sage ich’s auch unter Tränen:

Sie sind die Feinde des Kreuzes Christi.

19 Ihr Ende ist die Verdammnis,

ihr Gott ist der Bauch

und ihre Ehre ist in ihrer Schande;

sie sind irdisch gesinnt.

20 Wir aber sind Bürger im Himmel;

woher wir auch erwarten den Heiland,

den Herrn Jesus Christus,

21 der unsern geringen Leib verwandeln wird,

dass er gleich werde seinem verherrlichten Leibe

nach der Kraft,

mit der er sich alle Dinge untertan machen kann.

dsc-3593xlarge-1471122809
Foto: Niklas Fleischer (c)

Liebe Gemeinde,

Es ist manchmal nicht einfach, das Thema eines Gottesdienstes herauszufinden, vor allem dann, wenn der Name des Sonntags nichts hergibt. Wenn ich persönlich in der Vorbereitung das mögliche Thema suche, dann versuche ich eine Gemeinsamkeit zwischen dem Evangelium und der Epistel zu sehen. Ein Hinweis könnte für heute das Wort „Bürger“ sein. Auf die Frage: Zu welchem Staat gehören wir Christinnen und Christen eigentlich antwortet Paulus: „Wir sind Bürger im Himmel.“ Jetzt könnte man meinen, dass wir dann in das Land, in dem wir leben, nicht gehören, aber das ist falsch. Eher handelt es sich um eine Gleichzeitigkeit: Wir sind Bürger im Himmel und leben gleichzeitig auf dieser Erde. „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“ (Matthäus 22,21).

Doch was bedeutet dann der Wochenspruch, der sagt: Dem König aller König und Herrn aller Herren sei ewig Ehre und Macht.“ (1. Timotheus 6,16)?

Wie kann man sich diese Gleichzeitigkeit von Himmel und Erde vorstellen? Luther sagt: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen, er hilft uns frei in aller Not, die uns jetzt hat betroffen“ (eg 362).

Mit König ist also hier keinesfalls pure Herrschaft gemeint. Der König hat für das Wohlergehen eines Volkes zu sorgen. Das gilt auch für den Staat heute.

Die Frage ist also, wie funktioniert unsere doppelte Staatsangehörigkeit. Wir sind Bürger des Landes, in dem wir leben, und wir sind zugleich, Bürger des Himmels. Früher hat man sich das mit einem Nacheinander erklärt. Das hieße, wenn es uns in diesem Leben und in dieser Welt schlecht geht, dann bleibt uns ja wenigstens noch die Hoffnung auf die nächste Welt, die uns schon jetzt fest zugesagt ist. Es gibt aber auch nicht wenige Bibelstellen, die das Verhältnis zur Welt und zu Gott als Gleichzeitigkeit sehen. Wir sind Bürger zweier Welten: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“ Matthäus 22,21. Da sieht man, dass die Vorstellung des Himmels keine Vertröstung auf eine ungewisse Zukunft ist. Der Himmel ist schon da, hat schon angefangen, denn das Reich Gottes ist schon mitten unter uns. Ich komme darauf am Ende der Predigt noch einmal zurück.

Ich sehe drei Fragen im Text:

Wer ist Jesus Christus für mich heute?

Was hat es mit den Feinden des Kreuzes auf sich?

Was meint, dass wir die Kraft empfangen, mit der wir alle Dinge untertan machen können?

Frage 1. Wer ist Christus für mich? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn Jesus ist ein historischer Mensch und gleichzeitig ein Teil von Gott. Sage ich: Jesus war ein guter Mensch, dann weiß ich damit noch nicht, was das für heute zu sagen hat. Sage ich, Jesus war ein Teil von Gott, dann frage ich mich, wie uns das zugutekommt. Ich habe mir mal im näheren Umfeld des Textes angesehen, in welchem Zusammenhang das Wort Christus vorkommt und meine zwei Antworten gefunden zu haben, die am häufigsten sind. Das erste ist, dass Jesus für uns ein Geschenk, eine Gabe ist, zu der wir nur ja zu sagen brauchen. Ob diese Gabe eine zukünftige Wirklichkeit ist oder eine gegenwärtige ist dafür sogar unwichtig, denn für den Anfang ist wichtig, was in der Vergangenheit geschehen ist und wie uns das jetzt in einen Glauben hineinführt. Man sagt ja: Jesus ist für uns gestorben. In diesem Satz steckt die Wahrheit der Gabe drin. Diese Gabe wird in der Taufe angenommen und in der Konfirmation bekräftigt. Wir sind Kinder Gottes, dafür danken wir.

Frage 2: Was hat es mit den Feinden des Kreuzes auf sich? Es gibt ja im ersten Korintherbrief ein Hinweis darauf, dass das in zweifacher Hinsicht vorkommt, ein Gegner des Kreuzes zu sein. Für die einen ist es eine Torheit für die anderen ist es ein Ärgernis. Von den Feinden des Kreuzes wird hier gesagt: Ihr Gott ist der Bauch. Wenn man das so hört, denkt man unwillkürlich an fettleibige Menschen, die unentwegt essen und trinken. Das ist die Schwierigkeit, wenn solche altgriechischen Texte in unsere Gegenwart übertragen werden. Hier geht es beim Stichwort Bauch eher um Askese und Verzicht.

Wenn jemand kein Fleisch isst, sei es aus ethischen oder aus religiösen Gründen, dann ist das ja auch eine ethische Frage und es geht um den Bauch. Dafür gab es früher auch religiöse Gründen, die Paulus meint. Aber auch spielt in den Religionen Speisegebote eine Rolle:  Hindus essen kein Rindfleisch, Muslime und Juden kein Schweinefleisch und so weiter. Das meint Paulus, dass man damit die Regel des Bauches über den Glauben setzt. Christinnen und Christen setzen sich nicht selbst die Krone auf, die sie als die Besten im Verzicht zeigt. Wenn jemand heute kein Fleisch isst, so sollte der oder die daraus keine Weltanschauung machen. Es ist ein Lebensstil, den man ausprobieren kann und der auch gute Argumente für sich hat, aber niemand muss so leben. Es gibt keine Gründe im Gegenüber zu Gott mit irgendetwas anzugeben. Gott sammelt bei sich keine Fleißkärtchen oder Pluspunkte. Sonst wäre ja Christus kein echtes Geschenk, sondern nur eine Art Ticket.

Frage 3: Was meint, dass wir die Kraft empfangen, mit der wir uns alle Dinge untertan machen können?

Ich habe in dieser Frage den Schluss aufgegriffen. Der Schlussabschnitt ist eine Einheit. Es ist ein einziger Satz: „Wir aber sind Bürger im Himmel; woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus, der unsern geringen Leib verwandeln wird, dass er gleich werde seinem verherrlichten Leibe nach der Kraft, mit der er sich alle Dinge untertan machen kann.“ Im Wort Bürger steckt ja das Wort Burg.

Eine Stadt war ja früher gleichzeitig eine Burg, was man ja an der Stadtbefestigung von Soest heute noch erkennen kann. Eine Burg ist ein Schutzraum, eine sichere Gemeinschaft, in der es sich leben und arbeiten lässt. Wir sind Bürger bei Gott. Ich verstehe das nicht nur wie ein Anspruch auf eine zukünftige Erlösung, obwohl auch das immer damit verbunden wird. Ich verstehe darunter eine Gleichzeitigkeit. Wir leben jetzt hier in dieser Welt und sind Bürger oder Bürgerin eines Landes und einer Stadt oder Gemeinde und zugleich sind wir Gottes Mitbürger, Mitbürger Jesu und so also auch Mitbürger der Heiligen. Unser Glaube drückt sich in einer Beziehung zu Gott aus, nicht in einer Versprechung für das Leben nach dem Tod. Jetzt und heute können wir darauf vertrauen, dass Gott in der Nähe ist und uns schützt. Wir ziehen allerdings daraus Konsequenzen. So ist der Glaube immer zugleich Gabe und Aufgabe. Unsere Aufgabe besteht darin, das Leben als Geschenk Gottes zu verstehen und sich einerseits darüber zu freuen und Gott zu danken und andererseits auch die Regeln einzuhalten, die Gott für ein Leben auf dieser Welt gegeben hat.

Das hat Konsequenzen. Daraus kann auch eine besondere Einstellung zur Politik resultieren. Ich zitiere: „Ich glaube, ein Christ, ein Bürger des Reiches der Himmel, ist heute mehr denn je um seiner Erwartung, seiner Hoffnung und seiner immer neu suchenden Liebe willen dazu aufgerufen und angehalten, NEIN zu sagen, sein nationales Staatsbürgertum an seiner himmlischen Bürgerschaft zu messen, einen inter- einen übernationalen Maßstab der Brüderschaft und der Nächstenliebe anzulegen und seine Christliche Demut nicht im lammfrommen Erdulden von Veränderbarem zu erschöpfen, sondern die Nachfolge Jesu als das entschiedene Nein zur Anpassung und das in Einsamkeit erkämpfte JA zum Vater des Lebens zu praktizieren.“ (Assoziationen 2, Radius-Verlag, Stuttgart 1979, Uwe Kynast (S. 182)

Es sollte aber auch ein bestimmtes Verhältnis zur Religion daraus folgen. Die Religion kann kein Rückzug aus der Welt und kein Rückzug aus der Gegenwart sein. Der Philosoph Friedrich Nietzsche, der heute als früher Vertreter des Atheismus gilt, hat vielleicht das damalige Christentum nur kritisieren und aufrütteln wollen. Er kritisiert die Verheißung einer besseren Zukunft im Namen der Religion. Er weiß, dass Jesus selbst dies auf die Gegenwart bezogen hat. Friedrich Nietzsche schreibt: „Das Himmelreich ist ein Zustand des Herzens.“ (Friedrich Nietzsche, Der Antichrist, §32).

Ich drücke den Bibeltext mal bewusst in der Gegenwartsform aus, dann heißt er: „Wir sind Bürger im Himmel. Wir gehören zur Gemeinschaft des Heilands Jesus Christus. In dieser Gemeinschaft wird unser vergänglicher Leib zu einem verherrlichten Leib verwandelt, durch den Geist, den wir durch Christus empfangen. In dieser Verwandlung erhalten wir die Macht, uns den Herausforderungen des Lebens zu stellen.“

Der Glaube ist eine Quelle der Kraft hier in der Gegenwart und über den Tod hinaus. Im gleichen Paulusbrief steht bekanntlich der berühmte Christushymnus des Philipperbriefs. Ich lese ihn zum Schluss einmal vor und schließe damit die Predigt. Nur eines noch: wir hören diesen Text vor dem Hintergrund der Zusage: Wir aber sind Bürger im Himmel, hier und heute und auch noch morgen und in Ewigkeit:

5 Seid so unter euch gesinnt,

wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:

6 Er, der in göttlicher Gestalt war,

hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,

7 sondern entäußerte sich selbst

und nahm Knechtsgestalt an,

ward den Menschen gleich

und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.

8 Er erniedrigte sich selbst

und ward gehorsam bis zum Tode,

ja zum Tode am Kreuz.

9 Darum hat ihn auch Gott erhöht

und hat ihm den Namen gegeben,

der über alle Namen ist,

10 dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie,

die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,

11 und alle Zungen bekennen sollen,

dass Jesus Christus der Herr ist,

zur Ehre Gottes, des Vaters. (Philipper 2, 5 – 11)

 

Amen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.