Originelle Nacherzählung der Bibel, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016

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Zu: Guus Kuijer: Die Bibel für Ungläubige, Erster Band: Der Anfang, Genesis, aus dem Niederländischen von Anna Carstens und Angela Wicharz-Lindner, Reclam Taschenbuch Nr. 20391, Philip Reclam jun. Verlag, Stuttgart 2016, 319 Seiten, ISBN: 978-3-15-020391-0, Preis: 9,95 Euro

Guus Kuijer ist 1942 geboren. Er ist ein in den Niederlanden bekannter Kinderbuchautor, der auch internationale Preise wie den „Astrid Lindgren Memorial Award 2012“, sowie zweimal den „Deutschen Jugendbuchpreis“ erhalten hat. Die „Bibel für Ungläubige“ ist bereits in zwei Hardcoverbänden auf Deutsch erhältlich, Genesis und Exodus und nun in der preiswerten Taschenbuchausgabe auch für den kleinen Geldbeutel erschwinglich.

Folgende Informationen erhalten die Leserinnen und Leser über den Autor: Als kleiner Junge, christlich geprägt aufgewachsen, wusste er mit 10 Jahren (!), dass er nicht an Gott glaubt. Unabhängig vom Glauben ist er allerdings der Meinung, dass die Bibel erzählt werden muss, so dass die Zuhörerinnen und Zuhörer darin die Einstellung der biblischen Erzähler nachvollziehen können.

Die Einstellung dieser Nacherzählung ist also kritisch und sucht auch nach Widersprüchen oder Provokationen in der Bibel. Und die gibt es im Text durchaus, werden aber nicht schadenfroh präsentiert.

Eher im Gegenteil: So weit ist die Erzählung vom Bibeltext gar nicht weg, wenn man bedenkt, dass sie diesen aus moderner Sicht interpretiert. Die Schöpfungsgeschichte wird aus der Sicht Gottes beschrieben, erzählt von Adam, der zu dem Zeitpunkt noch nicht da war. Urknalltheorie und Evolutionslehre werden in die biblische Erzählung hineingelesen und die Zeitangaben danach angepasst, so dass zwischen den einzelnen Schöpfungstagen immer mehrere Millionen Jahre Pause ist.

Obwohl dieser Teil ja „Adams Geschichte“ ist, sind es die Sätze Gottes, die die Geschichte deuten: „’Es ist, wie es ist’ seufzte er. ‚Da ist nichts. Ich muss etwas daraus machen.’“ (S. 5). Oder: „’Die Kraft steckt im Wort.’“ (S. 7). Es wird tatsächlich deutlich, dass die Schöpfungsgeschichte keine Naturwissenschaft sein will, sondern Aussagen über Gott macht. „Wenn ich das alles gemacht habe, bin ich kein schlechter Schöpfer, wenn ich das mal sagen darf.“ (S. 9). Auch die Schöpfung der Menschen ist von Gott aus erzählt. „Es müsste ein sprechendes Tier geben, das von meiner Existenz weiß.“ (S. 19). Sagt Gott. Interessant ist, dass nicht der sogenannte Sündenfall, sondern schon der Wunsch nach der Gefährtin Ursache für Konflikte ist: „Wenn ein zweiter Mensch dazukommt, wird es Meinungsverschiedenheiten geben.“ (S. 17).

Wenn der Erzähler in der Geschichte vorkommt, so muss man hier im Gegensatz zum Bibeltext von einer Ich-Erzählung sprechen. Die Namen der Erzähler sind Beteiligte: Adam, Ham (Sohn Noahs), Schelach (Urenkel Noahs), Sarai, Isaak, Ben-Oni (Benjamin, Sohn Jakobs) und Jochebed, die Mutter des Moses erzählen aus ihrer Perspektive die einzelnen Abschnitte.

Warum das Buch sich an „Ungläubige“ richtet, ist mir allerdings nicht ganz klargeworden, obwohl mir schon bewusst ist, dass jede oder jeder sich die biblischen Erzählungen irgendwie bildlich vorstellt und auch eigene Phantasien hineinliest. Eine Ergänzung und Nacherzählung ist immer auch Auslegung. Das bekräftig Jochebed, die Mutter Moses am Ende des Buches: „Wägt also stets selbst ab, was ihr glaubt und was nicht.“ (S. 315). Ein biblisches Buch schreibt niemandem vor, was er oder sie zu glauben oder zu denken hat, sondern bietet Deutungsmöglichkeiten an.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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