Predigt über Matthäus 12, Christoph Fleischer, Welver 2017

Print Friendly, PDF & Email

Die Predigt wird am Sonntag Reminiszere in der Kirche in Meiningsen und der Auferstehungskapelle Günne gehalten

Matthäus 12, 38 – 42 (Lutherbibel 2017)

38 Da antworteten ihm einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprachen: Meister, wir wollen ein Zeichen von dir sehen.

39 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht fordert ein Zeichen, und es wird ihm kein Zeichen gegeben werden außer dem Zeichen des Propheten Jona.

40 Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein. 41 Die Leute von Ninive werden auftreten beim Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona.

42 Die Königin vom Süden wird auftreten beim Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.

Liebe Gemeinde,

Jesus kommt in diesem Text gar nicht sympathisch rüber. Er bezeichnet seine Gegner als ein „böses und ehebrecherisches Geschlecht“. Er spricht sogar vom „Verdammen“. Jesus fühle sich offenbar in die Ecke gedrängt. Er solle den Teufel mit Beelzebub austreiben. So hieß es. Das durfte er so nicht stehenlassen.

Die Gegner sagen zu ihm: „Meister, wir wollen ein Zeichen von dir sehen!“ Worum geht es? Es geht um Jesu Vollmacht. Um das Wirken Gottes in seiner Predigt und in seinem Handeln. Es ist ja normal, dass der Messias Israels ein ganz gewöhnlicher Mensch ist. Aber sein Wirken muss als das Besondere eines Gesalbten erkannt werden. Woran wird also von anderen erkannt, dass er der Sohn Gottes und der Gesandte Gottes ist? Und nach Jesus Tod und Auferstehung muss es heißen: Woran zeigt sich auch heute noch die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft der Kirche?

„Meister, wir wollen ein Zeichen von dir sehen!“ Das Matthäusevangelium hat bis zu dieser Stelle eigentlich schon genügend Zeichen und Wunder berichtet. Aber diese Wunder können auch anders ausgelegt werden. So wurde Jesus vorgeworfen, er würde den Teufel mit Beelzebub austreiben, einer alten heidnischen Gottheit. Wunder allein können die Macht Gottes nicht beweisen. Ich persönlich muss zugeben, dass ich das eher tröstlich finde. Die Kirche muss gar keine Wunder vorweisen. Das Evangelium muss nicht bewiesen werden. Es genügt, dass es glaubhaft ist.

Ein Zeichen muss ja auch gar kein Beweis sein, eher so etwas wie ein Indiz. Doch was eigentlich ist zu zeigen? Geht es darum, die Existenz Gottes doch zu beweisen? Oder die Wahrheit der Auferstehung? Vielleicht genügen aber auch Erfahrungen, die andere Menschen mit dem Glauben gemacht haben. Erfahrungsberichte lassen sich so gut wie nicht widerlegen. Es ist vielleicht gut, dass es Erfahrungsberichte gibt, wenn den Menschen gesagt wird: Ich habe keine Beweise und Zeichen für den Glauben, aber ich kann sagen, dass ich gut damit lebe.

Was ich an diesem Text bis dahin gut finde ist, dass er sagt, dass es keinen starken Glauben im Sinne einer festen beweisbaren Grundlage gibt. Glaube ist eine Überzeugung, eine Lebenseinstellung, die mehr auf einem Gefühl basiert als auf einem beweisbaren Zeichen. Ich kann immer nur mit meinen eigenen Worten und meinen eigenen Erfahrungen vom Glauben reden, und damit kann ich anderen nichts beweisen. So gesehen, ist der Glaube immer schwach. Er übt keine Gewalt aus, wirkt von außen betrachtet zunächst machtlos. Das zutreffende Bild war für mich immer, so wie es Bertold Brecht in einem Gedicht ausdrückt, dass das Wasser mit der Zeit den stärksten Stein besiegt.

Es heißt also nicht, dass Glaube nicht wirken würde. Diese Wirkung ist für uns als Einzelne immer unverfügbar. Glaube kann Menschen davon überzeugen, dass sie über ihr eigenes Leben nachdenken und dass sie bewusster und verantwortlicher leben. Eine Zeit, das einzuüben, kann die Passionszeit sein, die man ja auch Fastenzeit nennt. Fasten ist nicht dazu da, sich einen Platz im Himmel zu kaufen. Fasten ist eine Gelegenheit, selbst darüber nachzudenken, was von unserer Seite aus dem Glauben an die Zukunft und einem Leben mit Gott im Wege steht und Gott zu bitten, dies selbst aus dem Weg zu räumen. Das heißt: Das Entscheidende für den Glauben können wir nicht selbst tun. Wir dürfen es nur geschehen lassen.

Was nach Jesu Meinung allerdings immer geht, ist die Möglichkeit zur Umkehr auf den Weg des Lebens zu bedenken und geschehen zu lassen. Dazu werden nun zwei kurze Geschichten erzählt, die etwas aus dem Alten Testament erwähnen. Jesus hatte schon das Zeichen des Jona erwähnt.

Die Begräbnisstätten der frühen christlichen Kirche in Rom sind unterirdische Friedhöfe, die Katakomben. Die Toten wurden dort in kleinen Grabkammern liegend beigesetzt. Übrigens hatte die jüdische Gemeinde aus Rom auch eine Katakombe, die ganz in der Nähe einer christlichen liegt. Die Vermutung, dass in diesen Katakomben sozusagen heimlich Gottesdienste abgehalten wurden, muss als Erfindung eines Romans gesehen werden. Die Gottesdienste waren woanders. Das wäre schon wegen des Leichengeruchs kaum möglich gewesen.

Auffällig ist: Es gibt dort kaum eine Darstellung der Kreuzigung Jesu. Jesus wird vielmehr als der gute Hirte gezeigt. Daneben gibt es eben auch nicht selten die Darstellung der Geschichte Jonas, so wie hier auf dem Bild.

(Das Bild liegt in einer Kopie vor und wird herumgegeben. /Quelle: Bild  hier: http://www.eule-der-minerva.de/impulse/katakomben/katakombe.htm)

Im Internet finde ich folgende Beschreibung der Bemalung einer Grabkammer:

Etwa im zweiten Viertel des 3. Jahrhunderts taucht das Thema in der christlichen Kunst auf. Man findet es insbesondere in der römischen Calixtus-Katakombe in der Grabkammer Nr. 25, die zu den ältesten Kunstdenkmälern mit Bildern aus dem Jona-Buch zählt. Auf der linken Wand dieser Grabkammer wird der biblische Bericht in drei Szenen zusammengefasst. Die erste zeigt den von der Mannschaft des Bootes ins Meer geworfenen Jona; er hatte das Boot bestiegen, nachdem er sich einem Befehl Gottes widersetzt hatte. Die zweite Szene zeigt Jona, nachdem ihn der Riesenfisch ausgespuckt hat; in der dritten schließlich liegt er unter der Pflanze, die Gott hat wachsen lassen, um ihm Schatten zu spenden.

Das Jona-Thema vermittelt eine starke symbolische Botschaft. Die drei Episoden können als Symbol für den Tod, die Wiederauferstehung und ein glückliches Jenseits ausgelegt werden, sagt die Forscherin. Die Episoden spiegeln das christliche Konzept des Heils und der Rettung wieder, das ebenfalls in drei Phasen gegliedert ist: Tod, Wiederauferstehung und Aufnahme ins Paradies.

(Quelle: https://idw-online.de/de/news362298)

Interessant ist an dieser symbolischen Deutung der Jonageschichte, dass es gar nicht um die Buße der Einwohner Ninives geht, sondern der Abwurf Jonas ins Meer, seine Zeit im Bauch des Fisches und seine Grabkammer, Jonageschichte, um seinen Auftrag zu vollenden. Dieser Zyklus kann in der Tat auf die Botschaft von der Auferstehung Jesu bezogen werden, der am dritten Tag auferstanden ist, dann aber nach 40 Tagen in den Himmel aufgenommen wurde.

Es besteht bei den Menschensohnworten Jesu immer die Möglichkeit, dass hier ganz allgemein vom Messias die Rede ist. Klar ist, dass diese Worte nach der Erfahrung der Auferstehung Jesu auf ihn übertragen worden sind. Das ist also das einzige Zeichen, dass Jesus seinen Jüngern und Zuhörern zugesteht, dass sie durch die Kraft des Heiligen Geistes die Erfahrung machen, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist.

Der Bibeltext spricht im Zusammenhang mit Jona von den „Leuten Ninives“. Das Zeichen des Jona kann nun auch von den Einwohnern Ninives auf uns selbst übertragen werden. So wie die Wiederkehr des Propheten den Einwohnern Ninives die Möglichkeit gäbe, die Bußpredigt Gottes zu hören, um einen neuen Weg einzuschlagen, so wird diese Möglichkeit auch uns durch die Auferstehung Jesu gegeben.

Die Zeit der Umkehr hat in Jesus begonnen. Glaube ist also der Vollzug der Umkehr ganz im Sinne Martin Luthers, der in seinen 95 Thesen schrieb, These 1: „Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“, wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei.“ (https://www.ekd.de/glauben/95_thesen.html)

Manche sagen: Jesus lebt. Ich sage: Es muss heißen: Jesus lebt im Glauben. Jesus hat das Reich Gottes verkündigt, dass in ihm angebrochen ist und bereits begonnen hat. Niemand muss sich an die Stelle Gottes setzen und die Gegenwart Gottes mit Gewalt verteidigen. Das einzige Zeichen, mit dem Jesus rechnet, ist das Zeichen des Geistes. Das Wort vom Reich Gottes, dass Jesus verkündigt hat, die Botschaft der Liebe Gottes lässt sich nicht mundtot machen und wirkt weiter.

Die Ankunft des Messias wird ergänzt durch die Wiederkunft Christi. Sich auf das Kommen Gottes auszurichten, darum geht es. Passionszeit ist keine stellvertretende Leidenszeit, sondern Vorbereitung.

Gott ist ein Gott des Lebens und wird das an Jesus zeigen. Der Glaube an das Leben, das sich gegen den Tod durchsetzt, kann nicht bewiesen werden. Die Königin von Saba hat einen Weg von etwa 3000 Kilometer zurückgelegt, um König Salomo in Israel zu besuchen. Sie kam vom Ende der Erde, um Salomos Weisheit zu hören.

Wenn Jesus vom „Verdammen“ spricht, dann nie so, dass er sich jetzt dazu bevollmächtigt sieht, selbst das Schwert zu erheben. Die Zeit des Verdammens ist, wenn überhaupt am Ende der Tage. Es kann nicht darum gehen, irgendein lebendiges Volk dieser Welt zu verdammen. Jesus spricht von einem Endpunkt der Geschichte.

Der Wunsch nach Zeichen muss vom Ende der Geschichte her als gescheitert angesehen werden. Es muss darum gehen, sich auf den Weg zu machen, um Gott zu finden, wie weit dieser Weg auch sein mag.

Um auf den Anfang zurück zu kommen: Woran zeigt sich auch heute noch die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft der Kirche?

Es gibt darauf keine schnelle Antwort. Aber ich denke, dass die Kirche immer noch von Gott zu reden hat und sich nicht allzu sehr selbst in den Mittelpunkt stellen sollte.

Die Umkehr, die der Prophet zu predigen hat, soll doch die Zukunft des Lebens ermöglichen. Es ist kein Streit um Rechtgläubigkeit, sondern ein energischer Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit im Namen dessen, der die ganze Welt in der Hand hält.

Amen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.