The Stone – auf Deutsch, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017

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Peter Catapano / Simon Critchley (Hg.): Von Kung-Fu bis Ladypower, 33 Übungen in moderner Philosophie, Aus dem Englischen von Tobias Gabel, J.B.Metzler, Stuttgart 2017, gebunden, 247 Seiten, ISBN 978-3-476-04344-3, Preis: 19,99 Euro

Durch Zufall bin ich auf „The Stone“, die philosophische Kolumne der New-York-Times gestoßen. Ich habe über Google eine Verbindung zwischen Jacques Derrida und Jürgen Moltmann gesucht. Unter den angezeigten Texten war ein Interview mit John D. Caputo aus „The Stone“ über das Taschenbuch „The Truth“, das im Jahr 2014 bei Penguin in London erschienen ist. Anlass für eine philosophische Taschenbuchreihe war das Jubiläum der Londoner U-Bahn.

Natürlich war ich zunächst enttäuscht, dass dieses Interview in der deutschen Ausgabe von „The Stone“ nicht enthalten ist. Der Grund ist ganz einfach: Die hier abgedruckten und übersetzten Texte sind allesamt aus den Jahren 2010 bis 2012.

Der Titel des Buches deutet darauf hin, dass die philosophischen Artikel mit Alltagsfragen verknüpft werden, von „Kung-Fu“ bis „Ladypower“.

Die Frage, die sich stellt, ist jedoch, ob die im Thema enthaltene Alltagsfrage nur ein Anreißer ist, um dann doch in den wissenschaftlichen Jargon zurückzugehen. Hier ist im ersten Artikel von Alexander George die Rede von einer Unterscheidung zwischen kontinentaler und analytischer Philosophie. Die Unterscheidung ist regional gedacht, wobei die analytische Philosophie angelsächsisch geprägt ist. In Amerika hingegen gibt es Vertreter beider Richtungen. Ob dieser Artikel von einer Alltagsfrage motiviert ist, muss daher in Frage gestellt werden. Als Einführung in das Philosophieren ist er hingegen sinnvoll: „Fragen nach der Weltfremdheit der Philosophie kann man also eigentlich gar nicht diskutieren, ohne dabei zu philosophieren.“ (Alexander George, S. 20)

Doch ist das richtig? Wozu soll es gut sein, einen Begriff wie Philosophie mit sich selbst zu definieren oder zu erklären? Es ist zu hoffen, dass hier doch etwas mehr Pragmatismus zum Zuge kommt. Ist das hingegen beim Artikel über Kung-Fu schon der Fall? Sicherlich ist dieser Begriff aus Asien ein Aufreißer, zumal er an die Kampfkunst erinnert, die mal ein regelrechtes Kinogenre war. Mit der Überleitung dahin, dass Kung-Fu ein Zentralbegriff der chinesischen Philosophie ist, ist die Frage nach der Kampfkunst passé. Immerhin heißt es: „Man könnte die chinesische Kung-Fu-Perspektive durchaus als Form des Pragmatismus betrachten.“ (Peimin Ni, S. 25)

Dennoch lässt sich am Anfang des Buches erkennen, dass die Sammlung der Aufsätze in „The Stone“ eine interessante Einführung in das philosophische Wirken der USA ist. Es ist dem Pragmatismus verpflichtet, der hierzulande bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Schönherr-Mann) wohl noch von der ursprünglichen Wortbedeutung her eher auf Politik als auf Philosophie bezogen wird.

Das Buch enthält einen religionsphilosophischen Artikel, den ich kurz vorstellen möchte. Garx Gutting stellt 2012 die Frage: „Ist es egal, ob Gott existiert?“ Wenn man die Religion zu den Lebensthemen rechnet, liegt bei dieser Frage tatsächlich ein Berührungspunkt zwischen Alltag und Philosophie vor. Doch das Thema und seine Durchführung haben eher den Charakter einer rein philosophischen Übung. Religion, so Gary Gutting, basiert nach John Gray meistenteils weniger auf einem Glauben als auf Ritualen und Lebensführung. Gutting zeigt, dass logisches Denken und der Glaube an Gott im Konflikt liegen und führt dazu die Frage nach der Existenz des Leids und des Bösen an. Vor allem Letzteres steht im Widerspruch zur Vorstellung von Gottes Liebe und Güte. Auch auf das allgemeine Versprechen der Erlösung kann sich ein einzelner Mensch gegenüber Gott kaum berufen, denn „die Tatsache, dass wir einem allgütigen Gott unsere Erlösung zutrauen, lässt also letztlich nicht den Schluss zu, dass Gott uns wirklich erlösen wird.“ (Gary Gutting, S. 207f)

Als Antwort darauf, so Gutting, verweisen religiöse Menschen auf ihre persönliche Beziehung zu Gott. Dass Ergebnis ist für den Autor letztlich, dass eine Religion mit „wenig oder ohne Glauben“ nach John Gray nicht gut denkbar ist. Wer den Artikel ein zweites Mal liest, wird dann vielleicht bemerken, dass der Begriff „Gott“ meist direkt und indirekt mit Attributen verbunden wird, die dann letztlich in Frage gestellt werden. Nicht Gott selbst, sondern seine Attribute wir „allgütig“, „allmächtig“ und ähnlich werden in Widersprüche verwickelt. Der Umgang mit dem Gottesbegriff ist letztlich eine philosophische Übung, die zeigt, dass ein Begriff, der mit Attributen versehen wird, in Widersprüche verwickelt werden kann.

Es ist zu hoffen, dass auch die anderen Jahrgänge von „The Stone“ wenigstens teilweise noch in deutscher Übersetzung erscheinen.

 

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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