Theologische Grundsätze, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017

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Jürgen Moltmann: Hoffen und Denken, Beiträge zur Zukunft der Theologie, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2016, gebunden, 295 Seiten, ISBN 978-3-7887-3009-3, Preis: 24,99 Euro

Das Vorwort macht deutlich, dass sich Jürgen Moltmann (geb. 1926) dieses Buch zum 90. Geburtstag geschenkt hat, doch darüber verliert er kaum ein Wort. Im Grunde zeigt er einfach auf, warum er neben den aktuellen Beiträgen noch zwei bislang unveröffentlichte Texte aus seinem Archiv (1959/ohne Jahresangabe) hinzugefügt hat. Die meisten Texte sind aus Vorträgen hervorgegangen. Der Nachweis der Erstveröffentlichungen und Vortragsorte am Ende des Buches zeigen die universelle und ökumenische Weite seines Werkes noch im hohen Alter: Sheffield (1981), Utrecht (2008), Prag (2008), Peking (2010), Rio de Janeiro (2011), London (2011), Seoul (2014), Oxford (2014), Princeton (2015). Die übrigen Texte wurden in Deutschland vorgetragen und/oder in einer theologischen Zeitschrift veröffentlicht.

Wer im Lebensalter zwischen 80 und 90 eine so hohe Kreativität und ein solches Arbeitspensum erledigt wie Jürgen Moltmann ist, wohl mit einer guten Gesundheit gesegnet. Es wird aber auch deutlich, dass sein hervorragender theologischer Ruf ihm in der ganzen Welt Türen öffnet. Dabei ist es zu erwarten, dass er sich Rückbezüge zu seinem eigenen theologischen Wirken erlaubt und sozusagen aus erster Hand eine Interpretation seiner eigenen theologischen Entwicklung versucht. Sei es die Entdeckung der Gegenwart und des Politischen in der Reaktion auf Ernst Bloch in der „Theologie der Hoffnung“, sei es in der Verbindung zwischen negativer Theologie und Christologie im Buch vom „gekreuzigten Gott“. Und nicht zuletzt die Themen der systematischen Theologie, die er vor allem von der „Kraft des Geistes“ her entwickelt.

Aus heutiger Sicht ist die Anbindung an die dialektische Theologie Karl Barths marginal. Heute steht Jürgen Moltmann nicht mehr im Schatten Karl Barths, sondern Karl Barths Theologie tritt hinter die Jürgen Moltmanns zurück, was auch im Beitrag zu Karl Barths Prädestinatonslehre deutlich wird, die er um ein „eigenes Kapitel“ erweitert (S. 250).  Dazu gehört auch ein klärender Aspekt dahingehend, die männlich orientierte Sprache Barths durch eine Vorstellung der Gemeinschaft von „Frauen und Männern in der Kirche“ zu ersetzen.

 

Meine Frage bei der Lektüre ist, inwieweit die eigene Biografie Moltmanns in die Reflexion einfließt und inwieweit er sich selbst auf eigene Veröffentlichungen und Erarbeitungen bezieht. Gelesen habe ich dazu im hier zu besprechenden Buch den Artikel „Theologie mit Dietrich Bonhoeffer“. Ich persönlich habe auf einer Bonhoeffer-Tagung der Gesellschaft für Evangelische Theologie Jürgen Moltmann als Vorsitzenden dieser Gesellschaft kennengelernt. Und in der Tat berichtet er im Artikel, dass er in der Kriegsgefangenschaft 1948 in England das Buch „Nachfolge“ von Dietrich Bonhoeffer gelesen hat, das 1945 von der „Kriegsgefangenenhilfe“ nachgedruckt worden ist. Vom nächsten Buch, das verteilt wurde, „Gemeinsames Leben“, war er nicht so begeistert. Doch dann kamen die Gefängnisbriefe unter der Überschrift „Widerstand und Ergebung“. Dabei betont Moltmann hier den Gegenwartsbezug Bonhoeffers, den dieser bereits in den Fragmenten der „Ethik“ entwickelt hat. Die Betonung der Diesseitigkeit durch Bonhoeffer stellt er in einen Zusammenhang mit den religiösen Sozialisten wir Blumhardt und Ragaz. Auch ein Impuls aus Friedrich Nietzsches „Zarathustra“ fällt Moltmann zur Betonung der Diesseitigkeit ein: „Bleibt der Erde treu!“ (Zitat Friedrich Nietzsche, S. 216). Er zeigt ebenso, dass der Begriff der „Mündigkeit“ aus dem Vokabular Immanuel Kants stammt. Mit den „himmlischen ‚Hinterwelten‘ religiöser Weltflucht“ (S. 220) hat Bonhoeffer nichts zu tun, so Jürgen Moltmann. Sein Weg führt vielmehr zu einer politischen Theologie, die aber gleichwohl auch das Leiden Gottes in der Welt erkennt, wie es Bonhoeffer im Gedicht „Christen und Heiden“ ausdrückt: „Menschen gehen zu Gott in seiner Not“ (Zitat Bonhoeffer, S. 223). Moltmann selbst sieht von hier an den Weg gebahnt zu einer neuen Kreuzestheologie, zu der auch, aber nicht nur, das Buch „Der gekreuzigte Gott“ gehört. Er findet dann aber auch zum Schluss des Artikels einen neuen Gedanken zur Gottesfrage und stellt fest: Gott ist nicht der „unberührbare Souverän im Himmel“, sondern ein „Gott des Tragens“ (Zitat Bonhoeffer, S. 223). „Gott ist ein Gott, der die Welt trägt und erträgt.“ (S. 224).

Gerade der letzte Gedanke ist typisch für Jürgen Moltmann, der in der Lage ist, anzuknüpfen und kreativ weiterzudenken. Er ist nicht auf Unterschiede fixiert, die zu Gegensätzen werden, sondern er greift Impulse der Bibel und der Theologie auf und führt sie in einen Dialog hinein.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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