Eine Kriegspredigt? Christoph Fleischer, Welver 2017

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Die Predigt wird am kommenden Sonntag, den 21. Sonntag nach Trinitatis in Bad Sassendorf gehalten. Aber wer mag, kann sie auch als eher nachdenkliche Reformationspredigt lesen.

Matthäus 10, 34 – 39 (Lutherbibel)

34 Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.

35 Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter.

36 Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.

37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.

38 Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert.

39 Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.

Foto: Niklas Fleischer (c)

Liebe Gemeinde,

dieser Predigttext klingt zunächst unsympathisch, sodass ich mich schon frage, ob er überhaupt gepredigt werden sollte.

Trotzdem halte ich ihn für wichtig, ja sogar bedeutsam, und möchte daher die Gelegenheit nutzen, um auf einige Beobachtungen hinzuweisen.

Dazu möchte ich zunächst den ersten Satz herausgreifen und besonders thematisieren. Klipp und klar: dieser Satz Jesu enthält eine Aufforderung zur Gewalt. „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“

Keine Frage: Ich halte die Botschaft Jesu insgesamt für eine Friedensbotschaft. Dafür gibt es ja gerade im Matthäusevangelium genügend Beispiele. In den Seligpreisungen ist von den Sanftmütigen die Rede, die die Erde besitzen sollen, und von den Friedenstiftern, die Gottes Kinder genannt werden (Matthäus 5,5+9). Die einzige Handlung, die auch auf eine Option zur Gewalt zeigt, ist die sogenannte Tempelreinigung, in der Jesus gewiss mit seinen Jüngern gemeinsam einige Tische der Geldwechsler im Tempel umwirft.

Aussagen, die Jesus als gewalttätig oder gewaltbefürwortend zeigen, kommen uns eher unpassend vor.

Trotzdem ist die Geschichte der Kirche keinesfalls frei von Gewalt. Ein Beispiel aus Gründen der Aktualität sei von Martin Luther genannt. Die Reformation hat ja bekanntlich im deutschen Reich eine weite Bewegung ausgelöst. Besonders die Freiheitsschrift ist von den Bauern aufgegriffen worden. In der ersten Phase hat Luther die protestierenden Bauern, zu denen sich auch der Pfarrer Thomas Müntzer gesellte, durchaus befürwortet. Im Jahr 1525 schien allerdings der Konflikt zu eskalieren, so dann man im Rückblick sogar vom Bauernkrieg spricht. Ich zitiere Martin Luther aus der Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“:

„So soll die Obrigkeit getrost vordringen und mit gutem Gewissen dreinschlagen… Denn sie merken zu recht, dass die Bauern böse Gewissen und unrechte Sachen haben, und welcher Bauer darüber erschlagen wird, mit Leib und Seele verloren und ewig des Teufels ist. Aber die Obrigkeit hat ein gutes Gewissen und spricht zu Gott mit aller Sicherheit des Herzens: Siehe mein Gott, du hast mich zum Fürsten oder Herrn gesetzt, daran ich nicht kann zweifeln, und hast mir das Schwert befohlen über die Übeltäter (Römer 13). …

Also kann´s geschehen, wer auf der Obrigkeit Seiten erschlagen wird, ein rechter Märtyrer für Gott sei, so er mit solchem Gewissen streitet, wie gesagt ist, denn er geht in göttlichem Wort und Gehorsam. Wiederum, was auf der Bauern Seiten umkommt, ein ewiger Höllenbrand ist, denn er führet das Schwert wider Gottes Wort…

Drum liebe Herren, erlöset hie, rettet hie, helft hie! Erbarme euch der armen Leute! Steche, schlage, würge hie, wer da kann! …“ Aus Kaiser, Gott und Bauer, S. 505).

Es geht mir nicht darum, das aus historischem Abstand zu würdigen und zu kritisieren oder zu verurteilen, sondern nur zu zeigen, dass das Christentum die Gewalt im Sinn der Obrigkeit immer gerechtfertigt hat, auch wenn sie vielleicht nicht im Sinn der Menschen ausgeübt worden ist. In diesem Abschnitt Martin Luthers wird eine regelrechte Kriegspredigt daraus, weil er dem Sterben auf der für ihn richtigen Seite die Auszeichnung des Martyriums gibt und den Opfern der anderen schon direkt der Hölle anheimgibt. Keine Frage, dass hier die Lehre Luthers zeitbedingt ist. Sie zeigt eben nur wieder einmal, dass im Christentum der Pazifismus Jesu sowieso völlig in Vergessenheit geraten ist.

Und das gilt bis zum 2. Weltkrieg, bei dem auf den Koppelschlössern der Soldaten der Ausdruck „Gott mit uns“ mit Hakenkreuz und dem deutschen Adler kombiniert war.

Ist also das Wort Jesu schon ein Samenkorn dieser gewalttätigen Geschichte der christlichen Religion: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Wie gehen wir überhaupt damit um?

Dazu kurz ein Blick auf das Verhältnis von Christentum und Islam zur Gewalt. Ich gebe zu, dass mir schon beim allahu akbar das Blut in den Adern gerinnt, auch wenn ich es nur einmal bei einem Gebet in der Moschee höre. Dieser Satz wird im Islamismus gebaucht, um Selbstmordattentate religiös zu überhöhen. Ein Blick auf die Überlieferung im Koran zeigt, dass Mohammed die Gewalt der Wüstenvölker eher eindämmen wollte, die in Blutrache zu versinken drohten. Er führte das Talionsrecht ein, das für die Verhältnismäßigkeit sorgt, wie in einem Satz in Sure 2,194: „Wer euch also angreift, den greift auf gleiche Weise an, wie er euch angegriffen hat.“

Ich las die Bemerkung eines Moslems, er sei erschreckt von der Gewalt in manchen Aussprüchen des Islam, denn davon hatte er in seiner Kindheit nichts gehört. Als ich diesen Satz las, dachte ich bei mir, ob das im Christentum nicht ganz ähnlich ist. Die Gewalt in der Bibel ist immer auf der Seite der Guten, wenn sie gelobt wird, und auf der Seite der Feinde, wenn sie verurteilt wird. Die Kinderbibeln enthalten die gewalttätigsten Beispiele nicht. So wird das also auch bei uns nicht viel anders sein, dass wir eher die friedlichen Sprüche aus der Bibel kennen, als die gewalttätigen. Und wir denken, dass das ja hauptsächlich das Alte Testament betrifft. Doch das stimmt nicht ganz. Es gibt durchaus einige Sätze Jesu in den Evangelien, in denen eine Art Gewalt anklingt, oder die zumindest etwas unsympathisch sind.

Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.

Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter.

Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.

Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert.

Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.

Im ersten Satz bringt Jesus nicht den Frieden, sondern das Schwert. Wer das etwas abmildert, darf hier statt Schwert auch Streit sagen. Aber auch Streit ist nicht sympathisch. Und das wird ja dann sogar noch fortgesetzt:

Der Streit geht durch die Familien. Die engsten Angehörigen werden einander entzweit. Man muss seine Familie verlassen, weil man Jesus oder Gott mehr liebt als sie. Normalerweise heißt es doch, dass die Predigt der Liebe Gottes sich auch in der Liebe der Menschen niederschlagen soll. Doch hier passiert das Gegenteil, und man fragt sich, wozu das gut sein soll.

Zum Schluss ist von reiner Opferbereitschaft die Rede, in der man sein Kreuz auf sich nehmen soll, und Jesus, wohl in den Tod, nachfolgen soll.  Wer sein Leben um Jesu willen verliert, der wird es finden. Es ist also gar kein Wunder, dass die vergangenen Jahrhunderte in der Bibel auch Worte gefunden haben, die den Krieg im Sinn einer vermeintlich guten Sache gerechtfertigt haben. So wie Luther es in der Predigt zum Bauernkrieg dargestellt hat. Ich finde aber, man soll sich vor diesem Freund-Feind-Denken in Acht nehmen.

Gerd Theissen, ein bekannter Theologe und Neutestamentler aus Heidelberg, hat die sozialen Hintergründe der Evangelien etwas näher untersucht und festgestellt, dass die sogenannten Sprüche zur Nachfolge, die so radikal klingen wie unser Predigttext, eine Nähe zur Widerstandsbewegung aufweisen.

Die Sikarier und Zeloten waren im Widerstand gegen das römische Reich bis aufs letzte entschlossen. Sie ertrugen tapfer Folter und Qualen und waren bereit für den Widerstand zu sterben. Rigoros waren sie gegen ihre Angehörigen, wenn diese sich etwa ihnen in den Weg stellten. Gerd Theissen schreibt: „Das erinnert an den Hass von Familienangehörigen, der in der Jesusbewegung zur Bedingung der Nachfolge erhoben wurde. Die pietätlose Forderung, die Toten ihre Toten begraben zu lassen, hat ihre Analogie in der Praxis der Widerstandskämpfer, Überläufer zu töten und ohne Begräbnis liegen zu lassen. … Die Verwerfung des Reichtums ist beiden Bewegungen gemeinsam …Trotz diametraler Unterschiede zeigen beide Bewegungen formal vergleichbare Züge.“ (Aufsatz, S. 139)

Das Zitat spricht für sich. Ich komme nun noch einmal zu unserem Text direkt zurück. Wie schon angedeutet, geht es um die Nachfolge in der Jesusbewegung und nicht um die Vorbereitung zur Gewalt. Vielleicht waren einige Mitglieder dieser Bewegung früher mal gewalttätig, aber in der Predigt Jesu soll es lediglich radikal klingen und keine Aufforderung zur Gewalt sein. Interessant ist, dass wichtige Aussagen unseres Textes Zitate aus dem Propheten Micha sind und nicht von Jesus selbst sein müssen, es sei denn, Jesus selbst habe diese Worte auf sich selbst hindeutet. Das Bekenntnis für Jesus, für das Reich Gottes kann in einer Situation möglicherweise zur Kreuzesnachfolge führen. Hier wird in der Radikalität der Sendung der Boten durch Jesus angedeutet, dass es diese Opfer für den Glauben immer wieder gegeben hat und dies bis auf den heutigen Tag.

Ich schließe mit einem doppelten Gedanken:

Das erste ist, dass ich einen solchen Text zum Anlass nehme, die Worte der Gewalt in der Bibel nicht zu verschweigen oder zu beschönigen. Ich bin nicht dafür zu sagen, dass der Glaube per se friedlich ist, da man dann eben auch in Erklärungsnöte dafür kommt, wieso das Christentum ebenfalls eine Blutspur hinter sich herzieht.

Das zweite ist, dass eine Entscheidung für das Bekenntnis zu Gott und für das Leben, für den Frieden und die Gerechtigkeit, für die Botschaft der Liebe eben nicht unbedingt nur harmonisch sein muss, sondern auch anecken kann. Die frühe Kirche hat diese Worte der Jesusbewegung bewusst weitererzählt.

Der christliche Glaube kann und soll radikal sein. Die Nähe Jesu zur Widerstandbewegung in Palästina und Judäa muss ja nicht als Schande gesehen werden. Aber die Botschaft des neuen Testaments ist eine Friedensbotschaft. Und dafür muss man manchmal auch radikal eintraten können und dürfen. Amen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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