Bildung und Islam, Rezension, Christoph Fleischer, Welver 2017

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Zu: Heiner Barz, Klaus Spenlen (Hg.): Islam und Bildung, Auf dem Weg zur Selbstverständlichkeit, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2018, Softcover, 265 Seiten, ISBN(print): 978-3-658-15014-3, Preis: 34,99 Euro

Das Buch wird vom Vorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir eingeleitet, der auch auf die aktuelle Entwicklung eingeht. Die Islamverbände, die eigentlich als Partner des Staates für den islamischen Religionsunterricht zur Verfügung stehen müssten, erfüllen laut Gerichtsbeschluss nicht die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft. Cem Özdemir empfiehlt stattdessen übergangsweise die Einrichtung von Beiräten, wie in NRW und Baden-Württemberg geschehen.

Die Beschäftigung mit den durch den Islam aufgeworfenen Fragen ist demnach gesellschaftlich notwendig. Die verschiedenen Themen der Aufsätze des Buches gehen auf die aktuellen Themen der Islamdiskussion ein.

„Die Herausgeber und Autoren packen Fragen an, auf die wir in der gesellschaftspolitischen Debatte über die Integration des Islam in Deutschland Antworten brauchen.“ (Cem Özdemir) In diesem Zusammenhang verweist Özdemir auch auf Voraussetzungen des gesellschaftlichen Dialogs: „Es reicht aber nicht aus, bloß auf das Grundgesetz zu verweisen. Denn seine Akzeptanz lebt von Voraussetzungen, die wir als Gesellschaft aktiv schaffen müssen.“ (S.VII)

Die Aufsätze dieses Bandes gehen auf eine Vortragsreihe in Düsseldorf zurück, die von verschiedenen Institutionen gemeinsam unter dem Titel „Herausforderungen Islam – Sozialwissenschaftliche Perspektiven“ gehalten wurden.

In der Einleitung heißt es: „Im Mittelpunkt (der Islamdebatte, d. Rez.) können nur die Menschen mit ihrer z. T. aus Traditionen, z. T. aus selbst gestrickten Ritualen bestehenden religiösen und spirituellen Praxis stehen.“ (S. 2). Ich summiere kurz die inhaltliche Bandbreite des Buches um dann auf einen Artikel einzugehen, den ich ausgewählt habe, weil er eine Diskussion innerhalb der evangelischen Kirche referiert.

Die Aufsätze stellen den „gelebten Islam“ vor Augen (Heiner Barz). Danach wird nach „Muslim Girls“ gefragt, also nach Frauen, die sich als Muslime zu erkennen geben (Sineb El Masrar). Klaus Spenlen geht auf die aktuelle Diskussion um den islamischen Religionsunterricht ein. Zwei Artikel widmen sich der Gülen-Bewegung. Zuerst wird dessen „Bildungsinitiative“ sozialwissenschaftlich dargestellt (Thomas Geier, Magnus Frank). Uwe Gerrens befasst sich mit der Darstellung der Gülen-Bewegung in den Publikationen der EZW (Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen). Peter Tepe erinnert an die Vernachlässigung der Kritik am Fundamentalismus. Marc Dietrich und Martin Seeliger zeigen Beispiele islamischer Popmusik, besonders des zum Fundamentalismus neigenden „Gangstarap“. Der nächste Aufsatz ist betitelt mit: „Vom Klassenzimmer in den Heiligen Krieg“. Lamya Kuddor zeigt die Attraktivität des Salafismus für islamische Jugendliche auf.

Der nächste Artikel stellt das „Netzwerk für Sicherheit“ in Düsseldorf vor (Dirk Sauerborn). Klaus Spenlen geht auf die religiösen Konflikte ein, im Besonderen im Zusammenhang der Säkularisierung.

Zwei Artikel befassen sich mit der Frage der Beschneidung. Der erste ist von Navid Kermani aus religiöser und der zweite aus ärztlicher Sicht von Matthias Franz.

Die letzten Artikel befassen sich noch einmal kritisch mit dem Islam: Zum einen geht es um europäische Werte (Klaus Spenlen) und die Ambivalenz zwischen Islam und Bildung. Ein Verzeichnis der Autorinnen und Autoren schließt den Band ab.

Der Aufsatz von Uwe Gerrens soll kurz skizziert werden. Es geht um diverse Verlautbarungen der EZW in Berlin, vor allem herausgegeben von Friedmann Eißler. Die Behandlung der einzelnen Artikel steht sehr stark ins Detail und liest sich zum Teil etwas mühsam. Es wird deutlich, dass die Gülen-Bewegung, die sich eher an den Bau von Schulen als an Moscheen orientiert, ist für einen autoritären Staat schlecht zu kontrollieren, wenn deren Arbeit hauptsächlich in Privaträumen stattfindet. Gerrens wendet sich dagegen, den Islam überhaupt in die Ecke der „Sekten und Weltanschauungsfragen“ zu stellen, anstelle sich dabei am interreligiösen Dialog zu orientieren. Er gibt hingegen einen guten Überblick über die Gülen-Bewegung und weckt auch ein wenig Verständnis dafür. Es gibt allerdings wohl auch Beobachtungen, die die öffentliche Ausrichtung in Gestalt von Bildung und Beschulung vertritt von der internen Ausrichtung zu unterscheiden versucht.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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