Was ersetzt den Theismus? Notizen und Anfragen von Markus Chmielorz, Dortmund und Christoph Fleischer, Welver 2018

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Bernhard Nitsche, Klaus von Stosch, Muna Tatari (Hg.): Gott – jenseits von Monismus und Theismus? Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2017, ISBN 978-3-506-78260-1. Preis: 39,90 Euro

Die Einleitung des Aufsatzbandes weist einerseits auf die Erosion des Gottesbegriffs in der Bevölkerung hin und andererseits auf aktuelle Diskussionen um den Theismus in Theologie, Philosophie und interreligiösem Dialog. Die zusammenfassende Vorstellung aller Artikel in der Einleitung soll hier nicht wiederholt werden (siehe Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis und Einführung:  https://www.schoeningh.de/uploads/tx_mbooks/9783506782601_leseprobe.pdf, hier. S. 20). Die Aufsätze dokumentieren eine Tagung in der katholischen Akademie Schwerte im Jahr 2014, auf deren Fortsetzungsdiskussion kürzlich das Magazin Publik Forum hingewiesen hat (http://www.der-schwache-glaube.de/2018/02/06/gott-neu-denken-hinweis-und-rezension-christoph-fleischer-welver-2018/).

Unsere Notizen sollen Beobachtungen und Fragen zu einzelnen Beiträgen formulieren und auf die religionswissenschaftliche Diskussion eingehen. Der im Buch ebenfalls angesprochene interreligiöse Dialog bleibt bis auf eine Bemerkung zu Franz Rosenzweig außen vor.

 

Vom gelingenden Leben (Markus Chmielorz)

 

Jenseits des mare nostrum, „unseres Meeres“ die anderen und diesseits wir. Das Meer, das den einen Kontinent, Europa trennt von anderen, Afrika – die Grenze der Unterscheidung des Eigenen vom Fremden. Das Meer trennt und verbindet. Die Grenze kann überwunden werden. Ein Übergang ist möglich. Ich denke nach über die Bedingungen der Möglichkeit gelingenden Lebens, diesseits und jenseits und beim Überschreiten der Grenze. Von hier aus gesehen: Welche Relationen in Bezug auf die Größe der Gefahr, versehrt zu werden an Körper, Geist und Seele zeigen sich dann? Was haben die anderen zu erzählen? Und wer schenkt ihnen hier Gehör?

 

Wozu ist es gut, damit zu beginnen? Mit dem Blick auf die postmodernen Migrationsbewegungen in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts? Auf der einen Seite: eine sozialwissenschaftliche Analyse, zählen, Orte benennen, Bewegungen zeigen. Auf der anderen Seite: eine aisthetische und philosophisch-politische Begründung, Selbstreflexion ermöglichen, die Bilder des Eigenen und des fremden Anderen sehen und dann erst deuten. Der vorliegende Sammelband basiert auf der Annahme, „dass die Welt in ihrem Sein und So-Sein nicht selbstgenügsam ist, und somit eines Grundes bedarf“. (S.113) Wer sich der Unterscheidung von Eigenem und Fremden zuwendet, der bleibt zunächst im Kontext der Unterscheidungen in der Welt. Doch sind Menschen in der Lage, „alle natural geprägten Weltverhältnisse zu distanzieren bzw. zu überschreiten“, dies „bestimmt sein bewusstes Leben als (transzendentale) Subjektivität.“ (S.35) Immanenz und Transzendenz erscheinen als zwei Seiten einer Unterscheidung. Wie denn kommen Menschen zu sinnstiftenden Antworten mit Blick auf Freiheit, Gerechtigkeit und gelingendes Leben? Und zwar ohne, dass dieser Anspruch bloß ein mögliches Postulat unter anderen bliebe. Und es bedarf einer Antwort auf die Frage, in welcher Weise dieser Anspruch überhaupt einer Überschreitung hin auf Transzendenz notwendig (!) bedarf. Liese sich ein „Sollen“ auch aus der Immanenz des „Seins“ ableiten, z. B. im Kontext einer Diskursethik?

 

Ich beginne mit der Notwendigkeit der Unterscheidung und nehme einen Faden auf. „Jenseits des Theismus“ überschreibt Benedikt Paul Göcke seinen Aufsatz (S.113-135), in dem er sich dem „Panentheismus als Denkform der Postmoderne“ zuwendet und bietet damit als Lösung des Theismusproblem eine doppelte Überschreitung an. Die Probleme des Theismus als Lösungsmodell von „philosophisch-theologischer“ Weltdeutung sind offensichtlich, sie kulminieren in der Theodizee-Frage (Vgl. S.119).

Mit Karl Christian Friedrich Krause (ein Rekurs in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts) entwirft Göcke ein Modell des Panentheismus, das die beiden Begriffe „Natur“ und „Vernunft“ ins Verhältnis setzt und darin Endlichkeit und Unendlichkeit: „Der paradigmatische Ort der Synthese von Natur und Vernunft ist zunächst nichts anderes als die Menschheit selbst, denn im Menschen kommen Natur und Vernunft zusammen: Durch den (endlichen, mc.) Leib sind sie Teil der unendlichen Natur und durch den Geist sind sie Teil des unendlichen Reiches der Vernunft.“ (S.123)

Krause analysiert den Erkenntnisbegriff, setzt das erkennende Subjekt und seinen Verstand, sowie zu erkennendes Objekt und die Natur in ein Dreiecks-Verhältnis, einen gemeinsamen Grund, der Erkenntnis erst ermöglicht. Bei Krause (und Göcke) wird „Gott“ der unendliche Grund, der die Natur und die Vernunft vereint: „Gott ist der unendliche Gegenstand (sic!), der archimedische Fluchtpunkt der Wirklichkeit.“ (S. 125) Die Welt wird zum Teil des Wesens Gottes, ohne, dass dieses Wesen in der Welt selbst aufginge. In Krauses Modell des Panentheismus ist Gott Logos, „der logische Grund der Welt“. (S.126) Göcke nennt das die Panentheimus mit idealistischen und transzendentalphänomenologischen Prämissen.

Dem Konzept Krauses stellt er Griffins Model des Panentheismus mit prozesstheologischen Prämissen zur Seite. (Vgl. ebd.) Zur Unterscheidung endlich/unendlich kommt eine weitere hinzu, die von notwendig/kontingent. Es geht hier um nichts Geringeres, als die „Überwindung klassisch-religiöser Gottesvorstellungen“. (Ebd.)

Fortschreitend vom Gottesbegriff als „Logos“ zu einem Gottesbegriff, der am ehesten einem systemisch-konstruktiven oder ereignishaft-kosmologischen Verständnis folgt, könnte man sagen, „Gott“ als Netzwerk und als Bedingung der Möglichkeit des Netzwerkes zugleich: „Die Welt ist, ähnlich wie bei Krause, ein harmonisches, sich auf verschiedenen Ebenen ontologischer Konstitution entwickelndes System von Systemen“. (S.130)

Gelingendes Leben rekurriert also auf einen Nexus kontingenter Geschöpfe, auf Teilhaftigkeit, die notwendig und als Garantie ihrer selbst der anderen Seite der Unterscheidung, des Unbedingten „als Sach- und Erkenntnisprinzip der Wirklichkeit“ (S.132) bedarf: „Das Universum als Körper Gottes.“ (Ebd.)

Das ist vielleicht der eigentliche Clou dieses Ansatzes, der vorderhand einen Überschuss an Rationalität mit sich bringt, bei der es um (denkende) Erkenntnis Gottes geht. Das Bild des Körpers Gottes allerdings ermöglicht eine Hinwendung zur aisthetischen Erfahrung, zu leiblich-sinnlichen Grundbedingungen, die heteronome Erfahrungen ins Recht setzen. Das führt auch zu einem neuen Verständnis von kenosis: „Hier ist es Gott selbst, der leidet, wann immer ein endliches Geschöpf leidet, denn Gott ist alles in und durch sich.“ (S.133) Ob am Ende für diese postmoderne Transformation des Gottesbegriffs zu einem dialektischen Verhältnis von endlichem Sein/Welt und unendlichem Sein nicht etwas anderes als der Begriff „Gott“ gefunden werden müsste, sollte Gegenstand philosophischer und theologischer Diskussion sein.

 

Bernhard Nitsche rekurriert in seinem Aufsatz „Formen des menschlichen Transzendenzbezuges (1. Teil): Hypothese“ auf die „Krise des personalen Gott-Denkens“ (S. 30). Sein äußerst differenzierter und kenntnisreicher Aufsatz nimmt quasi eine zweite Beobachtungsebene ein, durch die es möglich wird, Anthropologie und Transzendenzbezug miteinander zu verschränken und unterschiedliche Lösungsansätze nebeneinander zu stellen. Denn offenbar gehören Transzendenzkonzepte zur Menschheitsgeschichte und stellen eine Form von Lebensbewältigung und Frage nach dem Sinn dar. Der Autor analysiert die vorpersonalen, überpersonalen und transpersonalen Konzepte (vgl. S. 48), die daraus erwachsen: (…) die Geschichte und die Differenzierung der Religionen (kann) nicht nur aus kulturellen Herkünften, sondern auch aus anthropologisch-systematischen Gründen als eine lebendige Aktualisierung dieser Basis-Grundstrukturen des menschlichen Lebens, ihrer möglichen Sinn-Gestalten und Formen des Transzendenzbezuges begriffen werden.“ (S. 51)

Die drei Grundformen des Bezuges „auf große, göttliche Transzendenz“ (S. 60) stellen sich als eine kosmomorphe und naturmystische Form (Gott als „ES“) oder als soziomorphe und persönlichkeitsorientierte Form (Gott als „DU/ER/ICH“) oder als noomorphe (bewusstseinsbestimmte) und subjektlogische Form (Gott als „Vor-dem-ICH“) dar: „Der kosmomorphe Zugang des naturmystischen und diaphanen Denkens legt eine monistische Sichtweise nahe; der soziomorphe Zugang des persönlichkeitsorientierten und epiphanen Denkens ist vor allen Dingen mit einem sozialdialogisch und differenzorientierten Theismus kompatibel; der noomorophe oder bewusstseinorientierte Zugang eines höchsten Bewusstseins oder höchster, freier Ich-Subjektivität kann innerhalb einer egologisch bestimmten transzendentalen Dialogig durch eine Nähe zum Pan-en-theismus charakterisiert werden“. (Ebd. und f.)

In diesem Horizont der Möglichkeiten menschlicher Transzendenzbezüge können diese unterschiedlichen Zugänge jeweils gute Gründe für ihre eigene Berechtigung angeben. Vielleicht wird darin die Unterscheidung bedingt/unbedingt besonders deutlich, denn die guten Gründe sind nicht nur Folge von Reflexion auf der Ebene von Religionswissenschaften oder Theologien, sondern viel mehr Folge des Kontingenten, das sich einschreibt in Körper, Erfahrung, Biographie und Geschichte.

 

Letzteres könnte mit Blick auf den Aufsatz von Anne Eusterschulte als eine, not-wendige Wahrheit aufgefasst werden; sie gibt ihrer Arbeit den Titel „Weil Wahrheit bewährt werden will. Franz Rosenzweigs kritische Revision des Monismus“. Es ist ein fundiertes Plädoyer für einen persönlichkeitsorientierten Zugang zu Transzendenzbezügen. In ihrer Kritik an Spinoza kommt sie zum Schluss, dass „die skizzierten Implikationen dieses Monismus (…) einen personalen Schöpfergott (negieren)“. (S. 251) In dieser Negation sieht sie „Atheismus in einem ganz spezifischen Sinne“. (S. 253) Sie betont die personale Beziehung von Gott und Mensch, die in der religiösen und spirituellen Erfahrung, mehr im Gefühl denn durch Rationalität lebendig wird. (Hier könnte sich eine parallele Diskussion anschließen, die andernorts unter der Überschrift „ästhetische Rationalität“ geführt wird.)

Die „bewährte Wahrheit“ zeigt sich im Anschluss an Franz Rosenzweig darin, „wie sich Gott dem Menschen in einem Sprachgeschehen zur Erfahrung bringt“ (S. 255). Genau genommen zeigt sich hier ein relationales Gottes-Bild, das in der Beziehung, im Raum zwischen „Du“ und „Ich“ erfahrbar wird. Anne Eusterschulte verknüpft den sog. linguistic turn mit theologischem Denken, die Stichworte sind lebendige Spracherfahrung, sprachlich konstruierte Wirklichkeiten, Hören als performativer Bezug. (Vgl. S. 256)

Sie setzt auf die Unterscheidung von Denken und Sprechen – was ebenfalls genauer zu beleuchten wäre, denn Denken vollzieht sich in Sprache und ist körper- und beziehungslos kaum zu verstehen. Angesprochen werden und hören, setzt nach Eusterschulte eine personale Instanz voraus, ein Gegen-über. Ganz in der Tradition von Aufklärung und Moderne nimmt sie hier die Mündigkeit der Subjekte vorweg als ethische Forderung: „Im Anruf durch ein Du konstituiert sich erst das Ich. Zugleich wohnt dem Namen ein ethischer Anspruch inne (…) sofern dieser je Gemeinte, der hört und antwortet, damit aufgerufen ist, einem sittlichen Anspruch gerecht zu werden (…)“ (S. 260) Die Beobachtung der heteronomen Bedingungen menschlichen Lebens kann sicherlich nicht deutlich genug hervorgehoben werden, auch nicht, dass hier dass sinnlich-leibliche Element zu seinem Recht kommt.

An dieser Stelle von Moral und Ethik wird jedoch auch die Schwäche dieses Ansatzes deutlich: Wie verhalten sich denn Hören und Gehorsam? Wie verhalten sich Anrede und Befehl? Wir kommen Menschen zu Mündigkeit und Ver-antwort-ung als immanente Notwendigkeit jeder Beziehung und nicht als bloße Behauptung? Und was, wenn „Gott“ nicht antwortet? Gescheiterte Beziehungen und stumme Verhältnisse davon erzählen Erfahrungen, Biographien und Geschichte. Es bliebe an dieser Stelle zu diskutieren, wie das, was innerweltlich so schmerzlich fehlt, durch einen Transzendenzbezug gerettet werden kann. Dass sich gerade zwischen Du und Ich der feine Faden des Utopischen verortet, bleibt ein davon unberührtes Versprechen.

 

 

Panentheismus, trinitarische oder negative Theologie? (Christoph Fleischer)

 

Der Beitrag von Benedikt Paul Göcke (Jenseits des Theismus, Panentheismus als Denkform der Postmoderne, S. 113 – 135) stellt das Konzept des Panentheismus in zwei Varianten vor. Durch diese doppelte Argumentationsführung bleibt der Begriff zuletzt unscharf. Es ist um so bedauerlicher, da Benedikt Paul Göcke den Begriff Panentheismus vehement einbringen möchte. Um so klarer scheint hingegen die Kritik des Theismus im Anfangsteil. Hier entscheidet sich wohl, wie hoch die Sprunglatte gelegt wird, an der der Hochspringer zuletzt scheitert.

Die Kritikpunkte am Theismus sind:

  • die Unterscheidung von mehreren Wirklichkeiten,
  • impliziter oder expliziter Anthropomorphismus,
  • Verdacht der Unwissenschaftlichkeit im Dialog mit den Naturwissenschaften bzw. Leugnung der Notwendigkeit der naturwissenschaftlichen Regeln,
  • der Schöpfungsbegriff als creatio ex nihilo,
  • die Theodizeefrage hinsichtlich des Leids und des Bösen in der Welt in Bezug auf Gottes Schöpfung.

In der Darstellung des Panentheismus (Gott in der Schöpfung) besonders von Karl Christian Friedrich Krause überwiegen Kosmologie und Ontologie. Es kommt zu allgemeinen Aussagen, die nur richtig sein können, wobei die Frage ist, ob sie dem Projektionsverdacht Feuerbachs standhalten würden wie: „Wir haben erkennt, dass Gott der eine unendliche Grund ist, der die Natur und die Vernunft vereint.“ (S. 125)

Der postmoderne Ansatz David Ray Griffins basiert auf einer „Ereignisontologie“. Wenn mit Ereignis auch Zufall gemeint ist, heißt es also, dass Gott nicht im Widerspruch zum Zufall gedacht werden dürfte, was eine Brücke zur Naturwissenschaft bieten könnte.

Ob die Argumentation des Panentheismus, die zuletzt auf die fünf Kritikpunkte des Theismus eingeht, in jedem Fall schlüssig ist, darf bezweifelt werden, zumal die duale Definition des Panentheismus ohnehin Fragen offenlässt.

Wenn Gott etwa ein übernatürliches Einwirken in der Welt nicht mehr zugestanden werden kann, wohl konsequentestes Ergebnis des Panentheismus, müsste eigentlich anstelle einer neuen Kosmologie eine subjektive Gotteserfahrung stehen, wie sie etwa von der Mystik her gelehrt wird, denn wenn Gott in der Welt ist, ist er auch in mir.

Im Übrigen scheint mit dieser Frage schon der Verdacht aufzukommen, dass die Schwächen der Diskussion bereits in der Methodik liegen könnten. Was wird jeweils verschwiegen, was ausgeblendet? Wird immer nur auf die Definition geantwortet, die man zuvor selbst formuliert hat?

Es scheint mir in den Aufsätzen des Bandes zuletzt nicht immer deutlich, welcher Aufsatz philosophisch und welcher theologisch argumentiert. Die Grenzen der Disziplinen verschwimmen oder werden nicht klar gezogen. Sicherlich muss Theologie auch religionsphilosophische Ergebnisse akzeptieren, während die Philosophie klarer zeigen müsste, welches Gottesverständnis phänomenologisch gesehen gemeint ist und kann den Gottesbegriff nicht einfach selbst definieren. Dann ist der Gott der Philosophie nämlich eine neue Religion neben den bestehenden.

 

Klaus von Stosch (Plädoyer für einen trinitätstheologisch perspektivierten Theismus, S. 189 – 211) scheint sich denkerisch ganz klar in theologischen Bahnen bewegen zu wollen, wobei er einige Argumente gegen den Theismus für irrelevant erklärt, pragmatisch entkräftet oder religiös umdeutet. Auch wenn es dabei auf religionsphilosophische Argumente weniger ankommt, so kann er andererseits in seiner Argumentation auch das Anliegen des Panentheismus oder der negativen Theologie bewusst aufnehmen.

Vom kirchlich-theologischen Standpunkt aus ist dieser dogmatische Ansatz durchaus zu respektieren, auch wenn die argumentative Stärke der Philosophie dabei leicht verloren geht. Von Seiten dieser theologischen Argumentation werden evidente Argumente schlicht für logisch gehalten, was ja eben nur rhetorisch richtig ist, aber nicht zwingend begründet.

Interessant für einen evangelischen Theologen als Leser ist, dass die Rede von Gott auf Denkfiguren basiert und religionsgeschichtliche oder exegetische Fragen oder Beispiele außen vor bleiben können. Das gilt sowohl für die Transzendenzfrage, die Frage nach Person und Grenze und die Frage nach der creatio ex nihilo. Dass die Schöpfungserzählung der Bibel ein Handeln Gottes in und mit der Schöpfung bezeugt und nicht ihr per se gegenübersteht, wird hier ignoriert. Anders ist es dann aber, wenn Klaus von Stosch mit Emanuel Lévinas jüdischem Denken davon ausgeht, dass Gott im Nächsten begegnet. Auch der Bezug auf Paul Tillich, ohne ihn jedoch persönlich zu nennen, lässt aufhorchen: „Denn allein das Unbedingte selbst kann ein Verstehen und Erkennen des Unbedingten ermöglichen.“ (S. 193).

Trinitarisch gedacht wird das Wirken Gottes und sein „In-der-Welt-sein“ in der Pneumatologie verortet. Wichtig scheint mir noch die Aufnahme der negativen Theologie in der Gestalt der Begriffe Unverfügbarkeit und der Unerkennbarkeit Gottes.

Zum Ende hin wird der Artikel zusehends schwieriger. So sympathisch die Argumentation mit der Trinitätslehre theologisch auch sei mag, liegen hier doch auch die Fallstricke, wie die Frage nach Person und Beziehung, die ihre anthropomorphe Grundlegung kaum verhehlen kann. Die Rede vom Handeln Gottes in der Welt kann genauso schwierig sein, wie dessen Leugnung. Gleiches gilt für die Ewigkeit, die nicht zur Zeitlosigkeit werden darf. Die Theodizee-Frage ist hier kein Argument gegen den Theismus, sondern die Anklage Gottes im Vollzug des Glaubens. Hier werden die Kategorien Glaube und Vernunft schlicht vertauscht und die philosophischen und theologischen Denkfiguren verwechselt.

Der Artikel gibt zweifelsohne wertvolle Denkanstöße. Er weist aber in seinen Defiziten auf die Frage hin, wie ausgewiesen werden kann, wann ein Autor, eine Autorin philosophisch und wann sie theologisch argumentiert.

 

Kurzes Resümee vorerst: Obwohl ich eigentlich mit einem klaren Ja zum Pantheismus an die Lektüre gegangen bin, war mir das Konzept letztlich so unklar, was die Doppelstruktur angeht, und andererseits hatte der trinitätstheologische Ansatz doch seine Stärken, wenn auch dort Fragen offen bleiben. Es ist ja wohl nicht nur das säkulare Denken, was den Theismus in Frage stellt, sondern es gibt auch die Herausforderungen der religiösen und weltanschaulichen Vielfalt. Wird die Anfrage der Hermeneutik nicht einfach stillschweigend ignoriert oder nur implizit geduldet, dass von der einen Wahrheit im Zeitalter der Interpretationen gar nicht mehr gesprochen werden kann?

 

Auf diese Problemebene geht der Aufsatz von Joachim Höhn ein (Radikale Verschiedenheit, Aktualität und Relevanz einer theologia negativa, S. 271 – 289). Er zeigt einerseits die Schwächung der Rede von Gott in der (post-)modernen Welt auf, bietet aber andererseits ein alternatives Konzept an, die „Relationale Ontologie“ in Verbindung mit der negativen Theologie.

Einerseits wird die Weltgestalt auch ohne Gott zur Selbstverständlichkeit. Aus der Negation heraus bietet sich das Modell der Grundlosigkeit an: „‚Grundlosigkeit‘ besagt nicht Beliebigkeit und Willkür, sondern ist der Gegenbegriff zu Verzweckung und Instrumentalisierung. Das Grundlose ist […] das Freie und Unverfügbare.“ (S. 276)

Als Hauptreferenz führt Joachim Höhn dazu die Versuchungsgeschichte nach Matthäus 4, 1-11 an. Dazu sagt er: „Für ihn (Jesus, CF.) kann eine Beziehung zu Gott nicht nach der Logik eines Zweck/Mittel-Verhältnisses gedacht werden.“ (S. 278). Ein mit Macht und Herrschaft ausgestattetes Gottesbild führe letztlich zu einer Vergötterung von Macht und Herrschaft. Die Feststellung der Unverfügbarkeit Gottes wird auf vier verschiedenen Ebenen durchgeführt, die ich jetzt nicht weiter erläutere.

Eine Problemanzeige könnte darin liegen, dass die Rede von Gott im Sinn der negativen Theologie zu einem inhaltlichen Bilderverbot führt, das in der Folge zu einem Schweigen oder Verstummen in der Gottesfrage führen kann. Geradezu im Gegensatz zur Panentheismus-Theorie kommt es zur Betonung der Andersartigkeit Gottes im Verhältnis zur Welt. Die relationale Ontologie hat im Gegensatz zum Panentheismus zwar einige Vorteile, wenn sie nicht in einem plumpen Theismus zurückfällt. Die Welt wird danach weder heute noch in Zukunft in Gott aufgehen. Gott ist nicht „der Zielpunkt oder die Vollendung eines Selbstwerdungsprozesses der Welt.“ (S. 289).

Die Frage nach der Eschatologie wäre dann schwer zu füllen, egal ob sie säkular oder religiös gedacht ist. Und führt die Vorstellung von der relationalen Ontologie nicht etwa zurück zum Modell der Selbstoffenbarung Gottes nach Rahner oder Barth? Was ist mit der negativen Theologie nach Derrida oder Lévinas, die mit dem Denken der Mystik in Verbindung steht? Diese oder andere Fragen bleiben offen, je nach dem Standpunkt der Betrachtung. Aber die Frage nach der Unverfügbarkeit Gottes mit religiösen Konsequenzen zu denken, klingt weiterführend. Trotzdem: Jeder der drei Ansätze endet mit offenen Fragen, die jedoch die Debatte weiter anregen.

 

 

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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