Predigt zu Jeremia 23 mit Zitaten von Dietrich Bonhoeffer aus dem Buch „Nachfolge“ (1937), Christoph Fleischer, Welver 2018

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Die Predigt über Jeremia 23, 16 – 29 wird am 1. Sonntag nach Trinitatis in Neuengeseke gehalten.

 

16 So spricht der HERR Zebaoth:

Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen!

Sie betrügen euch, sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN.

17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohl gehen – und allen, die im Starrsinn ihres Herzens wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.

18 Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat sein Wort vernommen und gehört?

19 Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen.

20 Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen.

21 Ich sandte die Propheten nicht, und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen, und doch weissagen sie.

22 Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.

23 Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?

24 Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe? spricht der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt? spricht der HERR.

25 Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt.

26 Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen

27 und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, so wie ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal?

28 Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht.

Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der HERR.

29 Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?

Foto: Niklas Fleischer (c)

Liebe Gemeinde,

diese Worte aus dem Buch des Propheten Jeremia kommen zu uns aus einer alten, längst vergangenen Zeit. Das einzige, was man sich vielleicht ins Gedächtnis rufen sollte: Die Propheten sind die Verkünder des Wortes Gottes. Sie halten den Glauben an den lebendigen Gott wach, der Himmel und Erde geschaffen hat, der das Volk Israel in seinen Bund berufen hat und der es aus der Knechtschaft herausgerufen hat in die Freiheit und in das Land, das ihnen versprochen worden ist.

Auf diesen Gott Israels, den lebendigen Gott und Herrn, hat sich auch Jesus berufen. Im Namen dieses Gottes sind auch wir getaufte Christinnen und Christen. Im Glauben an Gott, sollen wir also Propheten für Gottes Worte sein und nicht nur aus unseren eigenen Gedanken reden.

Aus heutiger Sicht könnte man sich auch einmal auf den Standpunkt eines Dritten stellen und das Ganze als Prophetenstreit bezeichnen. Wer soll den beurteilen, wessen Prophetie Recht hat? Ist Prophetie die Verkündigung einer Gnade und eines Heils, oder soll sie nicht gerade von Gott her auch Kritik sein an der Gesellschaft und an der Kirche.

 

Dazu fällt mir ein Beispiel aus der vergangenen Woche ein. An der Anordnung der bayerischen Staatsregierung, Landesbehörden ein Kruzifix aufzuhängen, hat bekanntermaßen etwas Unruhe ausgelöst. Es ist auch meines Erachtens einen Rückfall in die Konfessionsspaltung, da diese Sitte eher zum Katholizismus passt. Aber auch wir kennen das Kruzifix als Teil des Altars und so als äußeres Zeichen für die Anwesenheit des Auferstandenen, zumindest in den Kirchen lutherischer Prägung, wie sie in der Soester Börde verbreitet sind.

Als eine Reaktion darauf hat der Landesbischof von Berlin, Markus Dröge kleine Kreuze an alle Religionslehrerinnen und Religionslehrer und Pfarrer verschicken lassen, die man sich an den Kragen

stecken kann. Ich dachte erst, dass er doch wohl einen ähnlichen Impuls verfolgt, wie der bayerische Staat, denn das Kreuz ist ja wohl auch eindeutig christlich. Es gibt eine Bestimmung, die vorsieht, dass aus Gründen der Neutralität Lehrerinnen und Lehrer keine religiösen Symbole in der Schule tragen dürfen. Religionslehrer*innen sind davon aber ausdrücklich ausgenommen. Er/sie wäre insofern sogar äußerlich erkennbar und so auch in Fragen der Seelsorge ansprechbar.

Von unserem Predigttext her könnte man es als eine Bewusstmachung des kirchlichen Auftrags ansehen, die Stimme des lebendigen Gottes zur Sprache zu bringen. Es ist ja auch etwas anderes, wenn ein Mensch ein Kreuz trägt, als wenn es nur an einer Wand hängt. (https://www.berliner-kurier.de/berlin/kiez—stadt/bischof-erklaert-lehrer-sollen-kreuze-tragen-30518534)

 

Es gibt eine formelle Linie und eine inhaltliche Linie in der Verkündigung Jeremias. Formell gesehen sind falsche Propheten solche, die eigenmächtig gesetzte Inhalte und Ziele an die Stelle des lebendigen Gottes setzen. Sie predigen nur aus ihren eigenen Träumen.

Dagegen stellt Jeremia nun nicht etwa die Rede Gottes aus dem Wort oder der Bibel, sondern er betont die Ferne und auch die Verborgenheit Gottes.

Falsche Propheten neigen dazu, allen Menschen ohne Unterschied die Gnade Gottes zuzusagen. Die richtigen Propheten sind da einfach nicht so verschwenderisch. Sie sagen, dass die Verkündigung allein aus dem Wort Gottes erfolgen kann und nicht aus den eigenen Träumen. Dieses Wort Gottes ist aber eben zugleich auch für den Propheten nicht so leicht zu haben. Er kann auch von einem Gott reden, der fern ist und nicht zu allem seinen Segen gibt, was im Land geschieht. Wenn das Wort hingegen ertönt, dann ist es nicht so harmlos wie ein Traum, sondern durchaus mit einer Art symbolischer Gewalt verbunden: „Ist nicht mein Wort wie ein Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt.“ (Vers 29)

 

Auf der Suche, wo sich in unserer Zeit eine aktualisierte Fassung dieser prophetischen Verkündigung findet, ist mir Dietrich Bonhoeffer eingefallen, der in seinem Buch „Nachfolge“ von billiger und teurer Gnade spricht. Ich habe mal eine Sammlung von Zitaten herausgesucht, die den Kerngedanken Bonhoeffers verdeutlichen können. Ich denke, dass dann auch ersichtlich ist, dass diese Gedanken auch für unsere heutige Situation ganz gut passen und eine Herausforderung darstellen.

 

Auszüge aus „Die teure Gnade“ von Dietrich Bonhoeffer (Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, Christian Kaiser Verlag, München 1982, s. 13 – 27,

http://www.der-schwache-glaube.de/2018/05/28/die-teure-gnade-dietrich-bonhoeffer-reprint-hrsg-von-christoph-fleischer-welver-2017/).

„Billige Gnade heißt Gnade als Lehre, als Prinzip, als System; heißt Sündenvergebung als allgemeine Wahrheit, heißt Liebe Gottes als christliche Gottesidee. […] In dieser Kirche findet die Welt billige Bedeckung ihrer Sünden, die sie nicht bereut und von denen frei zu werden sie erst recht nicht wünscht. […] Weil Gnade doch alles allein tut, darum kann alles beim Alten bleiben. […](13)

Also, der Christ folge nicht nach, aber er tröste sich der Gnade! Das ist billige Gnade als Rechtfertigung der Sünde, aber nicht als Rechtfertigung des bußfertigen Sünders, der von seiner Sünde lässt und umkehrt; nicht Vergebung der Sünde, die von der Sünde trennt. Billige Gnade ist die Gnade, die wir mit uns selbst haben. […] (14)

Teure Gnade ist das Evangelium, das immer wieder gesucht, die Gabe, um die gebeten, die Tür, an die angeklopft werden muss.

Teuer ist sie, weil sie in die Nachfolge ruft, Gnade ist sie, weil sie in die Nachfolge Jesu Christi ruft; teuer ist sie, weil sie dem Menschen das Leben kostet, Gnade ist sie, weil sie ihm so das Leben erst schenkt; teuer ist sie, weil sie die Sünde verdammt, Gnade, weil sie den Sünder rechtfertigt. […] teure Gnade ist Menschwerdung Gottes.

Teure Gnade ist […] Gnade als lebendiges Wort, Wort Gottes, das er selbst spricht, wie es ihm gefällt. Es trifft uns als gnädiger Ruf in die Nachfolge Jesu, es kommt als vergebendes Wort zu dem geängstigten Geist und dem zerschlagenen Herzen. […] (15)

Mit der Ausbreitung des Christentums und der zunehmenden Verweltlichung der Kirche ging die Erkenntnis der teuren Gnade allmählich verloren. Die Welt war christianisiert, die Gnade war Allgemeingut einer christlichen Welt geworden. […] (16)“

 

Dietrich Bonhoeffer geht im folgenden größeren Abschnitt auf Martin Luther ein und zeigt, dass sich die billige Gnade auch in eine Interpretation der Reformation Luthers einschleichen kann, wenn aus der Gnade eine Voraussetzung des christlichen Lebens wird.

 

So Bonhoeffer: „Ist aber Gnade prinzipielle Voraussetzung meines christlichen Lebens, so habe ich damit im Voraus die Rechtfertigung meiner Sünden, die ich im Leben in der Welt tue. Ich kann nun auf diese Gnade hin sündigen, die Welt ist ja im Prinzip durch Gnade gerechtfertigt. […] Die ganze Welt ist unter dieser Gnade „christlich“ geworden, das Christentum aber ist unter dieser Gnade in nie dagewesener Weise zur Welt geworden. […] (21)

Ich bin von der Nachfolge Jesu befreit – durch die billige Gnade, die der bitterste Feind der Nachfolge sein muss, die die wahre Nachfolge hassen und schmähen muss. Gnade als Voraussetzung ist billigste Gnade; Gnade als Resultat teure Gnade. […]

Das bedeutet, daß eine Erkenntnis nicht getrennt werden kann von der Existenz, in der sie gewonnen ist. Nur wer in der Nachfolge Jesu im Verzicht auf alles, was er hatte, steht darf sagen, daß er allein aus Gnaden gerecht werde. […] (22)“

 

Im Zusammenhang mit der Ideologie des Nationalsozialismus, die auch in der Kirche Gehör fand, zeigt sich das Missverständnis der billigen Gnade besonders, da Kirche sich den völkisch-ideologischen Gedanken angepasst hat. Das ist nicht eine Volkskirche als Einladung des Glaubens für alle, sondern eine Kirche derer, die sich für das Volk halten, heute wieder politisch sehr aktuell.

 

So schreibt Bonhoeffer weiter: „Ein Volk war christlich, war lutherisch geworden, aber auf Kosten der Nachfolge, zu einem allzu billigen Preis. Die billige Gnade hatte gesiegt. […] (24)

Man gab die Verkündigung und die Sakramente billig, man taufte, man konfirmierte, man absolvierte ein ganzes Volk, ungefragt und bedingungslos, man gab das Heiligtum aus menschlicher Liebe den Spöttern und Ungläubigen, man spendete Gnadenströme ohne Ende, aber der Ruf in die strenge Nachfolge Christi wurde seltener gehört. […]

Unbarmherzig ist die billige Gnade gewiss auch den meisten von uns ganz persönlich gewesen. Sie hat uns den Weg zu Christus nicht geöffnet, sondern verschlossen. […] (25)

Es konnte ja auch nicht anders kommen, als daß der betrogene schwache Mensch sich im Besitz der billigen Gnade auf einmal stark fühlte und in Wirklichkeit die Kraft zum Gehorsam, zur Nachfolge verloren hatte. […]“ (26)

 

Mit dem Titel „Nachfolge“, der hier anklingt, steht für Dietrich Bonhoeffer als ein Ergebnis des Kirchenkampfes im Dritten Reich fest, dass die Verkündigung der Kirche, nicht nur das Ja Gottes, das Ja der Gnade Christi beinhaltet, sondern auch den Anspruch und die Konsequenzen zu verkündigen sind.

Die Worte des Propheten Jeremia scheinen schon eine ähnliche Situation im Blick zu haben, auch wenn das damals eher auf die Monarchie im antiken Israel bezogen sein wird.

Aber vielleicht ist der Rückgang des Gottesdienstbesuchs in der heutigen Volkskirche auch ein wenig darauf zurückzuführen, dass die Kirche die Botschaft der billigen Gnade in den Vordergrund gestellt hat. Vielleicht wird auch bei öffentlichen Bekundungen z. B. zu ethischen Fragen zu wenig die inhaltliche Verbindung zur Bibel und zu Christus herausgestellt, sondern meist nur in Schlagwörtern demonstriert. Es klingt dann nach Besserwisserei und nicht danach, dass die Botschaft der Bibel bestimmte Anforderungen der Ethik aufgibt.

Die Botschaft der Bibel ist nicht nur der Zuspruch der Liebe und Gnade Gottes, sondern auch der Anspruch Gottes auf unser ganzes Leben. Wir sind als Einzelne und als Kirche immer wieder herausgefordert in Fragen des Alltags die Kriterien der Nachfolge zur Geltung zu bringen, uns selbst gegenüber, aber auch als Stimme in der Gesellschaft. Einfach gesagt mit einem Wort Martin Niemöllers: „Was würde Jesus dazu sagen?“

Amen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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