Predigt am Buß- und Bettag – Von guten Mächten – , Christoph Fleischer, Werl 2007

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Predigt über „Von guten Mächten…“ von Dietrich Bonhoeffer.

Liebe Gemeinde,

Heute möchte ich das Gedicht „Von guten Mächten“ in den Mittelpunkt der Predigt stellen. Es ist inzwischen ein Kirchenlied geworden. Schon von der ersten Zeile an enthält es biblische Bezüge. Die Wortwahl lehnt sich an biblische Texte besonders an die der Psalmen an. Es ist anzunehmen, dass Bonhoeffer eine Lutherbibel benutzte. Mit einer alten Bibelkonkordanz versuchte ich, den biblischen Quellen dieses Liedes auf die Spur zu kommen. (Calwer Bibelkonkordanz oder vollständiges biblisches Wortregister nach der revidierten Lutherübersetzung. Calw und Stuttgart 1893).

An einigen Stellen meine ich mit relativer Sicherheit eine plausible Deutung herstellen zu können. Besonders wenn zwei oder mehr Worte einer Strophe des Gedichts in einem bestimmten Bibeltext vorkommen, legt sich eine Anspielung nahe. Ein direktes wörtliches Zitat dagegen ist selten.
Seit dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 ging es den Gefangenen der Nazis um den Widerstandkreis immer schlechter.
Dietrich Bonhoeffer, Pfarrer und Theologe der Bekennenden Kirche, zuletzt Leiter eines Predigerseminars war seit Frühjahr 1943 in Haft.
Kurz nach seiner Verlobung mit Maria von Wedemeyer. Diese und die in Berlin wohnenden Eltern hatten Dietrich Bonhoeffer im Militärgefängnis in Berlin Tegel regelmäßig besucht. Bonhoeffer konnte in eingeschränktem Maß sogar studieren und schreiben. In dieser Zeit entstanden viele Gedichte. Die Gefängnisbriefe Bonhoeffers wurden nach dem Krieg veröffentlicht unter dem Titel „Widerstand und Ergebung“ und wurde zum Bestseller. Doch im Oktober 1944 wurde Bonhoeffer in das Reichssicherheitshauptamt an der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin Mitte verlegt. Das war praktisch ein Gestapo-Gefängnis. Er konnte zwar immer noch regelmäßig Besuch empfangen, aber die Haftbedingungen waren sehr schlecht.
Mit dem Gedicht „Von guten Mächten“ haben wir die letzte schriftliche Lebensäußerung Bonhoeffers, die die letzten Kriegstage überlebt hat. Das Gedicht richtet sich zugleich an seine Verlobte und an seine Familie zum Jahreswechsel 1944/1945. Es ist damit auf zwei Ebenen zu hören und zu verstehen. Die erste Frage ist: Woher bekommt dieses Gedicht seine Gedanken und Aussagen? Dieser Frage gehe ich nach, indem ich Worte und Wortpaar in den Psalmen aufsuche und die Botschaften der jeweiligen Psalmen auf den Text des Gedichts beziehe. Dabei zeigt sich, dass sich viele Psalmenworte auch auf die aktuelle politische Situation beziehen lassen.  Die zweite Frage ist, wie Bonhoeffer seine Beziehung zu seiner Verlobten und zu seinen Familienangehörigen beschreibt. Dabei bin ich allerdings der Meinung, dass die konkreten Aussagen zuerst für seine Verlobte gelten und dieses Gedicht dann wie eine Art Liebesgedicht zu lesen ist. Ich gehe nun die einzelnen Verse durch und beschreibe den Hintergrund der Psalmenworte und daraus zu folgernde Aussagen. Am Schluss zeigt sich dann, welche Passagen ausschließlich persönlich zu deuten sind. Diese werde ich dann darstellen woraus sich schon recht leicht eine Deutung in dem genannten Sinn eines Liebesgedichts ergibt.

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Die Sicherheit eines Vertrauens, aus der heraus sich Dietrich Bonhoeffer als behütet und getröstet empfindet, entnimmt er der Gegenwart der „guten Mächte“, die diesem Gedicht seinen Namen gegeben haben. Hier scheint nicht nur der Gegensatz von gut und böse durch zu scheinen, der auch an anderen Stellen zu erkennen ist, sondern es geht um Mächte und um Macht. Unter Mächte ist Gott zu verstehen, dessen Macht einzigartig ist (Psalm 65, 12).

Daneben gilt dieser Ausdruck aber auch für die Engel, von denen es in Psalm 91,11 heißt: „Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ Das Vertrauen drückt sich darin aus, dass sich Bonhoeffer wie der Psalmbeter versteht, der sagt, dass Gott ihn von allen Seiten behütet und seine Hand über diesen Menschen hält. (Psalm 139).

Das Wort behüten, stammt dagegen vielleicht aus dem 121. Psalm, indem es heißt: „Der Dich behütet schläft nicht. Der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.“ (Psalm 121,3).

Dass indirekt hier auf die Ereignisse um die Massenmorde gegen Juden Bezug genommen wird, kann ich mir durchaus vorstellen. Bonhoeffer drückt die Gewissheit aus, dass die Macht der Diktatoren durch Gottes Macht begrenzt ist, die sich letztlich auch darin ausdrückt, dass die Zeit in Gottes Händen ist. Die Gegenwart mag die Menschen zu Recht ängstigen und solche Angst ist real, aber die Angst wird zuletzt durch Gott überwunden (Psalm 4, 2).

Die Erfahrung der Zeit wird durch die Worte „Tage“ und „Jahr“ angesprochen, die in dieser Kombination im Psalm 90 vorkommen, der also zuletzt dem Inhalt dieses Textes seine Tiefe verleiht: „Tausend Jahre sind vor dir wie ein Tag.“ (Psalm 90,4).

Das Gewicht dieses tausendjährigen Reiches der Nationalsozialisten ist vor Gott leicht wie eine Feder. Und so gilt für die Hitler Leute: „Herr lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen.“ (Psalm 90,12) Der Sieg der Alliierten Truppen war nunmehr also nur noch eine Frage der Zeit, was die bösen Mächte nicht daran hinderte, weiter zu wüten und ihre Willkür auszuleben.

 

Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.

Damit wird an die schon im 1. Vers angedeutete Angst angeknüpft, die eine reale Furcht vor der bevorstehenden Hinrichtung gewesen sein mag. Mit dem „Noch“ drückt sich aus: Die Zeit der Gewalt ist noch nicht zu Ende und gleichzeitig: Die Zeit der Gewalt wird zu Ende gehen. Damit ist aber für die Gegenwart die reale Wirkung der Angst dennoch präsent. Das wird auch durch den Ausdruck der Qual des Herzens noch unterstrichen. Bonhoeffer sagt ganz real: „Wie lange soll ich mich ängsten in meinem Herzen täglich?“ (Psalm 13,3).

Das Wort Herz kommt in den Psalmen sehr häufig vor, die Konkordanz hat an dieser Stelle fast 100 Nennungen. Passend zu sein scheint mir auch der 22. Psalm, den ja auch Jesus am Kreuz gesprochen hat, in dem der Psalmbeter ausdrückt, dass sein Herz in Angst zerfließt. Selbstverständlich ist mit der Beschreibung dieser Angst der Wunsch verbunden, die Macht der bösen Leute solle aufhören (Psalm 43, 1).

Die Bitte um das Heil, mit dem dieser Vers schließt, findet sich fast wörtlich identisch im Psalm 119: „Meine Seele verlangt nach deinem Heil.“ (Psalm 119, 81).

Interessant ist noch die Frage, wo denn der Ausdruck „böser Tage“ herkommt, der so aktuell erscheint. Diese Formulierung verbindet die Ebene der Religion mit der Gegenwart nationalsozialistischer Diktatur. Damit ist hier zugleich ein weiteres Vertrauensbekenntnis gemeint, denn im Psalm 49 heißt es: „Warum sollte ich mich fürchten in bösen Tagen?“ (Psalm 49, 6).

 

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.

Wer sich in die Hand Gottes begibt, mag sich dem Tod übergeben, so will es eine Redewendung in der deutschen Sprache wissen. Im Zusammenhang der Psalmen ist die Hand Gottes ein Vertrauensinhalt. So heißt es im 31. Psalm: „In deine Hände befehle ich meinen Geist.“ (Psalm 31,6).

Doch auch dieses Psalmwort wird von Jesus am Kreuz gesprochen (siehe: Lukas 23,46). Damit ist mit der Nennung eines Kelchs klar auf die Passionsgeschichte angespielt. Der Kelch des Leids liegt in zwei Varianten vor, der des Widerstands, in dem es später heißt, „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.“ Anders ist die Variante des Kelchwortes bei Johannes, und nur diese scheint im Gedicht Bonhoeffers gemeint: „Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat.“ (Johannes 18, 11).

Angeredet ist nämlich der schon im zweiten Vers genannte Herr. Von 2b an bis Strophe 5 ist dieser „Herr“ wieder angeredet. Die Anrede meint Gott im Angesicht Jesu Christi. Mit dem Bezug zur Leidensgeschichte besteht m. E. hier eine klare Parallelität: Es kann sein, dass man bis zum Tod für den Glauben einstehen muss. Dass hinter diesem gewaltsamen Tod noch die Allmacht Gottes stehen mag, ist das unvermeidliche Rätsel dieser Religion. Es ist die Macht, die im gewaltsamen Sterben der Glaubenden seine Grenzen findet und dennoch nicht machtlos ist. So heißt es in Psalm 75: „Der Herr hat einen Becher in der Hand und mit starkem Wein voll eingeschenkt.“ (Psalm 75,9). Da Bonhoeffer die Willkür der Machthaber kannte, hat er täglich mit seiner Hinrichtung gerechnet.

 

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.

Mit dem Stichwort Freude spielt Bonhoeffer auf die Freude an, die den Tränen folgt, wobei hier vielleicht ausgedrückt, dass die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen möge über diesem deutschen Land. Die Macht des Bösen wird der Vergangenheit angehören: „Ihr Trotz muss vergehen.. in der Hölle müssen sie bleiben.“ (Psalm 49, 16).

In der Sprache des Krieges ist die Hölle die tötende Gewalt der Waffen. Das heißt, Bonhoeffer drückt hier den Wunsch aus, die Nationalsozialisten mögen an ihrem eigenen Krieg zugrunde gehen. Das heißt aber auch, dass sich damit die Hoffnung verbindet, das Leben der Glaubenden könne diese gegenwärtige Hölle überstehen. Der Glaube sagt: Gott hat mich angenommen. Hier ist tatsächlich vom Glanz der Welt und nicht dem religiös formulierten Glanz einer irgendwie gestalteten Herrlichkeit die Rede. Im Hier und Jetzt bewährt sich der Glaube und hier wird das Leben gelebt. Die Zeit der Tränen wird einmal vorbei sein, „Alles hat seine Zeit“. Im Psalm 126 heißt es in einer Sicht auf die Zukunft ebenfalls ganz real: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“ (Psalm 126, 5).

 

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

Finsternis und Dunkelheit sind Bilder der schon in den Strophen 1 und 2 genannten Ängste. In Psalm 107 wird beschrieben, wie Menschen aus diesen Ängsten befreit werden und Gott dafür danken: „Die da sitzen mussten in Finsternis und Dunkel gefangen in Zwang und Eisen…, die zum Herrn riefen in ihrer Not, und er half ihnen aus ihren Ängsten und führte sie aus Finsternis und Dunkel…“ (Psalm 107, aus den Versen 10-16).

Dies kann man als reale Befreiung auffassen, oder aber als die Befreiung aus der Angst durch das Vertrauen auf Gottes Gegenwart, wie sie sich in den Strophen zuvor ausdrückte. Der christliche Glaube schenkt eine Kraft, die gegen den Augenschein der Wirklichkeit aus der Hoffnung schöpft. Das hat zwei Grundbedeutungen: Gottes Licht setzt sich gegen die Finsternis durch, so wie der Morgenstern schon den kommenden Tag ankündigt. Schon eine Kerze mag genügen, um dieses Licht anzukündigen. Eine Kerze in einer kleinen Zelle eines Gestapogefängnisses. Die zweite Bedeutung liegt darin, dass die Finsternis nicht ohne Gott ist. Darauf spielt der 139. Psalm an: „Denn auch Finsternis nicht finster ist bei dir, und die Nacht leuchtet wie der Tag.“ (Psalm 139, 12).

Dieses Licht ist quasi äußerlich unsichtbar, ist also eine innere Wahrheit, das Licht der Hoffnung eines Gefangenen zum Beispiel. „Finsternis ist wie das Licht.“ (Psalm 139, 12).

 

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.

Nachdem es gerade um die Erfahrungswelt des Sehens ging, wendet sich der Autor nun dem Hören zu und meditiert die Stille. Und es werden Gegensätze gebildet. Die Stille hier, der Klang der Welt draußen. Indem in der Stille einer Zelle der Klang der Welt präsent ist, wird deutlich, dass sich der Gefangene nicht beherrschen lässt von seiner Isolation. Und Stille ist ja nicht zuletzt auch eine religiöse Erfahrung, auch wenn sie aufgezwungen erscheint und wird hier zum Symbol der Rettung: „Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.“ (Psalm 62,2).

Der aufgezwungene Nationalismus wird hier durch einen grenzenlosen Internationalismus ersetzt, da sich die Welt um uns herum weitet. Der Lobgesang kann gedacht werden als der stets gegenwärtige Gesang derer, die aus unserem Globus Gott anbeten und feiern, wobei gleichzeitig auch der Lobgesang der himmlischen Mächte gemeint ist, der von der Weihnachtsgeschichte her bekannt ist. Was wäre wohl in dieser Situation wichtiger gewesen als dieses anzustimmen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ (Lukas 2, 13).

Sollte das Schicksal des Gefangenen nun durch das Eingreifen der himmlischen Heerscharen noch gerettet werden, und sollten dies gar die herannahenden Truppen der Alliierten gewesen sein? Wenn man sich vorstellt, dass sich Bonhoeffers Haft in Berlin seit 1943 unter der Musik der ständig hereinkommenden Bomber abspielte, dann wird der Klang, den er hier beschreibt zum Lärm, der aber zugleich Musik in seinen Ohren sein mag, auch wenn jeder Volltreffer den Tod genauso bringen konnte. Die Gewissheit dieser Strophe und zugleich die Zuversicht liegen in der Gegenwart der Welt. Das ist die Weihnachtsbotschaft im Psalmwort ausgedrückt: „Aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.“ (Psalm 98, 3).

 

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Die letzte Strophe ist der ersten sehr ähnlich, da sie wiederum mit den Worten beginnt „Von guten Mächten…“. Wie schon in der ersten Strophe ist nun die Zeit das Thema. Nicht alle Zeit, sondern jeder einzelne Tag mit seinem Morgen und seinem Abend sind ein Geschenk Gottes. Daher endet diese Strophe mit dem Ausdruck: „..an jedem neuen Tag.“ Es ist ein ganzer Abschnitt aus einem Psalm, der hier die Vorlage gewesen sein mag, Psalm 65, besonders die Passagen: „Erhöre uns nach der wunderbaren Gerechtigkeit, Gott unser Heil, der du bist Zuversicht aller auf Erden…, dass sich entsetzen, die an den Enden wohnen von den Zeichen; du machst fröhlich was da webet gegen Morgen und gegen Abend.“ (Psalm 65, 6 und 9).

Damit wird jeder gelebte Tag zu einem wunderbaren Geschenk Gottes. Die Freude am Morgen und am Abend wird alle Welt umfassen. Das Leiden der Welt wird ein Ende haben. Was auch geschieht: Gott führt seine Heiligen und erhört ihre Gebete: „Erkennet doch, dass der Herr seine Heiligen wunderbar führt; der Herr hört, wenn ich ihn anrufe.“ (Psalm 4, 4).

Das Gefühl der Zuversicht bekommt das letzte Wort. Gott tröstet die Seele. Das ist das Heil der Gegenwart.

Normalerweise reicht diese Auslegung aus, zumindest in religiöser Hinsicht. Doch wenn man darauf achtet, wie Dietrich Bonhoeffer mit den Worten „Ich“, „Du“, „Wir“ umgeht, dann muss man von der ersten Strophe an feststellen, dass hier auch noch Elemente eines Briefes enthalten sind, mit denen seine Verlobte und seine Eltern persönlich angesprochen sind. Das Du wird von der zweiten Strophe an zwar auch zur Anrede Gottes in der Gestalt eines Gebets, das aber mit der 6. Strophe endet und dort wieder zurückgeht in die dritte Person, die von „Gott“ redet als „den guten Mächten“. Überschießend bleiben also folgende Aussagen:
1. So will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr …
2. ..unsre Herzen … drückt (uns) böser Tage schwere Last …
3. Und reichst du uns den … Kelch, so nehmen wir ihn …
4. Willst du uns noch einmal Freude schenken, dann wolln wir des Vergangenen gedenken…
5. führ wenn es sein kann wieder uns zusammen…
6. Wenn sich die Stille um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt…
7. Erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns.
Die Unterscheidung von persönlichen und allgemeinen Aussagen ist nicht immer möglich, dass es auch persönliche Aussagen gibt, die eine allgemeine Bedeutung haben und umgekehrt. Die persönlichen Botschaften  sind  zum Teil  mit den allgemeinen Aussagen identisch, soweit sie das Vertrauen auf die guten Mächte Gottes bestärken. Darüber hinaus kann der persönliche Anteil als Liebesbrief gedeutet werden und ist sicherlich auch so gemeint. Das gilt besonders für das „mit euch leben“ der ersten Strophe und das „führ uns wieder zusammen“ der fünften Strophe. „Gott ist bei uns“, heißt in diesem Zusammenhang: Die Liebe ist  stärker als der Tod.

 

Zusammenfassung und Schluss:

Die letzte Beobachtung zeigt, dass das glaubende Vertrauen auf Gott, also die religiöse Gewissheit in diesem Gedicht verbunden ist, mit den Aussagen, die sich auf eine konkrete Beziehung zur Verlobten und zu den Eltern beziehen lassen. Nun könnte man meinen, dass es dadurch ja eher eine private Äußerung ist, die gar nicht in die Öffentlichkeit gehört. In dem Buch „Widerstand und Ergebung“ sind ja auch sonst viele persönliche Briefe veröffentlicht. Im Zusammenhang dieses Gedichts findet man darin eher seine Stärke. Der Glaubensbezug gehört in den Zusammenhang eines gelebten Lebens. Jeder, der diese Zeilen liest, nach spricht, betet oder singt, stellt sie damit in den Zusammenhang seines eigenen Lebens, auch wenn er seinen Text dann etwas anders schreiben müsste. Der Glaube ist konkret zu erfahren. Die Worte der Bibel finden in einem bestimmten Leben seine Gestalt. Das heißt:

Die Zeit ist eine Gabe Gottes. Das Leben ist unverfügbar. Jeder Tag ist ein Wagnis und ein Geschenk. Der Glaube gibt die Kraft, beides aktiv zu erleben und zu erfahren, bis an die Grenze zur Verzweiflung. Der Weg des Todes steht jedem Menschen bevor und auch er gehört bis zum letzten Atemzug zu diesem gelebten Leben. Wir Menschen sind einzelne Individuen, aber wir sind dabei nicht allein und sollen auch nicht einsam sein. Gott ist bei uns.

Amen.

Quelle: Dietrich Bonhoeffer. Widerstand und Ergebung. Bonhoeffer Werke Band 8, Taschenbuchausgabe 2011, S. 607

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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