Franz Rosenzweig, aktueller denn je, Rezension, Christoph Fleischer, Welver 2019

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Rosenzweig Jahrbuch/ Rosenzweig Yearbook 11, Das „Und“ im Werk Franz Rosenzweigs, Konflikte und Begegnungen zwischen Glaubensrichtungen, Kulturen, Klassen und Nationen / The „And“ in Franz Rosenzweig´s Work, Clashes and Encounters between Faiths, Cultures, Classes and Nations, Herausgegeben unter Mitarbeit eines Redaktionsbeirats/ Editorial Boards von Matthew Handelman (USA), Ephraim Meir (Israel) und Christian Wiese (Deutschland), Verlag Karl Alber, Freiburg/ München 2018, Softcover, 302 Seiten, ISBN 978-3-495-46411-3, Preis: 49,00 Euro (gebundene Ausgabe)

Dem Werk Franz Rosenzweigs (1886 – 1929) ist zur Zeit eine furiose Aufmerksamkeit gegeben, von der die internationale Arbeit der Franz-Rosenzweig-Gesellschaft zeugt, die seit 22 Jahren alle zwei Jahre eine Tagung in einer europäischen Universitätsstadt veranstaltet. Der Aufsatzband dokumentiert 14 von über 90 Vorträgen (sechs auf Deutsch, acht auf Englisch) der viertägigen Tagung in Rom im Februar 2017.

Neben den Vorträgen enthält das Jahrbuch einen Tagungsbericht, Rezensionen und Ankündigungen von Neuerscheinungen.

Da der Tagungsbericht einen eindrücklichen Rückblick auf die Tagung bietet, ist er zugleich eine Zusammenfassung des Jahrbuches als Berichtsband. Es sollen daher im Folgenden einige Eindrücke aus diesem Bericht weitergegeben werden.

Um zu verstehen, was es mit dem „Und“ im Tagungsthema auf sich hat, sollten Leserinnen und Leser den ausführlichen Tagungstitel zur Kenntnis nehmen, so wie er im Bericht notiert wurde: „Die Konjunktion Und in Franz Rosenzweigs Werk: Ich und der Andere, Philosophie und Theologie, Zeit und Erlösung, Judentum und Christentum.“ (Kursiv im Original, S. 277)

Dieser Titel nennt „Und“ fünfmal. Frank Hahn berichtet, dass unter dem Aspekt des „Und“ auch die Zusammenarbeit der beiden Universitäten zu sehen ist, die den Tagungsort bildeten, eine staatliche und eine kirchliche.

Geleitet wurde die Tagung von Irene Kajon, Professorin für Moraltheologie an der Sapienza Universität. Sie wurde in Rom in den Vorstand der Internationalen Rosenzweig Gesellschaft gewählt.

„Der Ort selbst trug das seinige zur Entfaltung der Gespräche über Rosenzweig und das Und bei: inmitten eines Parks voller Orangenbäume – unweit der berühmten Villa Massimo – leuchtet verwaschen die rost–orangene Patina der Villa Marifiori, in der die Philosophische Fakultät der Universität La Sapienza residiert.“ (S. 283f)

Der „Treppenhaus-Tourismus“ im Wechsel zwischen den vier Sprachen der Tagung verdeutlicht, so Frank Hahn, die Präsenz des Und: „Hatte man gerade vom Und zwischen Einheit und Pluralität gehört, geriet man im nächsten Raum in den Strudel des Und zwischen Frage und Antwort – Vernunft und Glauben, Ja und Nein, Wissenschaft und Spiritualität, Rationalismus und Irrationalismus, Jude und Christ und … der Gestalten des Und schien kein Ende […]“ (S. 284)

Und wo vom „Und“ die Rede ist, muss auch vom „Zwischen“ gesprochen werden: „So beschäftigten sich einzelne Beiträge mit Fragen wie ‚zwischen Chaos und Einheit‘, ‚zwischen Wissenschaft und Glauben‘ – und nicht zuletzt leuchtete immer wieder das große Thema ‚Zwischen den Religionen‘ auf.“ (S. 285) Impulsgeber ist immer wieder Franz Rosenzweig, der selbst das „Und“ als Anfang sah, „als Erneuerung der Schöpfung, […] als Schaffung eines leeren Raumszum Lernen, als je neuen Anfangdes inneren Selbst.“ (S. 287). Rosenzweigs Gedanken wirken manchmal eher theologisch als philosophisch oder, besser gesagt, immer auch in beide(n) Richtungen.

Wie könnte es also anders sein, als dass, wie bei Luca Bertolino, Rosenzweig als „Vordenker der Differenz und der Post-Moderne – bis hin zu Deleuze und Derrida – zu lesen …“ ist (S. 291).

Zum Schluss des Berichts ist von einer Ausstellung über „Das kleine Wörtchen ‚Und‘“  die Rede, die Renate Schindler aus ihrem Ethik- und Philosophieunterricht in Berlin mitgebracht und im Tagungsbereich aufgebaut hat.

Und nachdem von soviel „Und“ die Rede war, ist es wohl auch berechtigt wie Frank Hahn es im Schlusssatz des Berichts ausdrückt, vor einer Überfrachtung der Konjunktion „Und“ zu warnen wie vor einem Abdriften ins Banale, wenn es z. B. heißt: „Wir sind Lehrer und Schüler zugleich.“ Wie wahr! (S. 292, Wertung des Rezensenten).

Die weitere Lektüre des Berichtsbandes bleibt jetzt außen vor, soweit sie nicht schon vom Bericht angedeutet wurde. Stellvertretend soll die Namensauswahl des Aufsatzbandes genannt werden: Gianluca Attademo (Italien), Cass Fisher (USA), Martin Fricke (Deutschland), Robert Gibbs (Kanada), Eveline Goodman-Thau (Israel), Frank Hahn (Deutschland), Brigitta Keinzel (Italien), Stanislaw Krajewski (Polen), Andreas Losch (Schweiz), Ephraim Meir (Israel), Gesine Palmer (Deutschland), Takashi Sato (Japan), Wolfdietrich Schmied-Kowarzik (Österreich), Michaela Will (Deutschland), Philipp von Wussow (Deutschland).

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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