Burnoutvorsorge, Rezension von Konrad Schrieder, Hamm 2019

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Zu: Heike Schneidereit-Mauth: Burnoutvorsorge ist Chefsache. Gesunde Führung als Leitungsaufgabe in Kirche und Diakonie, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2019, 217 S., ISBN 978-3-7615-6613-8, € 30,00.

Salutogenese ist ein Feld, das im kirchlichen Bereich im Zuge von Fusionen, Umstrukturierungen und Pfarrbilddiskussionen immer mehr in den Blickpunkt gerückt ist. Erwartungshaltungen haben sich verändert, Gestaltungsräume werden größer, Pfarrerinnen und Pfarrer beginnen weniger zu werden. Einfach additiv zu arbeiten ist unmöglich geworden, es müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Auch der Bereich der Diakonie bleibt von diesen Entwicklungen nicht verschont. Immer mehr sind Mitarbeitende darauf angewiesen, für sich selbst zu sorgen, wenn sie sich mit ihrer vollen Arbeitskraft einbringen und erhalten wollen.

Heike Schneidereit-Mauth, Klinikpfarrerin, Mitglied des KSV Düsseldorf, Gestalttherapeutin und Supervisorin beleuchtet in ihrem Buch die Verantwortung des Arbeitgebers in Kirche und Diakonie für seine Mitarbeiter.

Dabei entfaltet sie die These, dass Burnout im Unterschied zu Depressionen (80-83) vermeidbar ist und dass gute Führung nur gelingen kann, wenn sie um den Zusammenhang von Führung und Gesundheit weiß, wenn sie für ihre eigene Gesundheit sorgt und darin Vorbild für die Mitarbeitenden ist. Kritisch merkt die Autorin an, dass dieses Bewusstsein noch nicht in den Chefetagen angekommen ist, was sie mit etlichen Beispielen belegt. Gleichzeitig bietet sie Ansätze aus der Praxis, wie Fürsorge gelingen kann. Ressourcenentwicklung vollzieht sich aus den fünf Säulen der Identität: Leiblichkeit, Soziales Netzwerk, Arbeit und Leistung, Materielle Sicherheit und Werte und Sinn (41). Alle fünf Bereiche sind bedeutsam für eine ausgeglichene psychosomatische Befindlichkeit und müssen im Gleichgewicht gehalten werden. Wertschätzung, Achtsamkeit und sogar Fröhlichkeit (153) sind darüber hinaus die Grundlagen, damit Lust und Freude an der Arbeit erhalten bleiben (206). Regelmäßige Mitarbeitendengespräche mit Zielvereinbarungen, in denen auch Wünsche und Befindlichkeiten ausgesprochen werden können, sollten selbstverständlich sein. Ziele sollen nach den „SMART“-Regel spezifisch, messbar, anspruchsvoll, realistisch und terminiert formuliert werden (164 f.). Und nicht zuletzt: Für die Teilnahme an einer Fortbildung sollte sich niemand rechtfertigen müssen, sondern umgekehrt sollten Presbyterien und Superintendenten darauf achten, dass diese regelmäßig wahrgenommen werden können. Führungskräfte sollen in der Lage sein, Projektionen und ihren Einfluss auf die Gefühlswelt (141) zu erkennen, empathisch auf Katastrophen, Missverständnisse und Beziehungsabbrüche in Biographien zu reagieren im Sinne von Josua 1,9 Mut zuzusprechen und dadurch Räume zur Krisenbewältigung zu eröffnen (174).

Kurz: Es gehört zu den Leitungsaufgaben in Kirche und Diakonie, mit einer resilienten Lebenshaltung die Resilienz der Mitarbeitenden zu stärken, Vertrauen zu wecken und ein von positiver Haltung getragenes Netzwerk zu fördern, in dem sich der einzelne getragen weiß. Dass dies individuell zu geschehen hat, hängt damit zusammen, dass es unterschiedliche Typen von Mitarbeitenden gibt wie den Arbeitstypus der Marta, der fachliche Qualifikation ermöglicht werden muss, um sich zu entfalten, dem Mirjam-Typus, der in seinem sozialen Netzwerk Anerkennung findet, dem Mose-Typ, der in seiner Eigenverantwortung gefördert werden muss und dem Knecht, der das anvertraute Pfund vergräbt, der zur Entwicklung angeleitet werden soll oder von dem man sich schließlich trennen muss (159). Dem entspricht ein eher kooperativ-unterstützender oder vorbildhaft transformationaler, keinesfalls aber ein autoritärer oder gar ein destruktiver Führungsstil.

Checklisten zur Selbstkontrolle ergänzen die Darstellungen innerhalb der Texte. Zum Schluss formuliert die Autorin acht Thesen, in denen Strukturen benannt werden, die gesundes Arbeiten fördern. Salutogenese wird demnach als Führungsziel und damit als ein kirchenpolitisches Ziel definiert und angemahnt (200).

Mit ihrem Buch hat Heike Schneidereit-Mauth ein Buch aus der Praxis für die Praxis verfasst, dem ein reichhaltiger und vielseitiger Erfahrungsschatz zugrundeliegt und über den Bereich der Praktischen Theologie hinausweist. In ihrer Eigenschaft als Klinikseelsorgerin und Mitglied des KSV ist sie Teil des Systems, das sie kritisch untersucht. Das mag man bemängeln. Dennoch sind ihre Schlussfolgerungen sehr weitreichend, mahnen sie doch die Veränderung einer Führungs- und Mitarbeiterkultur an, die mit der Schaffung und dem Ausbau von Strukturen einhergeht. Es bleibt zu hoffen, dass hier nicht nur Wünsche formuliert worden sind, sondern Impulse in das kirchliche Leitungshandeln Eingang finden, die dazu beitragen, dass Resignation vermieden und ressourcenorientiertes Denken und Resilienz gefördert wird und dass eine fröhliche Grundhaltung zum festen Bestandteil der Arbeitskultur wird.

 

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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