Philosophen auf der Spur, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2019

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Hartmut Sommer: Der philosophische Reiseführer, Auf den Spuren grosser Denker, Orte, Bilder, Gedanken, Marix Verlag, Wiesbaden 2018, Softcover, 372 Seiten, ISBN: 978-3-7374-1103-5, Preis: 24,90 Euro

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Die vielen hundert Kilometer, die Hartmut Sommer auf der Recherche dieses Buches zurückgelegt hat, bleiben ungezählt.

Sicherlich wird dieses Buch ein guter Reiseführer sein, denn die Orte, an denen sich beispielsweise Thomas von Aquin, Meister Eckhart, Comenius und Spinoza, Immanuel Kant und Gottfried Herder, Schopenhauer, Nietzsche, Heidegger, Edith Stein, Martin Buber und Hans Jonas aufhielten und lebten, wird man nicht alle aufzählen können.

Ich empfinde das Buch trotz seiner praktischen Reiseempfehlungen und seinem Haupttitel „Der philosophischer Reiseführer“ eher als eine Einführung in die Erinnerung an Philosophen aus der Perspektive ihrer Wirkungsstätten. Und allein diese Perspektive, die Bodenhaftung und der Ortsbezug machen den ungeheuren Reiz der Einführung in das philosophische Denken aus. Das zeigt nicht nur, dass die Denkerinnen und Denker lebendige Menschen waren, sondern auch, dass ihre zeitweise auch wechselnden Lebensumstände keinesfalls nur nebensächliche Begleiterscheinungen waren.

Exemplarisch soll dies am Kapitel über Friedrich Nietzsche gezeigt werden:

Mich erstaunt sofort das Foto am Beginn dieses Abschnitts, das einen Bergsee am Fuße eines Hochgebirges zeigt. Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) musste sich aus gesundheitlichen Gründen ins abgeschiedene Hochgebirge zurückziehen und fand dort gleichzeitig die Mitte Europas.

Erst in dieser unbarmherzigen Einsamkeit, zeitweise begleitet durch seinen Mitarbeiter Peter Gast, wird der Zarathustra Nietzsches das Licht der Welt erblicken.

Doch auch andere Orte seines Wirkens werden angesprochen, wie Luzern, wo der junge Nietzsche zeitweise Richard Wagner besuchte oder das Geburtshaus in Röcken.

1870 wurde der in Basel tätige Philologe im Kriegseinsatz verwundet und infiziert. Auf der Suche nach einer für seine Gesundheit geeignete Pension wurde Nietzsche über St. Moritz auf das Engadin aufmerksam und das Dorf Sils-Maria, wo es gleichwohl schon damals einen bescheidenen Fremdenverkehr gab. Gegenüber der Pension lag ein Hotel, in dem Nietzsche seine Mahlzeiten einzunehmen pflegte.

Und so zeigt sich Nietzsches Unterkunft heute den Besuchern: „Das Zimmer Nietzsches ist heute Herzstück des Museums … In den unteren Räumen ist eine Ausstellung zu besichtigen mit Briefen, Fotos, Manuskripten und Lebensdokumenten. Die ‚Professorenstube‘ zeigt Möbel aus Nietzsches Baseler Wohnung.“ (244)

Die kurze Biografie im philosophischen Reiseführer geht gleichwohl immer wieder auf die Schriften Nietzsches in chronologischer Abfolge ein. Immer wieder kommt der Autor zurück auf den roten Faden seiner biografischen Skizze. Werktitel und die Orte seines Lebenslaufs treten in Beziehung zueinander.

Im Fall des „Zarathustra“ versucht Hartmut Sommer so etwas wie eine Lokalisierung. Welche Landschaft passt zu diesem archaisch auftretenden Propheten, der aus dem Hochgebirge zu den Menschen kommt?

Am Silsersee in Sils-Maria gibt es eine Halbinsel auf der sich Nietzsche gern aufhielt: „Immer wieder führt der Pfad auf hoch über dem See gelegene Felsvorsprünge und gibt den Blick frei auf kleine Inseln, auf den Fexgletscher und die ragenden grauen Felsmassen der ragenden grauen Felsmassen der Bergflanken.“ (247)

Zum Schluss verlässt der Autor erneut die Sachebene des Reiseführers und kommt zur Einführung in Nietzsches Philosophie zurück. Die Wirkungen und Grenzen seiner Philosophie werden aufgezeigt. Sommer erwähnt gegen Ende Auschwitz und das Schicksal Maximilian Kolbes, der stellvertretend für einen Familienvater in den Tod ging. Nietzsche hingegen hatte das christliche Mitleid als unaufrichtig empfunden, wobei er mit der ‚ungesunden Modernität‘ brechen wollte. So wird bei allem Interesse und trotz aller Authentizität ebenso die zeitliche und eventuell auch inhaltliche Distanz bewusst.

Eine kurze Reiseempfehlung, praktische Hinweise und Literaturtipps runden den Abschnitt ab.

Er ist wie das gesamte Buch mit einfachem Fotodruck ansprechend bebildert und bringt die Literatur der Philosophen mit ihren Wirkungsstätten in Beziehung.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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