Es ist vollbracht – Predigtreihe Passionspredigten Herzogenrath

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Predigt über: Die sieben Worte Jesu am Kreuz:

„Es ist vollbracht“ Joh. 19,30

28.März 2020 18 Uhr

von  Britta Schwering

Der Gottesdienst auf youtube: https://youtu.be/orWci7A52rk

„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus“(1.Kor.1,3)

 

Liebe Gemeinde!

 

(Evangelium:  Joh. 19,28- 30 :

28 Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet.

29 Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund.

30 Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.)

 

„Es ist vollbracht“.   Deutlich ausgesprochen, eventuell nur gehaucht.

Dann kommt das Ende. Jesus neigt das Haupt und stirbt. Ein langer qualvoller Tod ist dieses Sterben am Kreuz. Ein unglaublich großes Unrecht ist geschehen, denn Jesus wird verurteilt, obwohl er unschuldig ist.

 

3 Worte. Kurz, knapp, prägnant.

 

„Was willst Du denn darüber predigen?“ fragt mich meine Tochter.

Auch ich denke über diese Worte nach, und frage mich: Was sie bedeuten?

Und nähere mich, indem ich überlege, was Jesus nicht gesagt hat.

Anfang der Arie spielen (Guiomar)

 „Ich habe es vollbracht.“

 

Nein, das sagt Jesus nicht. Nicht er hat gehandelt, nicht er hat es vollbracht. Er spielt sich nicht in den Vordergrund. Er hat sich in Gottes Hand gegeben. Er geht den Weg der Wahrheit und dadurch folgt er der Schrift, erfüllt seine Bestimmung. Er lässt sich ans Kreuz schlagen, um zu sterben. Aber er hat es nicht vollbracht.  In der Lesung haben wir zweimal diese 3 Worte gehört. In Vers 28  „danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war…“. Und gleich darauf in Vers 30 „ Jesus sprach: Es ist vollbracht.“ Gewiss kein Zufall, sondern Absicht um den Worten Gewicht zu verleihen.

Anfang der Arie spielen (Guiomar)

„Ich habe es geschafft.“

 

Auch das sagt Jesus nicht. Etwas geschafft haben, das heißt nicht gleich es zu Ende zu bringen. Das Wort geschafft hat nicht diese Endgültigkeit. Schaffe ich etwas, dann kann es auch ein Abschnitt sein. Ich schaffe 5 km zu Laufen, ich schaffe es eine Sprache zu erlernen. Ich schaffe es gelassen zu bleiben. Ist etwas geschafft, bleibt ein positives Gefühl, eine Leistung wurde erbracht, aber ich baue darauf auf, es geht weiter, quasi ein Etappenziel.

Anfang der Arie spielen (Guiomar)

 

„Es ist zu Ende.“ 

Nein, auch das sagt Jesus nicht. Ist etwas vollbracht, so ist es natürlich zu Ende, aber vieles kann zu Ende gehen. Die Kindergartenzeit, die Schulzeit, ein Kinofilm. Zu Ende sein: das ist nicht stark genug. Es ist vollbracht, das ist der großer Wurf, eine gigantische Anstrengung, etwas was man nur einmal im Leben bewerkstelligen kann und wird.

Worte waren dem Evangelisten Johannes wichtig. Seine Worte sind uns überliefert und werden auch heute noch immer wieder gelesen. Worte sind auch für uns wichtig. Das gesprochene Wort hat einen großen Stellenwert in unserer Zeit, da es unseren Verstand anspricht. Die Musik hingegen spricht unsere Gefühle an. Deswegen gehört Musik in unsere Gottesdienste und bereichert sie. Die Worte „Es ist vollbracht“, sind oft vertont worden.  Ich habe lange in einer Kantorei gesungen. Und gleich zu Beginn, als ich über die Worte, die mich immer wieder aufs Neue stark bewegen, nachgedacht habe, hatte ich diese wunderbare Arie aus der Johannespassion von Bach im Ohr.

Bachs Johannespassion folgt klaren Regeln.

In den Rezitativen kommt der Evangelist zu Wort und singt erzählend den Bibeltext, hier also das Johannesevangelium.

Auch in den Chören – Chorus genannt – wird der Bibeltexte vertont.  Oft kommt das Volk, von damals zu Wort: mit Kreuzige oder Lasset uns den nicht zerteilen. Die Gemeinde von heute, wobei es natürlich die christliche Gemeinde zu Bachs Zeit ist, kommt seltener vor dafür aber an prominenter Stelle: zum Beispiel im Eingangs-  oder Schlusschor.

Die Choräle der Bach-Passionen drücken immer die Empfindungen der christlichen Gemeinde aus. Die Melodien sind z.T. alte Kirchenlieder, zum Teil sind die Choräle noch in unserem Gesangbuch zu finden.

 

Arien kommentieren den Bibeltext und legen ihn aus, wie eine kleine Predigt.

 

Ich lese den Text der Alt-Aria kurz vor:

Es ist vollbracht.

O Trost vor die gekränkten Seelen.

Es ist vollbracht.

Die Trauernacht lässt nun die letzte Stunde zählen.

Der Held aus Juda siegt mit Macht und schließt den Kampf.

Es ist vollbracht.

Genug der Worte, ich möchte ihnen die Arie vor spielen. Ich habe einen der vielen YouTube-Beiträge ausgewählt. Wir hören die Altistin Kirstin Mulders.

 

abspielen YouTube : https://www.youtube.com/playlist?list=RDh3b-cPfUwbM&feature=share&playnext=1

 

Musik kann Emotionen auslösen, viel besser als das gesprochene Wort es kann. Für mich ist die Vertonung wunderbar gelungen. Zwei Gefühle empfinde ich  besonders stark. Beide schwingen auch in den Worten „Es ist vollbracht“  mit.

Ganz stark ist das Gefühl der Trauer:

Welche Qual am Kreuz. Welche Ungerechtigkeit. Unschuldig wird Jesus ans Kreuz genagelt und stirbt. Einen anderen Weg,  einen Ausweg, den gibt es nicht.  Keiner erbarmt sich. Es findet kein Umdenken statt. Einmal ans Kreuz geschlagen, gibt es kein zurück. Hilflos müssen Freunde und Verwandte zu sehen. Nicht viele stehen Jesus in den schweren Stunden bei, indem sie einfach da sind, dort an der Schädelstätte.  Die Trauer über das Geschehene, den Verlust, ist groß und übermächtig. Jesus stirbt, die Schrift erfüllt sich, ein Leben geht zu ende. Auch mich ergreift diese Traurigkeit. Immer wieder aufs Neue bin ich sprachlos darüber, dass Jesus sterben musste – dass er so sterben musste.  Und immer wieder aufs  Neue bin ich fassungslos, dass Menschen genau das gewollt haben. Dass Menschen nicht erkennen konnten, dass Jesus der Christus ist und sich schuldig gemacht haben an seinem Tod.  Der Tod kommt für Jesus als Erlösung. Sein kurzes Leben geht zu Ende. In der Passionszeit gehen wir den Leidensweg mit Christus.

 

Ja:  Es ist vollbracht.

 

Das zweite Gefühl ist die Freude.

 

Die Schrift erfüllt sich. Die Sünden werden vergeben, weil Jesus alle Süden auf sich geladen hat. Was für ein Geschenk. Das Lamm Gottes wird geopfert für alle Menschen auch für uns. Gott leidet durch seinen Sohn mit uns und nimmt sich unserer an. Dafür können wir dankbar sein. Jesus ist heldenhaft den prophezeiten Weg, bis zum Tod und darüber hinaus, gegangen. Er hat sich der Herausforderung gestellt. Mutig, zuversichtlich und voller Gottvertrauen. Was für ein Glück für uns Christinnen und Christen. Der Kampf und die Zweifel sind ein für alle Mal ausgefochten.  Gott liebt uns Menschen und vergibt uns unsere Schuld und schenkt uns das ewige Leben. Mit diesem Wissen ergreift mich das Gefühl der Freude.

 

Ja: Es ist vollbracht.

 

Trauer und Freude.  Passionszeit und Ostern. Beides bestimmt unser Leben.

Die Trauer darf sein, damals sowie heute. Aber die Freude und Dankbarkeit  wird die Trauer überwinden. Denn als Christinnen und Christen, glauben wir an ein Leben nach dem Tod. Das ewige Leben, ist uns nicht nur verheißen, es ist uns gewiss. Damals, heute und in der Zukunft.

Ja: Es ist vollbracht.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

 Amen

Dr. Britta Schwering, Prädikantin, Dr. der  Physik, Vorsitzende des Presbyteriums der Evangelischen Lydia-Gemeinde Herzogenrath.

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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