Von religiöser Gewalt zu einem neuen Gottesbild, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2014

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Zu: Die Gewalt des einen Gottes, Die Monotheismus-Debatte zwischen Jan Assmann, Micha Brumlik, Peter Sloterdijk und anderen. Herausgegeben von Rolf Schieder, Berlin University Press 2014, ISBN 978-3-86280-067-4, Preis: 29,90 Euro

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War der biblische Gottesglaube eine späte Kopie des ägyptischen Monotheismus unter Echnaton? Jan Assmann berichtete in mehreren Büchern und Aufsätzen von dem aufklärerischen Impuls dieser Fragestellung, die bis hin zu Sigmund Freud wirkte und nicht zuletzt zur modernen Altertumswissenschaft angeregt hatte. In diesem Zusammenhang tauchte die These von der „Gewalt des einen Gottes“ auf, da in der Exodustradition Aussagen von der Eifersucht des biblischen Gottes und dazu gehörige Gewalterzählungen vorkommen. Dem Theologen Rolf Schieder und anderen war als Reaktion darauf hingegen aufgefallen, dass diese Schlüsse auf eine inhärente Gewalt des Monotheismus und die dazu nötige „mosaische Unterscheidung“ (Jan Assmann) zwischen wahr und falsch nach neueren exegetischen Erkenntnissen völlig unabhängig von Einflüssen des antiken Ägyptens standen, sondern literarische Konstruktionen des 4./5. Jahrhunderts vor Christus sind, der Zeit der Rückkehr der Israeliten aus dem Exil, als die Judäer für die Tempelreligion in Jerusalem eine Wiederherstellung der israelitischen Religion auf der Grundlage der Exodustradition um Mose einführten. Bernhard Lang zum Beispiel zeigt, dass die biblische Religion nicht auf diese um Wahrheit bemühte Tradition beschränkt werden kann, und dass demgegenüber ein breiter eher weisheitlicher Traditionsstrang steht, von der Josefsgeschichte bis hin zum Prediger Salomos. Der historische Sitz im Leben der Exodustradition war die Konstitution eines Volks ohne König, in der die Religion unabhängig von der politischen Verfassung einen Bundesschluss des Volkes mit Gott voraussetzte. Die politische Herrschaft lag in der Hand fremder Mächte, die keine Verbindung zu Gott repräsentieren konnten.

Das Selbstverständnis des Volkes hingegen basierte auf dem Gottesbund. Dass in diesem Zusammenhang der Dekalog und die darin geforderte Ablehnung fremder Kulte zur Bedingung gemacht wurde, erforderte tatsächlich so etwas wie eine Unterscheidung zwischen wahr und falsch. Festzuhalten ist jedoch, dass diese Tradition weder auf tatsächlichen Gewaltakten beruhte noch dazu verwendbar war. Die auf politische Befreiung angelegte Exodustradition war nicht dazu zu verwenden, Gewalt nach innen real auszuüben. Mose hingegen gab dem Volk ohne König die literarische Identifikation. Was übrigens ebenfalls angesprochen wird, ist, dass die Unterscheidung, einer Gewaltandrohung nach Innen im Sinne einer Unterscheidung zwischen wahr und falsch, in der Geschichte auch im Kontext anderer, eventuell polytheistischer Religionen vorkam. Von einer Exklusivität in Bezug auf Monotheismus kann nicht die Rede sein.

Die „Perlentaucher-Debatte“ um die Thesen Jan Assmanns, die ursprünglich die Gewalt des Monotheismus auch im Kontext der Anschläge des 11. September und ihres religiösen Hintergrunds sehen wollten, liegt hier neben der Veröffentlichung im Internet (www.perlentaucher.de) in Buchform vor. Der Diskussionsprozess, angeregt durch Rolf Schieder, der auch als Herausgeber des Buches fungiert, führte dazu, dass die Hauptfigur der Diskussion, der Altorientalist Jan Assmann, in seinem letzten Beitrag einige seiner Thesen modifizierte und sich gar dafür entschuldigte, dass diese sich potentiell antisemitisch gezeigt hätten, was nicht beabsichtigt war. Er bekundet Erschrecken über die Konsequenz seiner Formulierungen und machte an einem Zitat Sigmund Freuds deutlich, dass der „Rassenwahn“ auch nachträglich jeder Religion angelastet werden kann. In diesem Zusammenhang formuliert er einen Diskussionspunkt, den man als ein Hauptergebnis dieser Diskussion ansehen kann:

„Marcia Pally schlägt vor, zwischen einem ’schwachen‘ und einem ’starken‘ Monotheismus zu unterscheiden. Der ’schwache‘ Monotheismus erkennt die Existenz anderer Götter grundsätzlich an, besteht aber darauf, nur einen einzigen von ihnen zu verehren. Der ’starke‘ Monotheismus dagegen bestreitet die Existenz anderer Götter, für ihn gibt es nur einen einzigen Gott. … Ich (Assmann, d. Rez.) möchte stattdessen vorschlagen, zwischen einem ‚Monotheismus der Treue‘ und einem ‚Monotheismus der Wahrheit‘ zu unterscheiden. Der ‚Monotheismus der Treue‘ ist die Besonderheit der Bibel“ (S. 252).

Gegen Ende des gleiche Beitrags kommt Jan Assmann zu einer weiteren Konsequenz seiner differenzierten Bewertung, die zwar eine Aufgabe einiger Positionen bedeutet, zugleich aber auch Wege weiterer Diskussionen eröffnet: „Ich räume ein (schreibt Assmann), dass das Konzept der ‚mosaischen Unterscheidung‘ im Sinne von ‚wahr‘ und ‚falsch‘ allzu simplistisch und irreführend war. Eine feinere Analyse der mit dem Exodus-Mythos und dem Monotheismus der Treue verbundenen Unterscheidungen führte zu dem Ergebnis, dass die Gewalt nicht aus der Unterscheidung von wahr und falsch, sondern von Freund und Feind stammt. Es ist diese Unterscheidung, die im Raum des Religiösen problematisch ist, zumal wenn sie sich mit der apokalyptischen Vorstellung eines Weltgerichts verbindet, in dem Gott mit seinen Feinden abrechnet. … Meine Kritik ist nicht antisemitisch, aber antifundamentalistisch motiviert.“ (S. 264)

Rolf Schieder, der in seiner ersten Entgegnung auf Jan Assmann noch theologisch pointiert und damit eine zweite Diskussionsebene über die angestoßene religionswissenschaftliche legt, geht in seinem kurzen Vorwort in sieben Thesen noch einen Schritt weiter, indem er einen in der Diskussion mit Peter Sloterdijk eingeführten Begriff des „Kosmotheismus“ aufgreift: „Es ist also kein Zufall, dass die Debatte über den Monotheismus und seinen Preis immer auch eine Debatte über die religiös-politische Verfasstheit unseres Gemeinwesens ist. Die Vermutung ist nicht abwegig, dass in einer Welt, in der Bürgerinnen und Bürger kosmopolitisch leben und denken, die Plausibilität eines Kosmotheismus, wie er sich beispielsweise im Glauben an die Menschenrechte zur Geltung bringt, zunimmt.“ (S.11) Die Dokumentation der „Perlentaucher-Debatte“ aus dem Jahr 2013 in diesem Buch ist so gesehen nicht das Ende der Diskussion, sondern eine Bestandsaufnahme und zugleich der Beginn einer neuen Debatte, die sowohl auf einer politischen, als auch einer religiösen Ebene zu führen wäre. Der „schwache“ Monotheismus wäre so gesehen anders als eine Verehrung eines Gottes unter vielen (Monolatrie) zu deuten, nämlich als ein Begriff einer religiösen Wahrheit ohne die Behauptung ihre absoluten Geltung. Der Wahrheitsbegriff dieses kosmotheistischen Denkens ist nicht in diesem Sinn ideologisch, wie es die pure Unterscheidung zwischen „wahr“ und „falsch“ zeigen würde. Insofern kann man auf die Fortsetzung der Assmann-Debatte gespannt sein.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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