Ist Altruismus ohne Religion möglich? Rezension von Emanuel Behnert, Lippetal 2015

Print Friendly, PDF & Email

Zu: Franz. M. Wuketis :Was Atheisten glauben, Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 2014, ISBN 978-3-579-08503-6, Preis:  19,99 €

Was Atheisten glauben von Franz M Wuketits„Sind Atheisten schlechte Menschen, unmoralisch und ohne Gewissen? Müssen sie nicht an ihrem Dasein verzweifeln, das ihnen keinerlei Halt an „höhere Mächte“ (Anführungszeichen vom Buchautor gesetzt) bietet, keine Hoffnung auf ein „ewiges Leben“ (dito) erlaubt?“ (S.7). Diese suggestiven Fragen stehen am Beginn des Buches, in dem nachgespürt werden soll, was den „Glauben“ der Atheisten ausmacht. Dabei soll dieses Buch keinesfalls als destruktiver, sondern vielmehr als konstruktiver Beitrag zum Leben verstanden werden. (S.8).

Laut eigenen Angaben greift der Autor in dieser Einleitung des Buches einige große Fragen auf und gibt (man beachte schon hier die definitive Formulierung) Antworten aus atheistischer Sicht. Nach einigen Grundsatzerörterungen mit einem Umriss der Lebensvorteile in einer gottlosen Welt gibt das 2. Kapitel einen Überblick über die atheistische Sichtweise des Lebens im Allgemeinen, die Evolutionstheorie im Besonderen. Das 3. Kapitel des Buches widmet sich dann der Frage, wie es Atheisten mit Moral halten und wie eine Moralbegründung ohne Gott möglich ist. (Beachtet man bereits hier, dass dieses Buch von einem bekennenden Atheisten geschrieben wurde, kann bei sensibler Leseweise eine von vornherein herrschende Ironie nicht übersehen werden.)

Kapitel 4 geht der Frage nach, ob und inwieweit sinnvolles Leben in einer gottlosen Welt möglich ist. Hier stellt sich dem Leser doch schon die Frage, ob und warum eine Welt als gottlos erscheint und deklariert wird, nur weil einige meinen, ihr Leben ohne einen Bezug zu Gott, zu einer transzendentalen Macht oder Sphäre gestalten zu wollen, was ihnen sicher unbenommen ist. Das 5. Kapitel des Buches soll laut Einleitung eine komprimierte Darstellung eines atheistisch – humanistischen Menschenbildes aufzeigen.  (Alle Hinweise zu den Kapiteln S. 8)

Alle kritischen Fragen, die sich schon am Beginn der Lektüre dieses Buches stellen, ziehen sich auch weiterhin in mehr oder weniger veränderter und der jeweiligen Textsituation angepasster Form durch das gesamte Buch hindurch.

In vielen Bereichen arbeitet der Autor mit überkommenen Pauschalierungen und überholten Gedanken und Glaubensgrundsätzen der Kirche, um seine Meinung des notwendigen Atheismus zu begründen zu und zu rechtfertigen. Wenn er auf S. 17 z. B. das Problem der Fanatiker anspricht, berücksichtigt er dabei aber nicht das Problem der Ideologisierung von Religion, religiösen Thesen und / oder Aussagen, von der sich sowohl Religion, als auch offizielle Ausdrucksformen derselben (Religionsgemeinschaften, Kirchen, Synagogen, Moscheen) durchaus und zum Teil vehement abgrenzen. Den hier zum Teil geäußerten „Argumentationen“ haftet schon jetzt ein Hauch der Demagogie an, der sich im Buchverlauf durchaus fortsetzt. Auch wenn immer wieder auf unterschiedliche Naturwissenschaftler und Philosophen Bezug genommen wird, die aber oftmals leider nur sehr rudimentär zitiert werden. Ein besonders Beispiel ist ein Zitat Eugen Drewermanns auf S. 35, das vollkommen zweckentfremdet zur Untermauerung der Thesen des Autors an dieser Stelle deutlich verkürzt und herausgelöst aus seinem Zusammenhang dargestellt wird.

Weite Teile der „Argumentation“ des Autors werden auf die Theodizeefrage gegründet, was aus ähnlichen Schriften ja schon hinlänglich bekannt ist und sich auch in diesem Fall nicht wesentlich von diesen unterscheidet. Es wird dabei nicht ganz deutlich, ob es sich bei Theodizee um die Frage nach dem Sinn des Leidens handelt, oder um einen Widerspruch im Gottesverständnis zwischen der Allmacht Gottes und menschlichem Leid.

Die christlichen Einsichten des mitgehenden und mitleidenden Gottes, die schon seit langer Zeit von der Kirche erkannt, gelebt und gelehrt, aber in der Gesellschaft nicht immer unbedingt wahrgenommen worden sind, werden dabei vollkommen übersehen. Aber wenn sie wahrgenommen werden in diesem Buch, werden sie leider auch ad hoc diffamiert.

S.87: „Der heilige Martin reicht nicht hin – dem Bettler einen halben Mantel abzuschneiden, ist eher schäbig. Ghandi gilt gleichfalls nicht: Bevor der zuvor zum Asketen wurde, frönte er dem Artgeschäft auf Vorrat und zeugte mehrfach. Mutter Teresa wäre eine gediegene Anwärterin, wenn in Albanien verbliebene Blutsverwandte dank ihrer Popularität nicht irgendwelche Pfründe ergatterten….“

Der Grundtenor des Buches läuft auf einen reziproken Altruismus hinaus, der neben diesem Weltbild und dieser Lebenseinstellung aber nichts anderes gelten lässt. Naturwissenschaftlich, biologisch und soziologisch mag diese Lebenseinstellung durchaus als eine sehr gesunde empfunden werden. Fraglich bleibt aber, ob sie von einem metaphysisch / spirituellen Hintergrund abgekoppelt wirklich sinnvoll existieren kann. Und auf diese Frage bleibt das in weiten Teilen in einer vollkommenen plakativen Form geschrieben Buch definitiv die Antwort schuldig.

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.