Jesus, komm vom Kreuz herab! Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016

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Zu: Detlev F. Neufert: Jesus, Das Interview, Neues vom Auferstandenen, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2016, ISBN 978-3-579-07088-9

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Der Dokumentarfilmer Detlev Neufert (geb. 1948) hat ein Buch von Gesprächen mit Jesus geschrieben. Doch wie ist ihm Jesus persönlich begegnet? Das bleibt sein Geheimnis. –

Das Buch macht also schon erst einmal neugierig. Die kurze Einleitung „über unser Treffen“ und „über Jesus“ (S. 7) machen die Antwort auf diese Frage nicht leichter. Nur eben: Das Jesusbild soll sich weniger am Gekreuzigten als am Auferstandenen orientieren, so in etwa, wie es die Katakomben in Rom zeigen „als einen klugen, mutigen und schönen Jüngling“ (S. 7).

Diese kurze Einleitung erklärt zwar die Begegnung mit Jesus, aber doch nicht den persönlichen Hintergrund und evtl. auch den Anlass, dieses Buch zu schreiben. So hängt das Interview m. E. von den ersten Gesprächen an etwas in der Luft.

Zum Vergleich: Es gibt in den USA einen Bestsellerautor der Esoterik, der eine moderne Mystik in Gestalt der „Gespräche mit Gott“ bietet, von dem es inzwischen drei Bände und mehrere andere Titel gibt. Für diesen Autor Neal Donald Walsch war es eine persönliche Krise und deren Überwindung, die ihn bewogen hat, seine (inneren) Gespräche mit Gott zu notieren. Gott tritt dort als realer Gesprächspartner auf, wie hier bei Detlev Neufert Jesus.

Was ist also das Motiv dieses Autors von seinen Gesprächen mit Jesus zu berichten?

Detlev Neufert ist Filmproduzent. Das zeigt auch ein Blick auf seine Homepage In der eine lange Liste von Filmen aufgeführt wird. Und er hat einen zweiten Wohnsitz in Thailand und interessiert sich auch für den Buddhismus.

Die Antwort auf meine Frage habe ich auf YouTube gefunden. Dort wird eine Buch-Lesung der Interviews mit Jesus von ihm dokumentiert. Zu Beginn dieser Lesung berichtet er über den Impuls zur Entstehung dieses Buches bevor er eine Zeile aus dem Buch liest. Es waren seine persönlichen Erfahrungen mit einem Filmprojekt über Aidskranke Kinder, die zum Sterben in eine Art Hospiz gebracht wurden. Dadurch, dass diesen Kindern eine Alternative ermöglicht wurde und sie dann sogar in Familien adoptiert wurden für die der Virus kein Problem war, erhielten sie eine neue Lebensperspektive. Er nannte diese Erfahrungen einen Weg vom Tod zum Leben. Er bezeichnet die Arbeit an diesem Film als Gipfelerlebnis wie die Besteigung eines 6000er. Vor diesem Hintergrund wollte er danach zunächst ein Gespräch mit Gott dokumentieren, hat sich dann aber Jesus zugewandt, da er so auch die biblischen Erzählungen und Überlieferungen einbeziehen konnte. Erst nach dieser Einleitung las er den Text „über unser Treffen“.

Detlev Neufert ist davon überzeugt, dass Jesus etwas zu sagen hat, wenn man seine Inhalte und die Beispiele seiner Person direkt in die Gegenwart sprechen lässt. Aber er bleibt nicht bei Jesus, sondern bezieht auch andere Inhalte der Bibel mit ein. Er fragt in einer Besinnung der Offenbarung Gottes an Mose, was Gott uns heute zu sagen hat:

„Gott will, dass ihr endlich sein Angebot annehmt. Ihr sollt nicht um seine Gnade buhlen, auch nicht um seine Zuneigung schleimen oder euch auf den Boden niederwerfen, sondern ihm beweisen, dass ihr seine würdigen Kinder seid. Habt mal Mut, ihn anders zu sehen, als wie er euch vorgesetzt wird. Ich sehe, dass vielen von euch das Wissen um den Sinn des Lebens abhandengekommen ist, also fragt Gott nach diesem Sinn.“ (S. 62)

Mit einem Seitenblick auf die nicht-kanonische Schrift des Thomas – Evangeliums verweist Jesus in den Worten von Detlev Neufert auf die Frage der Gleichberechtigung der Frau.

Eine der stärksten Stellen des Buches ist Jesu Meinung zur Homosexualität, wo es heißt: „Die Liebe unterscheidet nicht, ob Mann und Frau, Frau und Frau oder Mann und Mann einander wollen. Liebe ist Liebe und Heirat ist Heirat. Homosexualität? Wo ist da ein Problem? Wem schadet es, wenn zwei Menschen heiraten? Begehen sie dadurch ein Verbrechen? Hassen sie dadurch andere? Schänden und schädigen sie dadurch ihre Mitmenschen? Der Wille meines Vaters ist, dass die Liebe siegt.“ (S. 47)

Neufert verabschiedet sich im Namen Jesu keinesfalls von der Religion, versteht Jesus und Gott aber eher im Sinn der Mystik als Botschaft, die das alltägliche Leben betreffen. Da geht es sogar, die Engel oder die Jungfrauengeburt gelten zu lassen im vollen Bewusstsein, dass es sich dabei immer um geistige Wahrheiten und Erfahrungsebenen handelt. Er findet auf viele biblischen Fragen eine plausible Antwort, ohne die Stimme Jesu zu verdrehen oder abzuschwächen. Jesus ist für ihn zu einer inneren Stimme geworden, mit der er sich austauschen kann, allerdings nicht ohne hin und wieder einen Blick in die Bibel zu werfen. Die angesprochenen Bibelstellen sind jeweils belegt.

Die Idee des Buches ist interessant. Zum Schluss sagt Jesus im Buch: „Holt mich endlich vom Kreuz runter!“ (S. 251). Jesus will in den Alltag und seine Fragen hinein. Die Inhalte der Evangelien halten das aus. Meine Frage an das Buch ist allerdings, ob es nicht zusätzlich zur Gesprächsebene des Interviews einen Erzählfaden benötigt hätte, sei er fiktiv oder autobiografisch.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

Ein Gedanke zu „Jesus, komm vom Kreuz herab! Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016“

  1. Lieber Herr Fleischer,

    herzlichen Dank für diese intensive und kluge Rezension.

    Der Tipp mit der Frage nach der Geschichte hinter dem Interview ist zu beherzigen, da sie bei den Lesungen immer als erste gestellt wird. Vielleicht in einer Neuauflage. Ich habe sie mir eigentllich nie gestellt, da ich den Fragesteller für nicht so wichtig erachte wie die Fragen und vor allem den Befragten. Die Kunst eines Interviews besteht ja darin, sich selber soweit wie möglich zurückzunehmen, um dem Leser Platz zu machen, an die Stelle des Interviewers zu rücken und die eigenen Fragen daraus zu entwickeln.

    Ihnen weiterhin gelingende Rezensionen und mit herzlichen Grüßen

    Detlev F. Neufert

    PS Kardinal Cordes schrieb mir gerade, dass er das Buch originell und knusprig findet. Aber doch weiterhin bei der eigenen katholischen Auslegung der Bibel bleibt. Was ich im Duktus sehr symphatisch finde.

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