Umstrittenes Recht auf Asyl, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2019

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Patrice G. Poutrus: Umkämpftes Asyl, Vom Nachkriegsdeutschland bis in die Gegenwart, Chr. Links Verlag, Berlin 2019, gebunden 247 Seiten, ISBN: 978-3-96289-036-0, Preis: 25,00 Euro

Link: https://www.christoph-links-verlag.de/index.cfm?view=3&titel_nr=9036

 

Patrice G. Poutrus (geb. 1961) schlägt einen großen Bogen von der Verankerung des Grundrechts auf Asyl im Grundgesetz bis zu den heutigen Diskussionen um Flüchtende in der EU.

Eine Beobachtung zur Lektüre: Die Geschichte der Bundesrepublik liest sich fachlich und korrekt formuliert, aber doch etwas distanziert. Die der DDR ist zwar etwas kürzer, aber mit mehr Herzblut geschrieben. Im letzten Teil, der die Zeit nach der Wende beschreibt, ergänzen beide Schreibstile einander. Am Ende des Buches bezieht der Autor eine klare Position auf der Seite des Engagements für Flüchtende und Asylsuchende in der EU.

 

Erst im Nachwort erfahren wir, dass der Autor selbst aus der DDR stammt (Geburtsjahr-Mauerbau).

Hier schildert der Autor auch, wie er bis heute dem Schwerpunkt Migration treu geblieben ist, auch mit mehreren Forschungsprojekten am ZZF (Zentrum für Zeithistorische Forschungen), Potsdam, aber auch mit Vorträgen und weiteren Publikationen.

 

In der Bundesrepublik orientierte sich die Aufnahme schutzbedürftiger Ausländer in der Nachkriegszeit ebenfalls an internationalen Konflikten: Geflüchtete aus Ungarn, Chile, Vietnam und anderen Konfliktgebieten. Auch damals hat es schon Boatpeople gegeben, die u. a. von der Cap Anamur (Ärzte ohne Grenzen) gerettet und nach Deutschland gebracht wurden.

 

Die Rechtsgeschichte des Asylrechts steht immer im Kontext der Politik der jeweiligen Zeit. Die bundesrepublikanische Situation ist schon von Anbeginn dadurch geprägt, dass es ein allgemeingültig formuliertes Asylrecht gibt, aber dass dieses im Verfahren immer weiter eigeschränkt wurde, man denke nur daran, dass zeitweise Asylbewerbern neb en einer verpflichtenden Unterkunft ein Teil der Zuwendungen in Naturalien ausgegeben wurde.

Das lag allerdings auch daran, dass sich die Zuwanderung ja bei Weitem nicht auf Asylbewerber und Flüchtlinge beschränkte, sondern zunächst auch auf geflüchtete Ungarn und Tschechen, sowie später Russlanddeutsche, Siebenbürger Sachsen, Volksdeutsche auch aus anderen Ostblockländern, und immer von Anfang an Zuwanderung aus der ehemaligen DDR. Eine weit größere Gruppe als Asylbewerber und Flüchtlinge bilden die angeworbenen und legal ins Land eingereisten ausländischen Arbeitnehmer und deren Familienangehörigen.

 

Neben dem aktuellen Engagement der fortgesetzten Seerettung im Mittelmeer ist es gut, hier zur Kenntnis zu nehmen, dass die Flüchtlingszahlen kurz nach der Wende besonders aus dem Balkan kaum geringer war als heute (über 100000 pro Jahr).

Fazit: Deutschland hat ein Asylrecht, und zwar als Grundrecht als eine Konsequenz des Zweiten Weltkriegs. Auch die internationale Flüchtlingskonvention der UNO wurde bald verabschiedet, um dadurch die internationale Anerkennung der B RD zu fördern.

Ausländer und Ausländerinnen kommen als Studierende, Flüchtende und Arbeitssuchende. Wenn die Bestimmungen des Asylrechts durch die jeweiligen Regierungen z. B. durch den Asylkompromiss weiter eingeschränkt wurden, wurden diese Bestimmungen durch Gerichtsentscheidung auf allen Ebenen oft wieder aufgehoben. Der Artikel „politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Ist seit 1993 Absatz 1 von Artikel 16a Grundgesetz. Dieser allgemeine Satz ist ein wichtiges Gebot, hat aber im Detail zu viele Deutungsmöglichkeiten offengelassen.

Es ist das Verdienst des Buches, in das teilweise komplizierte und undurchsichtige Asylrecht allein durch eine historische Betrachtung einzuführen.

Als Taschenbuch könnte es sicherlich eine noch weitere Verbreitung finden, wenn auch der Preis von 25,00 Euro durchaus angemessen ist.

 

Foucaultsches Pendel von Gerhard Richter, Pressemeldung, Münster 2017

Arbeit von Gerhard Richter schafft in Münster neuen Ort der Begegnung mit Gegenwartskunst

Die Stadt Münster installiert in barocker Dominikanerkirche ein Foucaultsches Pendel.

Die Stadt Münster realisiert in der barocken Dominikanerkirche ein eigens für dieses Gebäude entworfenes Werk von Gerhard Richter. Es besteht aus einem Foucaultschen Pendel, das in der 29 Meter hohen Vierungskuppel der Kirche installiert wird, und vier großen hochrechteckigen Glastafeln. Diese werden paarweise an den der Vierung gegenüberliegenden Wänden angebracht. Bis zum Frühsommer 2018 werden die Arbeiten am Gebäude sowie die Herstellung und Installation des Kunstwerkes abgeschlossen sein. „Dann wird das Baudenkmal als neuer Kunstraum im Zentrum der Stadt dauerhaft für die Öffentlichkeit zugänglich sein“, sagte Oberbürgermeister Markus Lewe. Er dankte dem Künstler, der die Arbeit der Stadt schenken wird. „Foucaultsches Pendel von Gerhard Richter, Pressemeldung, Münster 2017“ weiterlesen

Das voraussichtliche Ende der Menschheit, Rezension von Christoph Fleischer und Markus Chmielorz, Welver und Dortmund 2016

Zu: Peter Sloterdijk: Was geschah im 20. Jahrhundert? Suhrkamp Verlag Berlin 2016, ISBN 978-3-518-42507-7. Preis: 26,95 Euro

Sloterdijk 20.JH

Beim Medienstar der Philosophie Peter Sloterdijk (geb. 1947) ist das Denken immer (auch) Reflexion der Gegenwart. Der bald nach dem zweiten Weltkrieg geborene Zeitzeuge hat in seinen Vorträgen von 2005 bis 2013 versucht, historische Linien im 20. Jahrhundert zu sehen, zu beschreiben und freizulegen.

Ist es das von nun an absehbare Ende der Menschheit, so dass im Rückblick vom „Anthropozän“ die Rede wäre (doch wer sollte zurückblicken?). Damit wäre nun allerdings zugleich das Ende der Geschichte festgestellt, was allerdings zu keinem Zeitpunkt des 20. Jahrhunderts vorgezogen werden konnte. Keine Frage ist, dass die Vorträge auch die Sachgebiete der Globalisierung und der Klimakatastrophe berühren. Was allerdings noch mehr interessiert ist, was denn von daher zum Denken zu sagen wäre.

In zwölf Kapiteln wendet sich Sloterdijk zurück, um quasi durch die Brillen bedeutender Denker eine Antwort auf seine Frage „Was geschah im 20. Jahrhundert?“ zu geben. Dabei ist er sich seines Standpunktes, den er in der europäischen Moderne verortet so bewusst, dass er ihn auch einer notwendigen Reflexion unterziehen kann. Den Einstieg bildet ein, so könnte man sagen, in moderner Tradition begründeter enzyklopädischer Zugang zum Anthropozän, der nun wiederum mit einer nächsten Frage verbunden wird; „Ein Prozeß-Zustand am Rande der Erd-Geschichte?“, so der Untertitel des Kapitels. Es folgen Kapitel zur Zivilisation und den Kulturen, zur „Allgemeinen Ökologie“, zu philosophischen Aspekten der Globalisierung, zur „Kritik der extremistischen Vernunft“, zu Derrida, zur „Philosophie der Raumstation“, zur italienischen Novelle, zu Heidegger, zur „Philosophie aus dem Geist des Reise-Stress“ zum Grundgesetz und schließlich zur „Vernunft der List“. Was auf den ersten Blick aussieht, wie das Nebeneinanderstellen des Unverbundenen, bekommt seinen Sinn dadurch, dass es Sloterdijk gelingt, gleich auf mehreren Beobachtungsebenen „Klammern“ anzugeben, so dass aus den einzelnen Fäden ein ganzer Stoff entsteht: Er stellt hier ebenso die (moderne) Frage danach, was zu tun sein, wie er gegenüber der Philosophie eine Einladung erteilt, selbstreferentieller und selbstreflexiver zu arbeiten.

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