Erzähle die Religion der Freiheit! Christoph Fleischer, Werl 2010

Rezension zu: David Trobisch: Ein Clown für Christus. Die ganz andere Geschichte über Paulus und seine Zeit. Gütersloher Verlagshaus 2010, ISBN 978-3-579-06497-0, 19,95 Euro

Dieses Buch lässt sich an einem Wochenende am Stück durchlesen. Es schildert in einer faszinierenden Erzählung Episoden aus dem Leben der hellenistischen Urkirche aus der Perspektive der Sklavin Talitha und des Sklaven Titus (vgl. 2. Korinther 8,23).

Liebe im Kontext von Unfreiheit und Religion.
Ganz im Gegensatz zum Klappentext steht die sensibel geschilderte Liebesgeschichte vor dem Hintergrund antiker Gegebenheiten im Vordergrund. Die Vorgehensweise antiken Wirtschaftens und der Einfluss weiblich geprägter Mysterienkulte, aber auch westlich-römischer und östlich-arabischer Lebensprämissen jüdischer Religion werden geschildert. Eine liebevoll erzählte Geschichte, die alles hat, was ein Buch braucht. Ein Text, der auch als Drehbuch denkbar wäre.

Gegen den Strich der bisherigen Pauluslektüre.
Der wissenschaftliche Anspruch dieses Buches ist dennoch nicht zu übersehen. Welche Rolle spielten Mysterienkulte für die Entstehung des Urchristentums? Gab es im Urchristentum oder bei seinen Angehörigen die Vorstellung einer großen Göttin? Was das Judentum in griechische und hebräische Synagogen gespalten? Wie unterschied sich die Lebensweise des selbst ernannten Apostels Paulus von der der wanderradikalistischen Jünger in der Nachfolge Jesu? Losgelöst vom Plot der lukanischen Apostelgeschichte konstruiert der Autor als Lehrer des Neuen Testaments die Erzählung über Paulus ausschließlich aus biografischen und topologischen Angaben der Paulusbriefe. Ein Personenverzeichnis und Reiseroute im Anhang helfen den Leserinnen und Lesern, den Überblick zu behalten.

Paulus lebte vom Geld, das er selbst verdiente. Ob dies allerdings der Vertrieb nicht ganz waschechter Teppiche aus Kilikien hätte sein müssen, fragt sich der Leser schon hin und wieder. Ob Paulus auf seinen antiken Reisen wirklich missionierte und Gemeinden gründete, bleibt offen. Erklärt wird nur, warum er Briefe hinterließ, die schon zu seinen Lebzeiten als Literatur gehandelt wurden. So lässt der Autor eher einen Blick auf die Entstehung frühchristlicher Kleinliteratur zu, als auf das (angebliche) Missionswerk. Der hier geschilderte Apostel leidet zeitweise unter Blindheit, unter seelischer Not und an Epilepsie. Er reist in Vorliebe in männlicher Begleitung.

Fazit:
Diese Erzählung wäre von o.g. Beobachtungen her durch einen wissenschaftlichen Kommentar zu ergänzen. Vieles ist plausibel und erinnert an die religionssoziologische Vorarbeit von Gerd Theißen und Annette Merz (zu dessen Kollegenkreis sich der Autor rechnet). Nicht endlose Fußmärsche bestimmen die letzte Reise des Apostels Paulus, sondern die Reise möglichst per Schiff, die ihn über Umwege von Damaskus bis nach Malta führt. In Spanien, dem eigentlichen Ziel der Reise, ist er nie angekommen. Der Anspruch der Erzählung liegt nicht in einer neuen Paulusbiografie, sondern darin, locker und gut lesbar in die Episode der frühen Christenheit einzuführen, die durch Paulus und Petrus geprägt ist. Die biografischen Angaben der Paulusbriefe dürfen nicht in das enge Korsett einer Erzählung gepresst werden, die sich an der Apostelgeschichte orientiert. Es hätte alles auch ganz anders sein können. Der Autor möge noch mehr solcher Bücher schreiben!

Ist die Verflechtung von Staat und Kirche zukunftsfähig? Christoph Fleischer, Werl 2010

Rezension zu:Carsten Frerk: Violettbuch Kirchenfinanzen. Alibri-Verlag Aschaffenburg 2010, ISBN 3-86569-039-5, Preis: 16,00 Euro

Zweifelsohne ist der Autor des „Violettbuches Kirchenfinanzen“ dem humanistischen Anliegen der völligen Trennung von Staat und Kirche verpflichtet, das sich die Bundesrepublik Deutschland als säkularen und weltanschaulich neutralen Staat vorstellt. „Ist die Verflechtung von Staat und Kirche zukunftsfähig? Christoph Fleischer, Werl 2010“ weiterlesen

Der Sinn bestimmt das Leben – Viktor Frankls Ethik. Christoph Fleischer, Werl 2009

Rezension zu: Theresia Maria Leitner-Schweighofer, Frankls moralischer Imperativ. Peter Lang Verlag Frankfurt/M. 2009, ISBN 978-3-631-57695-3, 34,00 Euro.

Lebensglück ist aus philosophischer Sicht keine Zufallserrungenschaft, sondern leitet sich von Handlungen ab, die auf einer Ethik der Entscheidung beruht. Die Vorgabe für diese handlungsweisende Entscheidung sind allgemeine Imperative, die die Autorin aus der psychologischen Arbeit Viktor Frankls (1905-1997) entwickelt. „Der Sinn bestimmt das Leben – Viktor Frankls Ethik. Christoph Fleischer, Werl 2009“ weiterlesen

Im Nachdenken mal in die Tiefe gehen. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2008

Zu: Jürgen Moltmann, „Sein Name ist Gerechtigkeit“, Neue Beiträge zur christlichen Gotteslehre, Gütersloher Verlagshaus 2008

Ehrlich gesagt, Jemandem, der schon einige Bücher von Jürgen Moltmann gelesen hat, kommt an den im Buch aufgeführten Gedanken Einiges bekannt vor. Wer allerdings zu dieser Gruppe nicht gehört, dem wird hier an ausgewählten Beispielen vorgeführt, was evangelisch theologische Redlichkeit verbindet mit ökumenischer Offenheit, politischer und historischer Betroffenheit und sprachlich-rhetorischer Gewandtheit. „Im Nachdenken mal in die Tiefe gehen. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2008“ weiterlesen

Information in the First Life! Christoph Fleischer, Werl 2010

Rezension zu: Markus Reiter, Dumm 3.0. Wie Twitter, Blogs und Networks unsere Kultur bedrohen. Gütersloher Verlagshaus 2010, ISBN 978-3-579-06883-1, 17,95 Euro

Die Formulierung des Buchtitels „Dumm 3.0“ spielt an auf die Bezeichnung des interaktiven Internets als „Web 2.0“. Damit ist die rhetorische Figur der Klimax gemeint, deren Aussage hier ist: Nach Web 2.0 kommt Dumm 3.0. Dass diese Phase jetzt schon im Internet angekommen ist, zeigen z. B. auch erste Reaktionen auf Interviews zu diesem Buch z. B. auf Twitter, womit es aber auch Aufmerksamkeit erzeugt.

Journalismus muss bezahlt werden, um gut zu bleiben.
Markus Reiter kennt sowohl vom „Readers Digest“ als auch von der „FAZ“ her die Funktionsweise des professionellen Journalismus, der Informationen auf ihren Nachrichtengehalt hin prüft, bewertet und aus der Vielzahl von Meldungen auswählt. Journalismus muss zudem gesellschaftliche Skandale aufwecken und Demokratie erlebbar machen. Er darf nicht nur in den Suchdiensten des Internets recherchieren, sondern muss dies auch persönlich vor Ort und im Gespräch. In Reiters Buch kommen daher Blogger wie Presse-Journalisten gleichermaßen zu Wort.

Das Internet ist die Zukunft.
Obwohl der Autor schon mit dem Titel die Zukunft des Internets schwarz malt, die Entgleisungen der Bloggerszene als „Kakophonie“ bezeichnet, ist klar: Die Präsenz des Internets hat schon jetzt begonnen, die journalistische Welt zu verändern. Interessanterweise kommt in diesem Zusammenhang der Schritt zu den Massenmedien Radio und TV ein wenig zu kurz. Dass man in den Zeitungen die Nachrichten von gestern liest, weiß ja schon der Radiohörer und nicht erst der Nutzer des Internets. Manchmal schienen Markus Reiters prophetische Zukunftsvisionen den Weg zu einer deutlicheren Analyse zu verstellen. Was bringt die Zukunft wirklich? Wird die Tageszeitung abgesehen von überregionalen Massenblättern bald nur noch als E-Book gelesen, wie er prophezeit? Wäre es wirklich ein Beinbruch, wenn die Auflagenstärke der Presse auf den Stand der sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückfallen würde? Klar ist heute allerdings: Für die Meinungsvielfalt braucht die Presse in den Zeiten des Internet nicht mehr zu sorgen.

Demokratie, Meinungsfreiheit und Globalität.
Markus Reiter stellt an anschaulichen Beispielen dar, wie z. B. den „Piraten“, dass der Internet-Journalismus zu Meinungsinseln privater Gruppen führt, so er nicht ohnehin ein Spiegelbild der kommerziellen Angebote ist. Der Unterschied zwischen öffentlich und privat ist im Internet verschwunden. Suchdienste ersetzen den Journalismus nicht, können aber hochaktuelle Infos liefern (Beispiel: Wiederwahl des Bundespräsidenten). Die wichtigste Funktion des Internet scheint jedoch zu sein, Globalität herzustellen.

Fazit.
Markus Reiter verdeutlicht die Umbruchphase, in die das Internet den Journalismus gebracht hat. Manche Qualitätsverluste in der eigenen Zunft werden beklagt. Das Buch ist anregend und verdeutlicht die Empfindlichkeiten, die durch Kostendruck und Konkurrenz ausgelöst werden. Die Polemik Reiters gegen den Internetjournalismus klingt an einigen Stellen überzeichnet, wenn er auch zu Recht auf Missstände hinweist. Bezahlter Journalismus wird bleiben, nicht nur für die Eliten, sondern gerade auch für die nicht elektronisch lesenden Massen. Langfristig jedoch mögen elektronische Datenträger die Druck-Erzeugnisse verdrängen. Das Abo der Zeitung jedoch wird auch dann ein Abo bleiben. Das Internet vermittelt Globalität und Gleichzeitigkeit im „Second Life“, die Information im ersten Leben dagegen Lokalität und gute Recherche. Der Autor stellt wichtige Fragen und weist zu Recht auf die Aufgaben von Bildung hin. Die Geschichte der Zivilisation ist bis jetzt immer auf neue Medien eingestiegen, ohne die alten gänzlich aufzugeben. Es gibt die Bibel neben dem Fernsehen. Also wird es in Zukunft auch die Zeitung neben dem Internet geben. Dies alles wird vernetzt sein. Die Blogger-Cliquen werden sich hoffentlich auflösen. Und was bezahlt werden kann und soll, wird auch zu bezahlen sein.