Der Glaube an Gottes Liebe in Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. (eine kurze Dogmatik nach 1. Johannes 4, 16b – 21) Notiz von Christoph Fleischer, Werl 2008

Vergangenheit:

Interessant ist, dass hier von Christi Gebot und Gottes Liebe die Rede ist. Eigentlich müsste es ja Christi Liebe und Gottes Gebot heißen.

Diese Umkehrung ist wichtig, daraus wird die Grundlage unseres Christentums. Das Gottes Gebot ist in seiner Liebe zu verstehen.

Gott gibt keine Gebote mehr um Menschen zu richten, zu verurteilen, zu schädigen, zu verletzen.

Gott sendet seinen Sohn.

Gott schenkt Versöhnung.

Gott ist nun die Liebe.

Die Liebe Gottes ist also die Liebe Jesu Christi.

Viele Menschen verstehen Jesus als den Boten der Liebe.

Sein Leben, seine Passion ist das höchste Symbol der Liebe, das es gibt.

Aber seine Liebe wird für uns nun durch den Glauben auch zum Gebot,

zur Bruderliebe, zur Nächstenliebe, zur Feindesliebe zur Liebe der Menschen und der Schöpfung.

Die Liebe Christi gilt dem Leben in der Gegenwart.

Gegenwart:

Christen leben als Menschen in der Welt.

Christus, der auch als Mensch in der Welt war, ist nun bei Gott.

Christus hat seine Verbindung zu Gott, auf die Menschen im Glauben übertragen. Gott hat seine Liebe zu Christus auf die ausgeweitet, die mit Christus in Verbindung stehen.

Das heißt: Christen leben als Menschen in der Welt,

aber als Glaubende leben sie in Gott, sind weltlich und religiös zugleich.

Religiös zu sein bedeutet, mit der Zukunft von Gott her rechnen.

Unsere Existenz ist geöffnet hin auf die Zukunft.

Zukunft:

Der Glaube zeigt jedem Leben eine Richtung.

Es gibt keinen Glauben, ohne von der Zukunft zu reden.

In der ursprünglichen Verkündigung der Bibel hatte die Rede von der Zukunft die Gestalt des Gerichts.

Die Gerichtsverkündigung schreckt viele Menschen davon ab, zu glauben.

Doch das Symbol des Gerichts zeigt uns eine Zukunftsperspektive auf.

Die Gegenwart steht unter der Verantwortung.

Das Gericht Gottes zeigt, dass wir unser Leben zu verantworten haben.

Die Antwort auf Gottes Liebe haben wir schon zu geben.

Wer seine Mitmenschen nicht liebt, liebt Gott auch nicht.

Aber die Zukunft an sich ist keine Bedrohung, kein Grund zur Angst vor Gott.

Gott verurteilt nicht, weil er die Sprache der Liebe spricht, durch Christus.

Der Glaube an Christus ist der Raum im Menschen, der durch die Liebe Gottes gefüllt wird.

Die Angst verschwindet in der Liebe.

Das Betheler Bekenntnis. Kurze Einführung und Zusammenfassung von Christoph Fleischer, Werl 2008

Das Betheler Bekenntnis wurde im August 1933 unter der Mitarbeit von Dietrich Bonhoeffer und der Verantwortung von Friedrich von Bodelschwingh als das geplante Bekenntnis der „Deutschen Evangelischen Kirche“ verfasst. „Das Betheler Bekenntnis. Kurze Einführung und Zusammenfassung von Christoph Fleischer, Werl 2008“ weiterlesen

Vom ‚Vorhof der Heiden‘ Notiz von Christoph Fleischer, Werl 2010

Trotz allem, was die katholische Kirche im Moment erschüttert, dass sie nämlich offen vor die Konsequenzen ihrer jahrelangen Vertuschungspolitik gestellt wird, lese ist gerade im Rundschreiben das Vatikans eine interessante Notiz:

Vatikan: eine Stiftung für den Dialog zwischen der Kirche und den Nichtgläubigen:

http://www.zenit.org/article-19921?l=german

In diesem Abschnitt wird der Dialog des Vatikans mit Organisationen von Nicht-Gläubigen und Atheisten in Aussicht gestellt. Dies halte ich für eine großartige Geste. Als Gründungsort dieser Stiftung wird Paris in Aussicht gestellt. Es geht darum, wahrzunehmen, dass die Positionen der Gottsucher und Atheisten auch von einer bestimmten für sie eignen Spiritualität geprägt sind. Erzbischof Gianfranco Ravasi, der Präsident des päpstlichen Rates für die Kultur, stellte diese Idee mit folgenden Worten vor: Absicht des Vatikans sei es, „den Raum der Spiritualität der Gottlosen zu studieren und die Thematiken der Beziehung zwischen Religion Gesellschaft, Frieden und Natur zu entwickeln. … Mit dieser Initiative möchten wir allen helfen, aus einer verkümmerten Konzeption des Glaubens herauszukommen und zum Verständnis zu kommen, dass die Theologie von wissenschaftlicher Würde mit einem epistemologischen Status ist.“

Diese Ankündigung bezieht sich auf eine Rede des Papstes am 21.12.2009, in der aus der Konsequenz seines Besuches in Paris 2008 sich auf die Frage des Gottsuchens bezog:

„Als ersten Schritt von Evangelisierung müssen wir versuchen, diese Suche wachzuhalten; uns darum mühen, dass der Mensch die Gottesfrage als wesentliche Frage seiner Existenz nicht beiseite schiebt. Dass er die Frage und die Sehnsucht annimmt, die darin sich verbirgt. Hier fällt mir das Wort ein, das Jesus aus dem Propheten Jesaja zitiert hat: dass der Tempel von Jerusalem ein Gebetshaus für alle Völker sein solle (Jes 56,7; Mk 11,17). Er dachte dabei an den sogenannten Vorhof der Heiden, den er von äußeren Geschäftigkeiten räumte, damit der Freiraum da sei für die Völker, die hier zu dem einen Gott beten wollen, auch wenn sie dem Geheimnis nicht zugehören konnten, dem das Innere des Tempels diente. Gebetsraum für alle Völker – dabei war an Menschen gedacht, die Gott sozusagen nur von ferne kennen; die mit ihren Göttern, Riten und Mythen unzufrieden sind; die das Reine und Große ersehnen, auch wenn Gott für sie der »unbekannte Gott« bleibt (Apg 17,23). Sie sollten zum unbekannten Gott beten können und damit doch mit dem wirklichen Gott in Verbindung sein, wenn auch in vielerlei Dunkelheit. Ich denke, so eine Art »Vorhof der Heiden« müsse die Kirche auch heute auftun, wo Menschen irgendwie sich an Gott anhängen können, ohne ihn zu kennen und ehe sie den Zugang zum Geheimnis gefunden haben, dem das innere Leben der Kirche dient. Zum Dialog der Religionen muß heute vor allem auch das Gespräch mit denen hinzutreten, denen die Religionen fremd sind, denen Gott unbekannt ist und die doch nicht einfach ohne Gott bleiben, ihn wenigstens als Unbekannten dennoch anrühren möchten.“

Quelle:http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2009/december/documents/hf_ben-xvi_spe_20091221_curia-auguri_ge.html

Die Interpretation der symbolischen Tempelreinigung Jesu bezieht sich darauf, dass der damalige Vorhof der Heiden, der zu einem Marktplatz geworden war, wieder zu seiner ursprünglich gedachten Funktion würde, einem Versammlungs – und Gebetsplatz der Angehörigen aller Völker, die hier zusammenkamen um zu beten, ohne dass sie den inneren Bereich des Tempel hätten betreten dürfen. Die Verbindung dieser Aktion mit der Tempelreinigung Jesu als ein Akt der Befreiung von den Gesetzen des Marktes halte ich für sehr gut und weiterführend. Der Papst allerdings hält hier an der Analogie Kirche und Tempel fest, die das Bild seiner Rhetorik hier bestimmt. Die Interpretation der Tempelreinigung Jesu müsste aber dann auch bedeuten, dass Jesus gerade diesen Vorhof des Tempel zur Begegnungsstätte des neuen Gottesvolkes gemacht hat, ein Volk aus allen Völkern, ein Volk derjenigen, die vor den Anhänger der alten Religion als Ungläubige dastehen! Es ist daher gut, dass der Erzbischof Ravasi im Gegensatz zum Papst den Dialog mit Agnostikern und Atheisten nicht in einen Zusammenhang mit Evangelisierung oder Mission stellen will, sondern in den Zusammenhang mit Dialog.

Der Vorhof der Heiden wird zur Versammlungsstätte der Kirche Jesu. Das hatte Jesus beabsichtigt und das ist Pfingsten Wirklichkeit geworden. Die Kirche, nicht nur die katholische, wird sich fragen lassen müssen, ob sie dieser Öffnung auch zustimmt, oder ob sie weiterhin meint, sie wäre im exklusiven Besitz der Wahrheit. Die Initiative, den Vorhof der Heiden in der Nachfolge Jesu wiederzuentdecken, ist eine gute Anregung!

Abschied von der Utopie. Christoph Fleischer, Werl 2010

Zitate aus einem Interview mit dem englischen Philosophen John Gray theologisch gelesen.

Im Zentrum dieses Denkens steht die Kritik des Humanismus:

John Gray: „ Mir geht es darum, die menschliche Beschränkung aufzuzeigen und anzuerkennen. Der Mensch hat keinen Anspruch auf eine gottähnliche Sonderstellung in der Natur. Deshalb plädiere ich für eine Abkehr von unserer Selbstüberhöhung, vom Anthropozentrismus, als könnten wir immer und überall die Herren unseres Schicksals sein. Wir Menschen können die Welt dien retten, doch das ist kein Grund, zu verzweifeln. Wenn sie so wollen, drehe ich die berühmte elfte These von Marx zu Feuerbach um: Es geht nicht darum, die Welt zu verändern, sondern darum, sie richtig zu sehen.“

Es ist klar, dass die Bibel beides verkündigt, einerseits ist sie eine der stärksten Quellen der zentralen Stellung des Menschen als „Bild Gottes“ und als „Verwalter der Erde“ im Auftrag des Schöpfers. Andererseits ist der Mensch allgemein und auch die konkreten Machthaber auch der eigenen Color stets auf den Grundwiderspruch hinzuweisen, der den unendlichen Unterschied zu Gott selbst betont. Der Mensch darf sich also nicht selbst vergöttlichen und wo er dies tut, verstößt er gegen das erste Gebot. Die hauptaussage des ersten Gebots ist heute nicht mehr die des unbedingten Gehorsams einem göttlichen Herrscher gegenüber, sondern, in Anerkenntnis seiner Barmherzigkeit, der Erkenntnis dessen, dass Humanismus, also die Vergöttlichung der menschlichen Gattung in die Irre führt. Der Fortschrittsglaube ist die Erfindung der menschlichen Hybris:

John Gray: „Das westliche Denken hat so etwas wie einen säkularen Monotheismus entwickelt. Die Idee des Fortschritts in der Geschichte ist der ins Säkulare gewendete Glaube an die Vorsehung. Im Judaismus, im Christentum hat die Menschheitsgeschichte einen Sinn, weil sie auf das Heil zustrebt. Aber dieser Sinn ist von Gott gegeben, wir können ihn nicht erkennen. Deshalb sollten wir demütig bleiben; es wäre geradezu gotteslästerlich, wollten wir den Anspruch erheben, Gottes Ziel in der Geschichte zu entschlüsseln und herbeizuführen. .. Ich behaupte, dass die Grundüberzeugung der Humanisen, die Geschichte der Menschheit sei eine Fortschrittsgeschichte, ein Aberglaube ist. Insofern ist der echte religiöse Glaube ein nützlicher Damm gegen die menschliche Hybris.“

Mit dem Begriff Humanismus ist also nicht die Idee der zwischenmenschlichen Barmherzigkeit gemeint, sondern die Vorstellung, dass die menschliche Rasse die Krone der Schöpfung sei. Im Fortschrittsglauben entdeckt John Gray daher eine Gestalt menschlicher Religion. Wer hier destruiert muss gleichzeitig vor der Wunderkraft der Moral resignieren und die Unterscheidung zwischen Gut und Böse relativieren.

John Gray: „Ich glaube durchaus an universelle Werte, aber nicht an ihre Durchsetzung um jeden Preis. Wenn sie das Unmögliche zu erreichen versuchen, schaffen sie neues und oft genug noch schrecklicheres Böses. Deshalb widersetze ich mich ganz entschieden der Vorstellung, internationale Beziehungen zwischen Staaten als Bühne für die Verbreitung weitreichender Ideale zu benutzen – schon gar nicht als bewaffnete Mission.“

An praktischen Beispielen des sogenannten Fortschritts durch politische Aktionen und der Erfahrung, dass sie oft genug ins Gegenteil umschlagen, wird deutlich, wie wenig glaubwürdig der sogenannten Einsatz für das Gute ist. Die realistische Einschätzung der politischen Verhältnisse führt zur Aufhebung jedes Dogmatismus.

John Gray: „Was gewonnen wird, kann in einem Lidschlag der Geschichte wieder verloren gehen. In einem Lidschlag! Die irakischen Frauen waren unter dem Regime von Saddam Hussein freier, als sie es heute sind. Der Sowjetkommunismus war eine Art Industriesklavensystem, nicht nur im Gulag. Und wie leicht Folter wieder tragbar werden kann, haben wir in Guantanamo und in Abu Ghuraib gesehen. Ganz zu schweigen von den Menschenrechten in China, die von westlichen Gesprächspartnern mit Engelszungen angemahnt werden. Dabei ist China heute, verglichen mit dem Maoismus, eine aufgeklärte, ja wohlwollende Diktatur.“

Die Ursache für diese Verhaltensweisen und ihre Konsequenzen im geselschafltichen handeln der Menschen liegt im Wesen des Menschen selbst verborgen. Dazu führt John Gray als Zeuge den Psychoanalytiker Sigmund Freud heran.

John Gray: „Für mich war der größte Denker der Aufklärung im 20. Jahrhundert Sigmund Freud. Er sah in der Zivilisation eine Art Schutzmaßnahme des Menschen gegen sich selbst. Denn der Mensch ist nicht nur Eros, sondern auch Thanatos – mit seiner Neigung zu Aggression, Grausamkeit und Zerstörung. Deshalb ist jeder Fortschritt zweischneidig. Die Mehrung des Wissens erhöht die Macht des Menschen, zum Guten wie zum Bösen, über die Natur wie über andere Menschen. Der Homo sapiens ist und bleibt immer auch ein Homo rapiens, ein Räuber mit ungeheurer destruktiver Kraft, der die Welt in den Untergang führen kann.“

Und dann bestätigt er ausdrücklich den Mythos vom Sündenfall, der nun nicht seinerseits zu einer negativen Anthropologie führen darf, sondern nur zu einer Verweigerung gegenüber jeder menschlichen Selbstverherrlichung auch der Religiösen. Der Mensch ist Kind Gottes, aber in Gemeinschaft aller Geschöpfe.

John Gray: „Wissen macht uns nicht frei. Ja, das ist eine unstatthafte, schwer erträgliche Wahrheit. Seit Sokrates beruht das westliche Denken auf der Annahme, dass die Erkenntnis des Wahren unweigerlich zum Guten führt. Die Genesis der Bibel, der Mythos vom Sündenfall, sagt etwas anderes. Die Unschuld ist verloren, sie lässt sich nicht wiedergewinnen. Wir haben vom Baum der Erkenntnis gegessen, aber wir bleiben zu jeder Torheit und zu jeder Bosheit imstande. … Der Nihilismus… verliert seinen Schrecken, wenn wir uns von der Zwangsvorstellung lösen, das menschliche Leben müsse vor dem Sturz in den Abgrund der Sinnlosigkeit bewahrt werden. Ein gelungenes oder erfülltes Leben beruht nicht auf der Kapazität, einen Beitrag zur Weltverbesserung zu leisten. Die Gewissheit, dass es kein Heil gibt, ist selbst das Heil, so hat es der Schriftsteller E. M. Cioran formuliert. Das Leben hat keine Bedeutung, die über es selbst hinausweist. … Für die Moralphilosophen ist die Kontingenz, die Zufälligkeit der menschlichen Existenz ein permanenter Skandal. Aber im Grunde ahnen wir, dass uns nichts gegen Schicksal und Zufall verlässlich schützen kann. … Jedenfalls kann das Leben nicht im Versuch bestehen, irgendein Ideal zu verwirklichen. Wir müssen erkennen – und uns damit abfinden -, wie unfrei wir in Wirklichkeit sind. Da selbstbestimmte Leben ist ein moderner Fetisch. Wer die Welt durch Willenskraft verändern will, kommt dem Terrorismus im Namen der Vernunft oder des Guten gefährlich nahe, wie die Jakobiner während der Französischen Revolution oder die Bolschewiken und Lenin, Trotzki und Stalin gezeigt haben.“

Die Folge besteht nicht darin, auf den Gedanken des Sinns ganz zu verzichten, sondern darin, die Zufälligkeit aller Ereignisse einzubeziehen. Der freie Wille, den es nur im Hinblick auf die Gestaltung des Alltags gibt, ist keine Entscheidung zwischen Gut und Böse. Damit wird Luthers Entscheidung gegen den freien Willen faktisch bestätigt! Fall Religionen „Illusionen“ wie es die Humanisten sagen, dann sind sie vielleicht „notwendige Illusionen“. Sie dürfen aber nicht dazu dienen, die faktische Unfreiheit des Menschen, die Unfähigkeit eine Moral zu verwirklichen durch die Hintertür wieder einzuführen. Gott darf keine Chiffre der menschlichen Selbstrechtfertigung sein. Gott darf auch keine Chiffre der „Erlösung“ sein, obwohl das die Religion der Bibel ja zumeist verkündigt, weil aus die der Erlösung schnell eine Ideologie der menschlichen Selbsterlösung wird und Mission in Unterwerfung umschlägt. Gott ist uns nahe und bleibt uns immer fremd.

Quelle: Wochenzeitschrift Der Spiegel, Nr. 9/2010 vom 01.03.2010

Bücher von John Gray: „Von Menschen und anderen Tieren: Abschied vom Humanismus“. Klett-Cotta 2010 und „Politik der Apokalypse: Wie Religion die Welt in die Krise stürzt“. Klett-Cotta 2009

Gibt es einen Widerspruch zwischen Bibel und Naturwissenschaft? Christoph Fleischer, Werl 2010

Psalm 90 (Einheitsübersetzung) und eine mathematische Berechnung

Der ewige Gott – der vergängliche Mensch

1 [Ein Gebet des Mose, des Mannes Gottes.]Herr, du warst unsere Zuflucht / von Geschlecht zu Geschlecht.

2 Ehe die Berge geboren wurden, / die Erde entstand und das Weltall, / bist du, o Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

– Welche Fragen eröffnet diese Aussage? Der Anfang des göttlichen lebens wird hier vor der Entstehung der Erde angesetzt. Die Ewigkeit Gottes beginnt vor der Zeit der Erde. Die Beobachtung, dass sich das Alter der Erde am sichersten nach dem Aller des Bergesteins berechnen lässt, scheint hier schon angedacht. Außerdem gibt es hier eine Analogie, eine Entsprechung zwischen der Abfolge des menschlichen Lebens, das auf Geschlecht zu Geschlecht folgt zu der Existenz Gottes, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Wichtig ist allerdings: Ich sehe hier keine Seinslehre (Ontologie), sondern schlicht eine Symbolik, die aber mit Inhalt gefüllt wird. Auch ein Symbol muss realistisch und nachvollziehbar sein.

3 Du lässt die Menschen zurückkehren zum Staub / und sprichst: «Kommt wieder, ihr Menschen!»

4 Denn tausend Jahre sind für dich / wie der Tag, der gestern vergangen ist, / wie eine Wache in der Nacht.

– Während das Leben der Menschen sterblich ist, da sie ja bekanntlich zu dem Staub zurückkehren (von Erde bist du genommen…), ist Gottes Zeit die Ewigkeit. Gott ist wenn schon vielleicht nicht unsterblich, dann wenigstens immer da. Eine erneute Analogie lässt uns nun in die Welt der Zahlen einsteigen: Für Gott sind tausend (menschliche) Jahre wie ein Tag. Tausend Jahre sind ein Tag der Ewigkeit. Ein Tag der Ewigkeit ist also so lang wie 365000 Tage. Aber wie lang ist die Ewigkeit denn nun wirklich, denn auch sie ist ja kaum nur ein Tag lang. Hier biete sich wiederum die Analogie Mensch Gott an.

5 Von Jahr zu Jahr säst du die Menschen aus; / sie gleichen dem sprossenden Gras.

6 Am Morgen grünt es und blüht, / am Abend wird es geschnitten und welkt.

7 Denn wir vergehen durch deinen Zorn, / werden vernichtet durch deinen Grimm.

8 Du hast unsre Sünden vor dich hingestellt, / unsere geheime Schuld in das Licht deines Angesichts.

9 Denn all unsre Tage gehn hin unter deinem Zorn, / wir beenden unsere Jahre wie einen Seufzer.

10 Unser Leben währt siebzig Jahre, / und wenn es hoch kommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer, / rasch geht es vorbei, wir fliegen dahin.

– Das menschliche Leben dauert also siebzig bis achtzig Jahre. Das ist so etwa die menschliche Lebenserwartung. Kommen wir zurück zur oben genannten Analogie. Die Ewigkeit ist die Lebenszeit Gottes. Da vor Gott tausend menschliche Jahre wie ein Tag sind, ist die Ewigkeit Gottes größer als 80 mal 365 Tage mal 365000. Welche Zahl ist das uns was könnte damit gemeint sein?

11 Wer kennt die Gewalt deines Zornes / und fürchtet sich vor deinem Grimm?

12 Unsre Tage zu zählen, lehre uns! / Dann gewinnen wir ein weises Herz.

– Gottes Ewigkeit ist hat schon vor Beginn der Schöpfung begonnen und wird die Erde überleben, zumindest mathematisch gedacht. Es geht bei dieser Berechnung also nicht um eine bestimmte Zahl, sondern nur um eine symbolische Zahl, ein größer als. Da am Anfang auf das Alter der Erde Bezug nimmt, könnte die berechnete Zahl das geschätzte Alter der Erde von Anfang bis Ende meinen. Es sind bei der Vergleichsgröße 70 insgesamt 9325750000 Jahre. Das ist mehr als das doppelt des Erdalters von Anfang bis heute. Diese Zahl steckt indierekt

13 Herr, wende dich uns doch endlich zu! / Hab Mitleid mit deinen Knechten!

14 Sättige uns am Morgen mit deiner Huld! / Dann wollen wir jubeln und uns freuen all unsre Tage.

15 Erfreue uns so viele Tage, wie du uns gebeugt hast, / so viele Jahre, wie wir Unglück erlitten.

16 Zeig deinen Knechten deine Taten / und ihren Kindern deine erhabene Macht!

17 Es komme über uns die Güte des Herrn, unsres Gottes. Lass das Werk unsrer Hände gedeihen, ja, lass gedeihen das Werk unsrer Hände!

Zusammenfassung dieser Überlegungen: Die Frage ist, in welchem Sinn mathematische Beobachtungen an diesen Text herangetragen werden können. Vordergründig kommen Zahlen nur zweimal vor: Die Bemerkung darüber, dass ein menschliches Leben gewöhnlich 70 Jahre dauert und, wenn es hoch kommt, achtzig. Gegenüber den utopischen Lebensdaten in der Urgeschichte schlicht realistische Zahlen, die auch heute noch als durchschnittliche Lebenserwartung funktionieren.

Die zweite Erwähnung einer Zahl ist eher eine Gleichung bzw. eine Proportion: für Gott sind tausend (menschliche) Jahr wie ein Tag. Aus der Zusammenschau von Zahl (Alter) und Gleichung (1000 Jahre = 1 Tag) lassen sich weitere Schlussfolgerungen ziehen. Die Gleichung lässt sich zuerst auflösen Gott ist ein Tag wir 365000 menschliche Tag. Doch wohin mit dieser Zahl?

Welche Frage, d.h. welche Aufgabe könnte denn der Text enthalten, wozu diese Zahl brauchbar wäre? Wird nicht mit Vers 1 und Vers 2 indirekt die Frage danach erörtert, wie lang die Ewigkeit ist. Antwort 1: Die Ewigkeit ist auf jeden Fall länger als das Alter der Welt. Gottes Leben währte bereits vor der Entstehung der Erde und wird, das ist damit ja auch unausgesprochen gemeint, das Alter der Erde überdauern. Hier ist also eine größer als Funktion vorhanden: Alter Gottes > Alter der Erde.

Die vorhandenen Zahlen deuten daher auf das Alter der Erde insgesamt. Dazu nehme ich das Lebensalter der Menschen und setze dies in Proportion zur Zeit Gottes (des Schöpfers). Die dann entstandene Zahl für Tage wird sodann 1:1 in Jahre übersetzt:

365000x70x365 = 9325750000 Jahre ist hier das Alter der Erde von Anfang bis Ende.

Das Alter der Erde bis heute, die einzig realistisch messbare Zahl wird anhand von Gesteinsproben berechnet („Ehe denn die Berge wurden“ (V.1) und beträgt 4,5 Milliarden Jahre. (Quelle: http://www.waschke.de/twaschke/artikel/alter/alter_1.htm). Der von der Bibel für die gesamte Lebenszeit der Erde errechnete Wert ist also mehr als doppelt so groß. Damit stellt sich natürlich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, eine solche Berechnung hier anzustellen. Klar ist: Diese Berechnung hat keinen anderen Sinn als die Verdeutlichung eines Symbols, der Ewigkeit Gottes. Das Denken an die Ewigkeit Gottes muss eine unvorstellbar große Zahl enthalten, die auf jeden Fall auch das fiktive Alter der Erde übersteigt. Dass diese Zahl mehr als doppelt so groß ist wie das heute aus Gesteinsproben errechnete Erdalter halte ich für konsequent. Diese Berechnung ist aber auf jeden Fall genauer und dem Text angemessener als die Berechnung der Kreationisten, die das #Alter der Erde aufgrund eines kleinlichen Biblizismus auf 10.00 Jahre ansetzen. (siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Junge-Erde-Kreationismus). Die Berechnung der Zahlen, die wir vorgenommen haben ist nicht an naturwissenschaftlichen Fakten orientiert, sondern allein an den Zahlen, Gleichungen und Relationen, die der Text anbietet. An dieser Stelle sind Glaube und Naturwissenschaft nicht im Widerspruch!