„Das Kapital“ von Karl Marx verstehen. Rezension von Christoph Fleischer, Fröndenberg 2023

 

 

Zu: Karl Marx: Das Kapital, Kritik der politischen Oekonomie, Erster Band, Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals, Originaltext und -paginierung nach der Erstauflage von 1867, Mit einer Konkordanz zur MEGA, Herausgegeben vom Institut für Sozialkritik, ça ira-Verlag, Freiburg/Wien 2022, gebunden, Faksimile, 786 Seiten mit Nachwort zur Neuausgabe. ISBN 978-3-86259-149-7, 34,00 Euro (print) (Marx)

und: Aljoscha Bijlsma: Schwierigkeiten bei der Lektüre der Erstauflage des Kapitals. in: Sans Phrase, Zeitschrift für Ideologiekritik, Heft 21, Winter 2023, ça ira-Verlag, Freiburg 2023, ISBN 978-3-86259-921-9, Preis: 20.00 Euro, im Abo 15,00 Euro, S.237 – 258 (Bijlsma)

Warum die Erstauflage des „Kapitals“ lesen?

Die kommentierende Rezension von Aljoscha Bijlsma in der Zeitschrift Sans Phrase weicht ein wenig vom Nachwort des Herausgeberkreises in der Faksimileausgabe des „Kapital“ ab. Während dieser die Lektüre der historischen Erstauflage geradezu empfiehlt und gegenüber jeder Sekundärliteratur vorziehen will, betont jener die Schwierigkeiten der Lektüre.

Einleitende Bemerkungen.

Ein Faksimile kann eine fortlaufende Kommentierung nicht bieten. Stattdessen lädt es m. E. dazu ein, das Kapital von Karl Marx als historische Quelle zu lesen. Über die Wirkungsgeschichte kann man dabei auch ein wenig hinwegsehen, da diese schlicht nicht Thema sein kann.

Karl Marx ist am 5.5.1818 geboren und hat demnach erst mit knapp 50 Jahren die Arbeit an seinem Hauptwerk begonnen. Außer diesem hier vorliegenden Band wurden die anderen Bände von Friedrich Engels (1820 – 1895) nach einer letzten Bearbeitung herausgegeben.

Aljoscha Bijlsmas Aufsatz ist mehr als eine Rezension, bietet vielmehr die im Faksimile fehlende Einleitung über die Bedeutung dieser Marx-Ausgabe als Quelle und Denkanstoß. Er fragt die Leserinnen und Leser damit: Sollte man nicht doch die Denkbewegungen der ersten Schritte des Marxismus wieder aufgreifen und an die inhaltlichen Grundschritte marxistischen Denkens neu heranführen? Hierbei wird auch auf die Entwicklungen des philosophischen Denkens im 19. Jahrhundert hinzuweisen sein.

Als die erste Ausgabe des Kapitals erschien, war der Hegel-Schüler Kierkegaard schon fast 20 Jahre tot und Friedrich Nietzsches Bücher noch nicht geschrieben. (d. Rez.)

Worauf Karl Marx aufbaut.

Die Frage muss sein: Was hat Friedrich Hegel und mit ihm der gesamte Idealismus geleistet, dass man darauf die Kritik einer politischen Ökonomie aufbauen konnte. Aljoscha Bijlsma stellt fest: „Hegel nimmt das Opfer des Einzelnen nicht nur hin, sondern affirmiert es als seine höchste Pflicht:  Der Einzelne soll im Opfer noch sein Selbstbewusstsein gewinnen; (…)“ (Bijlsma, S. 252). Die Anknüpfung daran muss bei Marx nun zur wissenschaftlich zu begründenden Gegenbewegung werden, die im Grunde noch einem ähnlichen Denken verbunden bleibt. „Dass der Tausch von Arbeitskraft gegen Geld (Lohn) zwar dem Äquivalenzprinzip entspricht, ihm zugleich aber auch nicht entspricht und denjenigen, der nur seine Arbeitskraft feilbieten kann, eben um den Mehrwert ‚betrügt‘ ist für Max an dieser Stelle der Gegenstand des ersten Bandes.“ (S. 255).

Wertformanalyse, was ist das eigentlich?

Doch zuletzt lässt dieser Kommentar sogar offen, ob die Lektüre der Erstauflage des ersten Bands des Kapitels von Karl Marx wirklich die erste Wahl ist (s. S. 258), wie es noch emphatisch im Nachwort des Faksimiles behauptet wird. Leserinnen und Leser müssen sich dort nämlich durch die ersten Schritte hindurcharbeiten, die Marx Wertformanalyse nennt. Die Begründungen zum Mehrwert sind nämlich erst dann möglich, wenn verstanden wird, was Wert in der Wirtschaft überhaupt ist.

Kein „Mehrwert“ ohne „Arbeit“!

Die Bedeutung der Arbeit schwingt allerdings schon von Anfang an mit: Waren sind „materialisierte Arbeit“ (Marx, S. 4). Der Maßstab dafür ist die Produktivkraft (Marx, S. 5).

Ohne stofflichen Reichtum keine Arbeit, ohne Arbeit kein stofflicher Reichtum. (vgl. Marx, S. 9). Man spürt förmlich, wie Marx noch um die Erfassung der Begrifflichkeit ringt, dabei wird doch nur in Theorie gefasst, was in der Praxis längst vorliegt (man lese nur z.B. Marx/Engels: Das Manifest… erschienen 1848) (der Rez.)

Beispiele der Lektüre

Im Verlauf dieser „Wertformanalyse“ werden die Begriffe dazu ausdifferenziert: Die einzelnen Gewerke z. B. von Handwerk und Industrie werden als „Verwirklichungsform menschlicher Arbeit“ betrachtet. Daher erhielt darin die Arbeit ihre Funktion für die Gestalten des Wertes.“ (vgl. Marx, S. 27).

Hier ist auch bereits von Arbeitsteilung die Rede. „Hier entsteht der Waarencharakter der Arbeit.“ (Schreibweise im Original, Marx, S. 32). Sobald die Menschen in irgendeiner Art und Weise füreinander arbeiten, erhält die Arbeit auch eine gesellschaftliche Form (vgl. Marx, S. 36). Dass dafür auch die Religion sinnstiftend ist, kommt in einer Nebenbemerkung vor: Das Christentum ist die Religion, die, namentlich im Protestantismus, „mit seinem Kultus des abstrakten Menschen“, die passende Religion zur Vergegenständlichung der Arbeit ist. (vgl. Marx, S. 40).

Doch das bleibt eine Nebenbemerkung. Marx wird im weiteren Ablauf dieser ersten Studie darauf eingehen, dass die menschliche Arbeit die Gewinnung von Kapital erst ermöglicht, da sie die Entwicklung des Wertes ermöglicht, der im Warenhandel zum Preis wird.

Diese kurze Skizze sollte zeigen, dass die Lektüre des Kapitals in der Urfassung auch als philosophische oder theologischer Fragestellung lohnt, gerade weil in dieser ersten Auflage noch die Grundlagen der Gedanken und Referenzen dargestellt werden, die vielleicht in späteren Auflagen weggekürzt worden sind.

Fazit:

Wäre nicht in der aktuellen Diskussion mancher Aspekt dieser Ökonomie noch einmal aufzuarbeiten? In der Wirtschaftsdebatte heißt es oft: Das sollten wir nicht den Chinesen überlassen. Der alte Gruß der Arbeiterklasse ist in China noch präsent, dass konnte ich der Fernsehübertragung des Volkskongresses entnehmen.

Die Entwicklung der ökonomischen Gesellschaftsformation ist laut Marx ein „naturgeschichtlicher Prozess“ (Einleitung, S. XI). Ist es nicht gerade in der Zeit der „letzten Generation“ eine lohende Frage, die Zerstörungsgeschichte der Erde und ihre mögliche Rettung auch danach zu befragen? Die Kapitalisierung der menschlichen Arbeit ist demnach der Anfang dieser Zerstörung. Das besser zu verstehen, dazu sollten wir auch heute noch Marx in seinen Grundaussagen zur Kenntnis nehmen.

Der schwache Glaube, Rezension von Christoph Fleischer, Fröndenberg 2023

Zu: John D. Caputo: Die Torheit Gottes, Eine radikale Theologie des Unbedingten, Matthias Grünewald Verlag, Ostfildern 2022, Softcover, 167 Seiten, ISBN 978-3-7867-3298-3, Preis: 19,00 Euro,

Mit einer aktuellen Einleitung des Autors und einem Nachwort von Helena Rimmele, Herbert Rochlitz und Michael Schüßler

Aus dem Englischen von Helena Rimmele und Herbert Rochlitz

Link: https://shop.verlagsgruppe-patmos.de/die-torheit-gottes-303298.html

Zuvor:

Über meine Lektüre von Jacques Derrida und Gianni Vattimo und deren „schwaches Denken“ kam ich vor ca. 20 Jahren auf den Begriff vom „schwachen Glauben“, nach dem auch diese Homepage benannt ist. Erst später entdeckte ich Schriften von John D. Caputo, dessen Religionsphilosophie eine ähnliche Begrifflichkeit erforscht. Ich muss gestehen, dass ich kaum in der Lаge gewesen wäre, ein Buch von Caputo im Original zu lesen, obwohl ich es immer wieder versuche, da sie in einem anspruchsvollen Englisch formuliert sind. Umso mehr freut es mich, dass jetzt mit diesem Band eine deutsche Übersetzung vorliegt. Das Buch „The Folly of God“ greift in der Tat die Fragestellung des schwachen Glaubens in besonders Maß auf. Leider warten noch mehrere weitere Werke Caputos auf deutschsprachige Übersetzungen, die ich sehr begrüßen würde

Die Torheit Gottes.

Obwohl der Titel etwas schroff oder rätselhaft klingt, ist er ganz passend und bietet zugleich eine Chiffre, die sowohl zur Philosophie als auch zur Theologie passt. Sie greift ein Bibelzitat aus dem 1. Korintherbrief auf, das vielleicht gar nicht so wörtlich gemeint ist, wie es hier klingt, heißt es nämlich: „Das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen.“ (1. Korinther 1, 25). Da fragt sich ja kaum jemand, was die Torheit Gottes eigentlich ist. Aber das sollte man.

Möglichkeit und Grenze der Ontologie.

John D. Caputo greift zuerst auf Paul Tillich zurück, um sich aber an späterer Stelle wiederum von diesem deutsch-amerikanischen Theologen abzugrenzen. Für Tillich ist Gott das Unbedingte, das Sein selbst. Derrida, ein weiterer für Caputo wichtiger Philosoph, trennt zusätzlich das Unbedingte von jedem Machtanspruch, spricht von einer Macht ohne Allmacht. Diese Eigenschaft kann auf Gott übertragen werden.

Was meint Dekonstruktion?

Hierbei ist mit Derrida häufiger von Dekonstruktion die Rede. Das Unbedingte ist etwas, das nicht dekonstruierbar ist. Das heißt, das Unbedingte ist nicht mehr auf menschliche, gedankliche Konstruktion zurückzuführen. Dekonstruktion ist somit eine ideologiekritische Analyse.

Im weiteren Ablauf der Argumentation wird hier deutlich, dass auch die Ontologie z. B. bei Tillich oder Heidegger als Konstruktion entlarvt wird. Deren Gottesbegriffe klingen vielleicht schwach, sind es aber nicht. Mit dem schwachen Denken wird der Atheismus genauso entlarvt wie der Theismus. Caputo schreibt: „Die Religion des höchsten Wesens … ist eine spirituelle Kindheit, die in der Angst vor ewigen Strafen durchlebt wird.“ (S. 97).

Wer nun meint, Caputo wiederhole lange Bekanntes sollte weiterlesen. Denn die zentrale Aussage Caputos besteht darin, die Existenz Gottes zu bestreiten. Damit wird aber die Rede von Gott nicht sinnlos, sondern nur anders. In eigenen Worten würde ich (d. Rez.) das Gelesene so zusammenfassen: Gott ist nicht, Gott geschieht, Gott ereignet sich, Gott insistiert. Gott lässt sich auch als Name beschreiben: „Der Name ‚Gott (-es)‘ ist symbolisch, aber er umschreibt das ganze Bedeutungsfeld.“ (Caputo, S. 107)

Hierbei zeigt der von Hause aus katholische Religionsphilosoph, dass die Theologie oft mehr auf Aristoteles aufbaut als auf die Bibel. Dagegen hatte, so bemerkt der Katholik Caputo, schon Martin Luther protestiert.

„Theopoesie“ statt religiöses Wissen.

Schon auf den ersten Seiten des Buches begegnet der Begriff der „Theopoesie“. Später wird dann deutlich, dass dieser Hinweis die theologische oder religionsphilosophische Beschreibung des Gottesbegriffs ersetzt. (Das geht schon auf das schwache Denken von Vattimo und Derrida zurück. Diese meinen, Wissen sei Interpretation. D. Rez.)

Wer meint, Gott genau zu kennen, verbaut das mögliche Ereignis seines/ihres Geschehens. „Theopoetische Sprache,“ wie es Caputo nennt, „ist auf das Unbedingte zugeschnitten und passt genau zu dem Ereignis“ (des Namens Gottes, d. Rez., S. 118f.).

Arbeit mit der christlichen Sprache in der Gegenwart.

Ich fasse es für mich zusammen in den Worten Caputos: „Das Reich Gottes wächst mitten aus der Welt, es kommt nicht auf uns von oben herab.“ (S.137) Diese Erfahrung beinhaltet gleichzeitig auch eine Abgrenzung gegen eine starke Systematisierung: „Das Reich Gottes braucht keine königlichen Bevollmächtigten, es braucht, ja es erträgt keine Absicherung, keinen Grund, keine Ursache, kein Ziel.“ (S. 139f). Dabei solle man aber auch nicht auf eine zu starke negative Theologie im Sinn der Mystik hereinfallen, die lediglich eine alternative Ontologie bietet.

Fazit

Ich denke (d. Rez.), dass der Begriff „Torheit Gottes“ nicht zuletzt geklärt werden kann. Ist es mehr als der Teil eines Sprachspiels? Ist die Schwäche Gottes seine wahre Stärke, dann wäre eben genau dies eine Metaphysik durch die Hintertür (wie oben an der Mystik gezeigt). Was jedoch auf jeden Fall deutlich wird, wenn auch meiner Meinung nach zu wenig, dass die Bibel in weiten Zügen Beispiele für eine schwache Theologie enthält, z. B. die Kreuzestheologie. Dass aber auch andere Machtvorstellungen in Bezug auf Gott vorkommen, dürfte nicht überraschen. Caputo zeigt die Am Beispiel von Matthäus 25, dem Gleichnis vom Weltgericht.

Die Provokationen der „radikalen Theologie“ Caputos, in denen m. E. die frühe Dorothee Sölle nachklingt, sind aktuell. Die Verbindung zur Dekonstruktion lässt sich auch mit Husserls Phänomenologie und den Untersuchungen von Emanuel Levinas verbinden. Dass hier kein religiöser Subjektivismus gemeint ist, zeigen die biblischen Zitate und Anspielungen, die m. E. noch verstärkt werden könnten. Der Machtverzicht Gottes ist in vielen Texten der Bibel im Alten und Neuen Testament mit Händen zu greifen. Hier meine ich auch Spuren Jürgen Moltmanns politischer Theologe zu entdecken. Die Machtlosigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung kann somit nicht als Verlust, sondern als Chance begriffen werden.

Dokumente zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Rezension von Christoph Fleischer, Fröndenberg 2022

zu: Dietrich Bonhoeffer: Konspiration und Haft, 1940-1945, Herausgegeben von Jørgen Glenthøj (+), Ulrich Kabitz und Wolf Krötke, Dietrich Bonhoeffer Werke, 16. Band, Chr. Kaiser Verlag 1996 jetzt: Gütersloher Verlagshaus Gütersloh, 2. Auflage 2016, ISBN 978-3-579-01886-7, gebunden, 956 Seiten, Preis: 199,00 Euro (print)

Zum Einstieg

Der Preis des umfangreichen Buches überrascht zunächst. Sicherlich ist die sorgfältige Edition aufwändig, zumal das Buch den Forschenden ausführliche Register an die Hand gibt (über 200 Seiten).

Der Herausgeberkreis dokumentiert die Editionsgeschichte im Vorwort und bietet im Nachwort den Versuch einer historischen und theologischen Einordnung der Widerstandstätigkeit Dietrich Bonhoeffers, die hier ausführlich dokumentiert wird. Die im zweiten Teil abgedruckten theologischen Arbeiten sind allesamt unveröffentlicht, da Bonhoeffer zwischen 1940 und 1943 und erst recht während der Haft jede Veröffentlichung verboten war.

Es gibt einige Fragen, mit denen ich die Lektüre dieser Materialsammlung angehe, die nicht nur allein von Bonhoeffer selbst verfasste Schriften enthält, und zugleich Briefes an ihn wie z. B. von Eberhard Bethge, dem späteren Herausgeber seiner Gefängnisbriefe und Biograph, sondern auch Gerichts- und Prozessunterlagen.

Fragen

Eine meiner Fragen ist: Inwieweit war der Verfasser friedensethischer Schriften selbst Kriegsdienstgegner oder gar Verweigerer, was ihm ja nicht vorzuwerfen wäre? Als er 1939 erneut aus den USA zurückkehrte, musste ihm diese anstehende Entscheidung immer deutlicher werden. Er führte von Schlawe (Pommern) aus sogenannte Sammelvikariate und musste sich dort auch mustern lassen. Der Einberufung entging er durch die „uK-Stellung“ auf Antrag der Abwehr im Bereich der Reichswehr, zu der er nun offiziell gehörte. Hierzu hatte sein Schwager von Dohnanyi gesorgt.

Wie viele Auslandsreisen Bonhoeffer absolviert hat und wofür, ist wohl noch lange im Unklaren geblieben. So musste er während seines Aufenthalts im Kloster Ettal mehrere Monate auf das Visum für die Schweiz warten. Die Frage der indirekten Kriegsdienstverweigerung sollte in den Prozessakten einen breiten Raum einnehmen. Hierbei wird auch indirekt deutlich, dass die Abwehr selbst juristisch angreifbar schien. Leitende Beamte wir Wilhelm Canaris (1887 – 1945) und Hans von Dohnanyi (1902 – 1945) wurden ja ebenfalls von den Nationalsozialisten ermordet.

Die Frage, ist ob angesichts weitreichender Rede und Schreibverbote von herkömmlicher theologischer Arbeit überhaupt noch die Rede sein konnte. Trotzdem dokumentiert der Band, dass der Theologe Dietrich Bonhoeffer die Arbeit an theologischen Konzepten nicht aufgegeben hat.

Besonders der Briefwechsel mit Eberhard Bethge im ersten Teil erinnert in seiner Reflexion schon in weiten Zügen an die Gefängnisbriefe ( siehe: „Widerstand und Ergebung“, DBW Band 8). Zusätzlich wird immer wieder auf das Projekt der „Ethik“ (DBW, Band 6) Bezuggenommen, an der Bonhoeffer besonders in Ettal, aber letztlich bis zu seiner Verhaftung gearbeitet hat. Einzelne Themen der „Ethik“ sind von einem Situationsbezug her zu bewerten, der in den Dokumenten zwischenzeitlich angesprochen wird.

Eine weitere Frage ist, inwieweit Bonhoeffer schon in den politischen Widerstand involviert war. Hierzu wird es kaum schriftliche Quellen geben. Der Besuch in der Schweiz 1941 rechnet mit einer Möglichkeit des Kriegsendes durch eine Art Regierungswechsel. Wie dieser Umsturz geplant war, bleibt offen. War das Attentat vom 20.07.1944 als Auslöser eines Militärputsches gedacht oder sollte es so schnell es geht zurück zur Demokratie kommen?

Meine letzte Frage ist die nach Befremdlichem. Wie verhält sich die pazifistische Position, mit der Bonhoeffer den waffenlosen Dienst als Agent der Abwehr dem Kriegseinsatz vorzieht zu anderen Arten des Widerstandes gegen Hitler? Warum bezieht sich Dietrich Bonhoeffer in seinem Brief gegen den Vorwurf „volkszersetzender Tätigkeit“ nicht in erster Linie auf die Religion, sondern seine adlige und zum Teil untadelige bürgerliche Herkunft (S. 62)? Und gibt es gar in den Rundbriefen im Gedenken an die Gefallenen eine Art „Kriegstheologie“, wenn es z. B. heißt: „Braucht Gott etwa unsere Brüder zu irgend einem verborgenen Dienst für uns in der himmlischen Welt?“ (S. 193) Warum bezieht er sich in dem Bericht über die Deportationen nicht auf den Verdacht, es könne sich um Ermordungen handeln (vgl. S. 213 „nach Polen“)? Und: Warum gibt es in der kritischen Ausgabe Stellen, die als nicht zitierfähig bezeichnet werden? Worum geht es dabei, um private Beziehungen etwa?

Was typisch ist

Wie schon in „Widerstand und Ergebung“ werden zahlreichen theologische Fragen reflektiert. Erstaunlich sind dabei Bonhoeffers Formulierungen, die seinen Veröffentlichungen eine besondere Tiefe geben. Dazu am Ende der fragmentarischen Rezension ein Beispiel: „Die Unverantwortlichkeit der Zukunft gegenüber ist Nihilismus, die Unverantwortlichkeit der Gegenwart gegenüber ist Schwärmerei. Beides müssen wir überwinden und in dieser Aufgabe, die auch eine höchst persönliche ist – werden wir uns einmal vereinigen müssen und können…“ (Brief an Christoph Bethge, hier S. 223).

Würdigung

Der hier skizzenhaft rezensierte Band 16 der Dietrich Bonhoeffer Werke zeigt dass, wie schon bei der Neubearbeitung der Gefängnisbriefe unter der Überschrift „Widerstand und Ergebung“, überlieferte Dokumente und auch Briefe an und über Dietrich Bonhoeffer zum Verständnis seines Wirkens hinzugehören.

Hierbei wird zudem auch die historische Perspektive zu würdigen sein, in der Bonhoeffers Rolle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu bedenken ist. Letztlich ist ihm in der Funktion als Agent der Abwehr eine politische Funktion zugewachsen, die es neben der theologischen auch in Zukunft stärker zu würdigen ist. Dadurch wäre Bonhoeffers Theologie nun erst recht eine politische Theologie geworden.

Am Heiligenschein gekratzt, Rezension von Christoph Fleischer, Fröndenberg 2022

Zu: Ralf Frisch: Widerstand und Versuchung, Als Bonhoeffers Theologie die Fassung verlor, Theologischer Verlag Zürich 2022, Softcover, 172 Seiten, ISBN 978-3-290-18478-0 (Print), Preis: 19,90 Euro (25,00 Schweizer Franken)

 

Vorwort zur Rezension: Der Freund, Herausgeber seiner Briefe und Biograph Dietrich Bonhoeffers, Eberhard Bethge sieht die religionskritischen Einlassungen Bonhoeffers in der Kontinuität seines Schaffens und zeigt beispielsweise in der Biographie oftmals Querverbindungen auf. Daher kann der Text der Gefängnisbriefe („Widerstand und Ergebung“) keine einmalige Versuchung sein. Möglicherweise sind Bonhoeffers Ausschläge von ökumenisch über politisch bis theologisch modern nicht einlinig zu werten. Mag sein, dass man diese letzte Lebensphase als Gefährdung einstufen kann, aber bitte nicht als Versuchung.

Dass dieser Mensch, der 1945 als evangelischer Pfarrer und Theologe und als Mitwirkender einer Verschwörung und somit als Staatsfeind hingerichtet wurde als Opfer des Nationalsozialismus, nach seinem Tod ein fragmentarisches Werk hinterlässt, wird niemand in Abrede stellen. Besonders die „Ethik“, eine Sammlung nicht vom Autor autorisierter Manuskripte, sind ein Beispiel dafür. Das gilt erst recht für die Gefängnisbriefe („Widerstand und Ergebung“).

Trotzdem ist die Beobachtung bemerkenswert, dass Bonhoeffers Ausführungen oft ins Grundsätzliche formuliert sind. Doch als persönliche Anmerkungen im Briefwechsel mit Eberhard Bethge gemeinte Ansätze atheistischer Theologie dürfen m.E. nicht überbewertet werden. Dass diese neben den Gedichten gleichwohl die Perlen dieser Schrift sind, macht es Ralf Frisch möglich, hier am Heiligenschein eines Märtyrers zu kratzen.

Rezension: Aus der vorangestellten Bemerkung ergibt sich der Verzicht auf einen inhaltlichen Abriss des Essays von Ralf Frisch, dem ich eine gründliche Beschäftigung mit dem Werk Bonhoeffers nicht absprechen möchte. Sein Gedankengang ist nachvollziehbar und stützt sich auf die selektive Wiedergabe fragmentarischer Texte. Sein Begriff der Versuchung könnte man auch als eine Entgleisung deuten. Leider bleibt die Wirkungsgeschichte der Texte Bonhoeffers weitgehend außen vor.

Die Pointe der Arbeit von Ralf Frisch sei dennoch verraten: Ralf Frisch, Theologieprofessor aus Nürnberg, findet in den Texten der Gefängnisbriefe nicht nur eine Kirchen- bzw. Religionskritik oder eine Glaubenskrise, sondern vielmehr eine auffallende Nähe zu einer der letzten Schriften Friedrich Nietzsches, des „Antichrists“, erschienen 1888. Da Bonhoeffer Nietzsche nicht im Gefängnis gelesen hat, muss er auf eine frühere Lektüre zurückgreifen, vielleicht sogar in seiner Schulzeit. Ralf Frisch ignoriert hier wiederum die Biografie Eberhard Bethges, in der Nietzsche ausdrücklich im Stichwortverzeichnis vorkommt.

Sympathisch an der Untersuchung von Ralf Frisch finde ich hingegen, dass er Friedrich Nietzsche keinesfalls als Atheist versteht, sondern in der Schrift vom Antichristen eine Hommage an den Gekreuzigten liest. Im Sinn der liberalen Theologie wird hier also Jesus gegen die Kirche ausgespielt. Der „Tod Gottes“ zielte dann auf das Ende der Konstruktion eines religiösen Heilssystems, in dem Gott instrumentalisiert wird.

Die Aussage, Bonhoeffer soll zuletzt ein religöses amor fati (Liebe zum Schicksal, d. Rez.) nach dem Muster Nietzsches gefunden haben, ist unwahrscheinlich, da er noch 1943.  „nach 10 Jahren“ ausdrücklich dagegen argumentiert. Im Gedicht „Von guten Mächten“ ist von Gott die Rede als einem Du, nicht vom Schicksal („Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittren, des Leids…“).

Das in der „Höhle des Lockdowns“ entstandene Buch schließt mit dem Satz: „Wir sollten wissen, dass Gott allein weiss, ob es Gott wirklich gibt.“ (S. 172). Das klingt nach den oft sehr bestimmend auftretenden Argumenten des Buches nun doch zu vage. Besser würde hier ein Zitat Bonhoeffers passen als seiner Habilitation „Akt und Sein“: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“ (aus: Dietrich Bonhoeffer: Akt und Sein, erschienen 1931, DBW“, S. 114)

Möglichkeit eines atheistischen Glaubens, Rezension von Christoph Fleischer, Fröndenberg 2022,

zu:

Hartmut von Sass, Atheistisch glauben, Ein theologischer Essay, Matthes und Seitz, Berlin 2022, ISBN: 978-3-7518-0541-4, 150 Seiten, Klappenbroschur, Preis: 14,00 Euro

Da es im Essay/Büchlein von Hartmut von Sass darum geht, „atheistisch“ an Gott zu glauben, wird man zu Recht mit einer Auseinandersetzung mit Formen des Atheismus zu rechnen haben. Dies wird aber hier kaum geleistet, wozu sich der Autor allerdings auch äußert.

Stattdessen begibt er sich auf den Denkweg der theologischen Kritik des Theismus. Er katalogisiert etliche Varianten des (post-)modernen Umgangs mit theistischen Formen, um dann im zweiten Teil neu anzusetzen. Der Aufbau des zweiten Teils liest sich wie eine Kurzfassung der systematischen Theologie. Insofern kommt er hier auf das Ziel des Buchs zu sprechen. Im ersten Teil fällt mir auf, dass er eines der berühmtesten Zitate Dietrich Bonhoeffers ohne Nennung des Autors aufgreift: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“ (Zitat DBG, der Rezensent). Auch das Zitat von Gerhard Ebeling weist eine Nähe zu Bonhoeffer auf (S. 35): „… Glauben ist das Bestimmtsein der Existenz…“.

Ähnliches gilt auch für andere Autorinnen wie Dorothee Sölle und ihre Vor- oder Mitdenkerinnen. Aber die Frage der Referenz mag ja letztlich für einen Essay egal sein, der schlicht einen neuen Ansatz ausdrückt.

Sein Aufsatz ist philosophisch stringent formuliert. Er stellte Bezüge zu traditionellen und aktuellen Denkwegen auf. Diese Denkwege werden übersichtlich strukturiert und zumindest ansatzweise auf ihre Konsequenzen hin überprüft (obwohl mir diese Schlüsse manchmal etwas schnell erscheinen).

Im folgenden Zitat scheint mir die wahre Intention des Autors aufzuleuchten, die dann doch m. E. zum Panentheismus in einer gewissen Affinität steht: „Kein ontologisch autarkes Wesen wird nun theologisch charakterisiert, sondern die Theologie expliziert den glaubend vollzogenen Bezug auf diese eine Welt. Der atheistischen Revision religiösen Glaubens geht es folglich nicht um einen zur Welt addierten Referenten, sondern um eine irreduzible Referenz auf die uns umgebende Welt.“ (S. 38). Damit die Welt nicht direkt mit Gott gleichgesetzt wird, heißt es auch, es gehe um die Beziehung zum „Ganzen“.

An einem Bild, das sowohl als Hase als auch als Ente beschrieben werden kann, wird gezeigt, dass der Glaube nicht die Erfahrung der Welt ändert, sondern einen Perspektivenwechsel beschreibt. Das erinnert dann tatsächlich schon an einen philosophischen Gedankengang, wobei die Frage offen bleibt, ob von Sass das auch bis zum Ende des Buche durchhalten kann. Der Glaube kann also auf keinen Fall als „Hinterwelt“ gesehen werden, sondern allenfalls als neues Denken.

Im nächsten Abschnitt wechselt Hartmut von Sass ungeachtet aller Begrifflichkeit in eine positive Theologie, indem er feststellt: „Gottes Wirklichkeit ist sein liebendes Wirken am Menschen.“ (S. 62). Diese Bestimmung bewirkt nun eine Art existentiale Interpretation, die Hartmut von Sass gleich auf die Grundfrage anwendet. Glaube an Gott ist keine Einstellung zu etwas oder Glaube an jemanden, sondern eine Art Grundverständnis des Lebens: „Nicht an Gott wird geglaubt, sondern in Gottes Wirklichkeit wird gelebt. Gott ist die Wirklichkeit des Glaubens.“ (S. 65)

Da ich gerade noch sehr interessiert der religionsphilosophischen Spur des Autors gefolgt bin, reibe ich mir die Augen. Wo ist die ontologische Grundfrage geblieben, das Interesse an atheistischer Theologie? Atheismus bedeutet hier also nur, von einer abstrakten Gotteslehre abzusehen und eine Theologie der Existenz zu formulieren. Doch ist das noch Atheismus?

Eine Zwischenbesinnung fragt nach Aporien quasi postmoderner Gottesbegriffe, die meist auf eine Definition des Gottesbegriffs hinauslaufen und demnach konstruiert sind. Dazu gehört auch die bekannte Tautologie, Gott könne nur durch Gott selbst erkannt werden. Hierbei nimmt von Sass das bekannte Modell auf, verknüpft es dabei zugleich mit seiner Rezeption: „Wie niemals betrachtete Bilder kaum Kunst sein können, weil ihr Publikum zwar nicht Ursache, aber doch Medium ist, in dem Werke zu Kunst werden, so zeigt sich Gott in seiner Offenbarung, die er selbst ist, wenn sie von jemandem vernommen wird.“ (S. 69f)

Das Thema „Anfechtung“ bringt es auf den Punkt. Schon nach Luther und Calvin ist Glaube selbst ein unverfügbares Geschenk, kein Koffer von Sicherheiten. Hier spricht von Sass zu Recht von Dekonstruktion: „Im spätmodernen Vokabular könnte man auch von einer Dekonstruktion sprechen, die den Glauben auf seine Brüche und inneren Spannungen hin befragt, ohne ihn zu verabschieden.“ (S. 74)

Glaube ist ohne Anfechtung, ja Unglaube nicht denkbar, wäre eine sture Wahrheitsbehauptung. Anfechtung im Inneren des Christseins ist das, was gesellschaftlich der Atheismus ist. Dass an dieser Stelle jeder Fundamentalismus scheitern muss, weil er den Zweifel ausblendet und den Glauben damit dem Scheitern aussetzt, wird hier (noch) nicht angedeutet.

Nun folgt das zweite große Kapitel des Buches.

Die folgenden theologischen Skizzen machen nun tatsächlich ernst mit einer Dekonstruktion der religiösen Wirklichkeit. So ist die Schöpfung in der Tat nicht im Ansatz eine religiöse Theorie der Weltentstehung, sondern beschreibt schlicht das Entstehen des Glaubens.

Das gleiche Methodenspiel wird nun auf die Frage nach dem Bösen, also schlicht die Theodizee angewandt. Es ist sehr oft von Hiob die Rede. Am Ende kommt von Sass auf Jürgen Habermas zu sprechen und das „Bewusstsein von dem, was fehlt“. Hiob, so heißt es zuvor, ist kein Antwortgeber auf die Frage nach dem Leid, sondern illustriert hingegen, dass diese Frage nicht nur glaubende Menschen lebenslang begleitet.

Sünde und Schuld, die dann zur Sprache kommen, dürfen nicht verwechselt werden. Die Rede von der Sünde gilt nur innerhalb des Glaubens und bezeichnet eine Krise in der Beziehung zu Gott.

Hierzu ein Zitat: „Der Glaube an Gott schafft das Problem, das er selbst bekämpft, so ließe sich die zirkuläre Lage zuspitzen. Das spricht nicht gegen diesen Glauben, sondern entfaltet seine innere Dynamik. Wie mit dem Fußball die Abseitsfalle in die Welt kommt, die ohne ihren sportlichen Kontext selbst ins Abseits geriete, so haben die Sprachspiele des Glaubens nur innerhalb der Glaubenspraxis ihren Ort und Sinn.“ (S.110).

In diesem Abschnitt gesteht von Sass der Theologie tatsächlich einen Zirkelschluss zu, was m. E. philosophisch zu einer Aporie führt. Besser hingegen ist am Ende des Abschnitts die säkulare Deutung der Auferstehung, die m. E. schon von der Theologie des Paulus beispielsweise belegen lässt: „Die Verkündigung der Auferstehung von den Toten muss daher nicht als mirakelhafte Revision eines eigentlich unwiderruflichen Todes aufgefasst werden, auch nicht als martialische Opferung des Sohnes durch den auf Satisfaktion bestehenden Vater (…). Vielmehr kann Jesu Auferstehung als Artikulation eines Glaubens daran verstanden werden, dass sein Heilen und Predigen ein Geschehen sei, welches mit diesem Tod am Kreuz gerade nicht endet;“ (S. 116).

Als praktischer Aspekt des Glaubens ist nun das Beten zu besprechen. Hierbei geht es insbesondere um die Anrede bzw. den Adressaten des Gebets: „Wenn sogar für das Gebet als Bitte gezeigt werden kann, dass es keinen Gott als Quasi-Person reaktivieren muss, sind dem Theismus in all seinen Schattierungen die besten Gründe genommen.“ (S. 120) Gebete bekommen so etwas Unerhörtes. Die Wirklichkeit der Adresse bleibt unverfügbar und ist doch gerade deshalb gewünscht.

Dazu schiebt von Sass nun einen „Exkurs“ ein. Wieder wird die Beziehung zu Gott zu einer Beziehung in Gott. Dass religiöse Traktate nicht nur schon früher mit einem Gebet begannen, sondern auch schlicht als Gebet formuliert waren, wäre als bekannt vorauszusetzen, um nur an Karl Barths Anselmzitat zu denken. Ist also der von Sass entwickelte theologische Atheismus nichts anderes als dialektische Theologie? (d. Rezensent)

Im letzten Abschnitt geht es um Hoffnungsaspekte des Glaubens. Von Sass warnt davor, in den Ereignissen des Hoffnungsglaubens „die Haltepunkte eines geschichtstheologischen Fahrplans in Richtung Zukunft zu sehen“ (S. 139). Vom atheistischen Glauben her, ist nicht Gott, sondern der Glaube selbst der Dreh- und Angelpunkt, was zu einer präsentischen Eschatologie führt: „Man steht von den ›Toten‹ auf, indem man (wieder) zum Glauben findet; und wem dies widerfährt, der hat bereits das »ewige Leben« (so Joh 3,36);…“ (S. 139) Glaube ist demnach nun doch nichts anderes als das Leben für eine bessere Zukunft.

Darauf folgt ein Nachwort bzw. ein Epilog. Er findet einen Ort für die nichtreligiöse Interpretation des Glaubens (ohne diesen Ausdruck zu gebrauchen) in einer Reflexion des Karsamstags.

Obwohl der Essay reichlich Anmerkungen enthält, finde ich doch wenig inhaltliche Referenzen, von dem sinntragenden Ebeling-Zitat am Anfang mal abgesehen. Dorothee Sölle, die den Ausdruck „atheistisch an Gott glauben“ als erste geprägte hat kommt genauso wenig zu Wort (außer in der ersten Anmerkung), wie Jürgen Moltmann, Dietrich Bonhoeffer und andere. Vielleicht ist das auch gut, dass es dem Autor nicht in erster Linie um Referenzen geht, sondern darum, einen eigenen Gedankengang zu entfalten und an einige Beispielen auszuführen. Dafür sollten wir ihm dankbar sein, weil sich von diesen Abschnitten auch neue Gedanken entwickeln lassen. Es ist jedenfalls deutlich geworden, dass dieser atheistische Glaube den Neuen Testament keinesfalls fremd ist, sondern sich von einigen Bibelstellen her direkt entfalten lässt.