Wie im Himmel, so auf Erden, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2021

Zu:

Jan-A. Bühner: Jesus und die himmlische Welt, Das Motiv der kultischen Mittlung zwischen Himmel und Erde im frühen Judentum und in der von Jesus ausgehenden Christologie, Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen 2020, Softcover, 488 Seiten, ISBN: 978-3-7720-8725-7, Preis: 98,00 Euro (print)

Dr. Jan-A. Bühner war bis zu seinem Ruhestand Pfarrer, Dekan und Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart. Das vorliegende Buch entstand bereits im Jahr 1983 als Vorlage für eine Habilitation, wurde aber erst 2020 veröffentlicht. Klaus Berger, Prof. em. aus Heidelberg, schreibt in seinem Geleitwort, dass diese Arbeit heute gebraucht wird, um die Ergebnisse der Qumranforschung inhaltlich klarer einordnen zu können. Klaus Berger schreibt: Vor allem sollte der jüdischen Himmelssymbolik Gerechtigkeit widerfahren …. Und Jesus redet schließlich vom „Himmelreich“. (S.14)

Um einen kleinen Eindruck dieser Arbeit zu vermitteln, gebe ich einige Beobachtungen aus dem Anfangsteil wieder, der die Thematik in der Erforschung des Neuen Testaments verortet.

Jesus: dem Himmel zugehörig

Theologiegeschichtlich ist der Himmel seit der Aufklärung unwichtig bzw. rational rein zeitlich gedeutet worden. Es gilt aber als sicher, dass sich Jesus nach dem neutestamentlichen Zeugnis als dem Himmel zugehörig versteht.

Diese Beobachtung des Autors wird in der Übersicht über die Konzepte der Eschatologie in der neutestamentlichen Exegese um und seit 1900 gegeben. Darin wird der Himmel entweder temporal verschoben oder rational erklärt (z. B. nach Bousset, Schweitzer, Bultmann u. a. ).

Der Gott der Mystik wohne nicht im Tempel, sondern im Herzen.

Die durch die neuere Exegese abgelöste religionsgeschichtliche Schule sei wieder neu zu würdigen, da hier die Gegensätze zwischen Eschatologie (Zukunft) und Mystik (Gegenwart) aufgehoben zu sei scheinen. Er schreibt z. B.: „Der Gott der Mystik wohne nicht im Tempel, sondern im Herzen.“ (S. 40)

Auch der bekannte Neutestamentler Ernst Lohmeyer habe auf die Bedeutung der „Zukunftstheologie des 2. Tempels“ für die Jesustradition hingewiesen (vgl.S.45).

Jedenfalls geht die Ausdrucksweise, die Jesus als Erhöhten ansieht, auf Formulierungen der jüdischen Mystik zurück. Hier heißt es, die Aufgabe des Tempels sei die Vermittlung zwischen Himmel und Erde, eine Aufgabe, die später auf Jesus bezogen wird.

Im zweiten Teil des Buches wird die jüdische Literatur der Spätantike herangezogen. Der dritte Teil widmet sich der frühchristlichen Literatur im Neuen Testament und auch darüber hinaus.

„Sohn“ aus dem „Haus des Vaters“

Die Ausdrucksweise vom „Sohn“ aus dem „Haus des Vaters“ wird als jüdische Formulierung vor allem in den Texten von Jesu Taufe herausgestellt. Die Ausdrucksweise vom „Menschensohn als himmlischer Hoherpriester“ zeigt inhaltlich die Verbindung zum jüdischen Kultgeschehen, aber auch schon die Abstraktion und Umwandlung.

Die Eschatologie hat nach Bühner schon in der Person Jesu „präsentifizierende Züge“, da seine Verbindung zum Himmel bzw. zum Vater in den Evangelien seine Wort- und Handlungsmacht verdeutlicht.

An dieser Stelle taucht eine Bemerkung zu Jakobus auf, die die Familie Jesu in den Blick nimmt und in der dieser auch als Zeuge die Bedeutung Jesu ernst nimmt. Jan-A. Bühner schreibt hier: „Das christologische Zeugnis des Jakobus weist ausdrücklich auf den Menschensohn. Der Menschensohn, der zur Rechten der Großen Kraft thront, also zur unmittelbaren Sphäre der Heiligkeit Gottes gehört, überhöht offenbar die Verbindungskraft des Tempels bzw. begründet sie neu, und schafft ein neues ungenealogisches Priestertum.“ (S. 440).

Ein kurzes Nachwort aus dem Jahr 2020 greift einige aktuelle Veröffentlichungen auf, die einzelne Beobachtungen Bühners verstärken, z. B. indem sie auf einen frühjüdischen Baptismus hinweisen. Das Nachwort ist aber m. E. zu kurz. Denn da der Bearbeitungszustand des Buches auf dem Stand von 1983 ist, hätte hier eine ausführlichere Bearbeitung erfolgen sollen, die z. B. auch die Arbeiten von Peter Schäfer einbezieht, dessen frühe Veröffentlichungen schon in der Literaturliste genannt sind. Auch die von Klaus Berger genannte gründlichere Kommentierung einzelner Stellen aus Qumran oder anderer Texte wäre interessant. Die Verbindung und der Dialog zwischen Judentum und Christentum steht immer wieder auf der Tagesordnung und kann gewiss nicht mit den Prädikaten „alt“ und „neu“ passend beschrieben werden.

Vielleicht ist das Zeugnis des Urchristentums „älter“ als man in der Redeweise vom alten und neuen Bund vorspiegelt. Bezeichnend wäre vor diesem Hintergrund die Frage, warum damals diese doch interessante und ausführliche wie wissenschaftlich gründliche Habilitation abgelehnt worden ist. Wurde in der Politik der theologischen Fakultäten dieses Thema bewusst unterdrückt? (Wenn ich zu dieser Frage einen Kommentar erhalte, ergänze ich die Rezension entsprechend. d. Rez.) Ich selbst habe in den späten siebziger Jahren in Münster die Auseinandersetzungen in der Fachbereichspolitik an der Uni Münster miterlebt. Jan-A. Bühner und dem Verlag sind zu danken, dass diese Arbeit nun doch noch veröffentlicht worden ist. Die Debatte um den jüdischen Jesus ist damit wieder neu eröffnet.