Zukunft ist möglich, aber wie? Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2020

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Lars Jaeger: Mehr Zukunft wagen! Wie wir alle vom Fortschritt profitieren, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2019, gebunden, 288 Seiten, ISBN: 978-3-579-01480-7, Preis: 22,00 Euro (print)

Link: https://www.randomhouse.de/Buch/Mehr-Zukunft-wagen/Lars-Jaeger/Guetersloher-Verlagshaus/e558875.rhd

Meine Frage an das Buch von Lars Jaeger über die Zukunftsperspektive ist, ob der Untertitel wirklich den „roten Faden“ formuliert und nicht nur ein Anstoß eines sicherlich wichtigen Aspekts liefert, dass eben alle vom Fortschritt profitieren, egal auf welcher Seite sie etwa in der Klimadebatte stehen.

Zum einen lese ich: Die Zukunftsangst ist berechtigt. 

Aber trotzdem wird der Umgang mit der Zukunftsfrage gerade in der Form der Prognose kritisiert. So lassen sich gerade auf die letzten 50 Jahre bezogen auch signifikante Veränderungen konstatieren. Einmal ist etwa die wissenschaftliche Basis eines Berichts vom Club of Rome von 1968 von heute aus zu hinterfragen. Natürlich ist der Wald bedroht, aber heute nicht mehr durch den sauren Regen, sondern von den Folgen der Klimaveränderung.

Sogar die Überbevölkerung sei nicht zwangsläufig eine Katastrophe, die zum Kollaps der Erde führt. Schon seit dem 18. Jahrhundert wurde das moderne Bevölkerungswachstum prognostiziert und auf die Folgen umgerechnet. 

Was bei beiden Prognosen fehlt, worin Lars Jaeger recht gegeben werden muss, ist die Flexibilität der menschlichen Reaktionsfähigkeit, zu der nicht zuletzt die Forschung beiträgt. 

An dieser Stelle der Argumentation bricht das Buch aber eigenartigerweise ab und ignoriert weitere Folgen weltweiter Ressourcenverschwendung. Der global wirkenden Kapitalismus ist auch sicher nicht nur ein Segen. Könnte nicht doch die weltweite Verknappung des Wassers und die zusätzlich steigende Trockenheit der menschlichen Kreativität schlicht die Zeit nehmen?

Ich empfinde es hier nun schon fast als Themenwechsel, dass sich das Buch im zweiten Hauptteil den neuen Schlüsseltechnologien widmet. Und hier knüpft meine Frage an, ob zwischen diesen Buchdeckeln nicht wirklich zwei Bücher schlummern, die kunstvoll miteinander verknüpft worden sind. Sicherlich ist dem Autor darin Recht zu geben, dass auch ökologisch argumentierende Wissenschaftler und Politiker die Fortschritte der Technologie nicht ausblenden, sondern gerade zu eigen machen. Die Vision vernetzter Stromnetze etwa lässt sich ohne den technologischen Fortschritt kaum denken. Die Technologien selbst stellen ja auch die Zukunft nicht in Frage, sondern das menschliche Verhalten.

Insofern ist der letzte Teil des Buches eine gute Anknüpfung an die Frage des ersten Teils und kommt quasi damit auf das Zukunftsthema wieder zurück. Hier wird die Zukunftsfrage nun philosophisch ausgewertet. Es wird einerseits eine neue Aufklärung geben müssen und, so Lars Jaeger, auch von einer neuen Ethik die Rede sein, die den menschlichen Egoismus zugunsten einer Philosophie des Teilens überwindet. Schade, dass dieses Thema nicht schon am Anfang des Buches steht.

Am Ende dieser Rezension möchte ich auf eine Rezensentin hinweisen, die ausschließlich mit kurzen Videos auf youtube arbeitet, genannt Bücherliebe. Sie hat das Buch von Lars Jaeger ebenfalls besprochen: 

https://youtu.be/bc1U53Cb2yQ

Glosse zum Dortmunder Kirchentag 2019, Niklas Fleischer, Dortmund 2019

Als Teilnehmer des Kirchentages 2019 in Dortmund habe ich ein großartiges und buntes Fest erlebt.

Der öffentliche Nahverkehr war mit der Dezentralität der Veranstaltungsorte zwar etwas überfordert, im Großen und Ganzen hat die Organisationsarbeit für mich aber gut funktioniert. Vom Mittwoch den 19.07. bis zum Sonntag den 23.07. war es somit rund 100000 Besuchern möglich, ein friedliches Fest zu feiern.

Dennoch habe ich nach dem Kirchentag im Rückblick einige Zweifel an Themen, die sich für mich wie ein roter Faden durch den Kirchentag gezogen haben (inklusive Eröffnungs- und Abschlussgottesdienst).

Ich formuliere Punkte bewusst ironisch überspitzt:

„Wir verdammen AfD-Politiker und -Wähler und möchten uns nicht näher mit ihnen auseinandersetzen.“

„Wir möchten uns nur in unserer eigenen Meinung bestärken, alles andere soll bitte vor der Tür bleiben!“

Auch Wirtschaftsmigration und Flucht war ein großes Thema, auf das ich im folgenden Text aber nicht weiter eingehen möchte, da dies den Rahmen dieser kurzen Glosse sprengen würde. „Glosse zum Dortmunder Kirchentag 2019, Niklas Fleischer, Dortmund 2019“ weiterlesen

Human schlachten? Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2019

Zu: Jana C. Glaese: Kann Schlachten human sein? In: Philosophie Magazin, Juni/Juli 2019, Philomagazin Verlag, Berlin, Seite 22 – 29, D: 6,90 Euro

Ehemaliger Schlachthof in Soest, jetzt Kulturzentrum.

Als ich in diesem Tagen in Soest am Kulturzentrum Alter Schlachthof vorbeiging, musste ich erneut an den Artikel von Jana C. Glaese (Soziologin, geb. 1988, promoviert z. Zt. an der New York University, USA) denken. Sie berichtet vom Besuch eines Schlachthofs in Springfield (Vermont, USA), in dem „respektvoll“ und in kleinen Stückzahlen geschlachtet wird. „Human schlachten? Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2019“ weiterlesen

Vom Lernprozess der Quanten-Physik, Rezension, Christoph Fleischer, Welver 2019


Zu: Lars Jaeger: Die zweite Quantenrevolution, Vom Spuk im Mikrokosmos zu neuen Supertechnologien, Springer Verlag Deutschland, Berlin 2018, 561 Seiten, ISBN (print): 978-3-662-57518-5, Preis: 22,98 Euro

Zunächst eine Vorbemerkung: Als ich mein naturwissenschaftliches Abitur gemacht habe, führte mich mein Weg zur Theologie. Es kam mir wie ein Themenwechsel vor. Dass gerade darin eine Verbindung liegen könnte, hätte ich damals nicht gedacht.

Gerade diese Verbindung zwischen Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft taucht in der Diskussion um die Quantenphysik immer mal wieder auf und wird von Lars Jaeger aufgegriffen. Es geht ihm um die nötige Versachlichung dieser Wahrnehmung, aber auch darum, sie nicht missbräuchlich zu verwenden. 

Interessant sind diese Querverbindungen zur Philosophie, die aber nicht mit „Quantenesoterik“ oder einem „Tao der Physik“ verwechselt werden dürfen. Diese Interpretationen werden als Versuche gewertet, die Quantenphysik zu vereinnahmen. 

Anders geht es der Frage nach dem Sein in Religion und Philosophie, wie etwa ein Diskurs über das Denken der Buddhismus im Vergleich mit den Erkenntnissen der Quantenphysik verdeutlicht.

Der Autor Lars Jaeger (Supermacht Wissenschaft, 2017) schildert im Buch die geschichtliche Entwicklung der modernen Physik wie einen fortlaufenden Krimi. Manche Namen sind bekannt: Einstein, Bohr, Schrödinger, Heisenberg und andere. 

Doch wer oder was war „Schrödingers Katze“? Kein Tierversuch, sondern ein logischer Beweis quantenphysikalischer Regeln. Leider stirbt die Katze, wenn das Gedanken-Experiment geklappt hat. 

Es geht nach Lars Jaeger in der Quantenphysik nicht in erster Linie um ein Verständnis für Astronomie, was für mich persönlich immer eine Assoziation zur Relativitätstheorie war, sondern um eine Erfahrungswelt im Mikrobereich, in der die Regeln der Newtonschen Physik, von der Schwerkraft dominiert, nicht gelten.

Es gibt demnach zwei völlig verschiedene Welten der Physik, die Welt der vordergründig erlebbaren Phänomene und die Welt der kleinsten Teilchen, die dennoch über die technischen Erfindungen mehr und mehr relevant werden.

Wissenschaftlichen Erkenntnisse werden dargelegt, aber auch Machtspiele und Intrigen der Wissenschaftler, deren Ergebnisse nicht immer deckungsgleich waren oder Aspekte ausblendete. Nebenbei ist das Buch ein Who-is-Who der Nobelpreisträger.

Das größte Problem der Physik ist trotz aller erheblichen Fortschritte noch nicht gelöst, wird aber als lösbar angesehen. Es ist die Frage des Übergangs zwischen Mikro- und Makrophysik, der vor allem für Fortschritte in der Computertechnologie, aber auch jede Art von Anwendung nötig ist. Da die Regeln der Mikro- und Makrowelt völlig verschieden sind, muss es zu einer technisch-praktischen Anwendung eine Brücke zwischen diesen physikalischen Welten geben. Für mich war es aber wichtig zu lesen, dass die Ergebnisse der Quantenphysik meistens durch Experimente bewiesen werden konnte, wenn auch zum Teil erst Jahre später.

Überraschend war, dass auch die Genetik zu den Ergebnissen der Quantenphysik gehört. Wenn damit die weitere Entwicklung unter Einbeziehung der Biologie denkbar ist, wird es zugleich spannend wie gefährlich, wenn man z. B. an die Veränderung des Erbguts und andere Manipulationen denkt. 

Die Entwicklung der Physik wird immer auch zu einer ethischen Frage danach, ob der Fortschritt ein heilvoller Weg sein wird. Mir scheint aber auch nach der Lektüre des Buches eine reine Ablehnung des Fortschrittsglaubens doch zu kurz zu greifen.

Die ethische Frage wird im Epilog narrativ in einer Science-Fiction-Vision für das Jahr 2050 dargelegt. Es kommt die künstliche Intelligenz in den Blick, die von der Frage der Quantenphysik gar nicht weit entfernt ist. So ist der Schluss des Buches letztlich offen und wirft neue Fragen auf.

Die historisch strukturierte Darstellung der Entwicklung ist auf Zukunft hin angelegt. Es gibt Probleme, Umwege, Rätsel und Fragen. Doch von einem Scheitern der Wissenschaft kann keine Rede sein. Das Konzept der Verantwortung ist allerdings von der Wissenschaft selbst nicht mehr zu trennen.

Frieden als Jahresmotto, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2018

Zu: Martina Walter, Martin Werth (Hg.): Suche Frieden und jage ihm nach! Die Jahreslosung 2019, Ein Arbeitsbuch mit Auslegungen und Impulsen für die Praxis, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2018, Paperback, 206 Seiten, ISBN: 978-3-7615-6539-1, Preis: 12,99 Euro

Wem ist es nicht auch schon passiert, dass er oder sie kurz vor Weihnachten auf einmal entdeckt, dass 7 Tage nach Heiligabend der Jahreswechsel ansteht und dass dazu die Jahreslosung auch eine gute Anregung bietet, über Vergangenes und Kommendes nachzudenken. 2019 lautet diese: Suche Frieden und jage ihm nach! „Frieden als Jahresmotto, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2018“ weiterlesen