Eigenständig im digitalen Leben, Rezension von Christoph Fleischer, 2018

Zu:

Alexandra Borchardt: Mensch 4.0, Frei bleiben in einer digitalen Welt, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2018, gebunden, 255 Seiten, ISBN: 978-3-579-08692-7, Preis: 20,00 Euro

Die Journalistin der Süddeutschen Zeitung Dr. Alexandra Borchardt lehrt und arbeitet in Oxford am Reuters Institute for the study of Journalism. Man merkt es dem Buch an, dass es den Mittelweg geht zwischen der an ein weiteres Publikum gerichteten journalistischen Veröffentlichung und einer wissenschaftlichen Arbeit. Die Vielzahl von Referenzen, die im Lauf des Textes zitiert oder angesprochen werden, spiegeln sich in dem nach Kapiteln gegliederten Anhang der Anmerkungen, der so zugleich zum Literaturverzeichnis wird. Dieser Stil, der jetzt eigentlich immer häufiger im Sachbuch vorkommt, hat den Vorteil, ein aktuelles Niveau der Auseinandersetzung mit dem Thema vorzuweisen und zugleich verständlich zu bleiben. Der Eindruck, dass die aufeinanderfolgenden Inhalte dann nacheinander abgearbeitet werden, eröffnet zugleich den Eindruck eines Kaleidoskops aktueller Veröffentlichungen.

Ohne eine knappe Inhaltsangabe dieser Rezension hinzuzufügen, möchte ich mich lieber persönlich zum Buch äußern. Hierdurch wird zugleich deutlich, dass man hierbei von einer Ethik der digitalen Erfahrungswelt sprechen kann.

Ich habe mich in den regelmäßigen Angeboten von Ebay und Amazon wiedergefunden, die durch sogenannte Algorithmen gesteuert werden, von denen die Autorin schreibt. Die Angebote und Kaufvorschläge, die ich selbstredend nicht oft aufgreife, orientieren sich oft genug an dem, was mich im Moment beschäftigt. Und dabei geht es tatsächlich nicht nur um Fortsetzungen meiner früheren Käufe, sondern manchmal auch um Buchideen, die ich weder angefragt noch bereits im Internet angesehen habe, bei denen ich mich dann frage: Woher weiß das Internet das schon wieder?

Eine Frage, die das Buch durchzieht, ist schon vom Titel her vorgegeben: Liegt die Lösung im ständigen Konflikt zwischen Internetnutzung und der eigenen Person nicht allein darin, dass ich das Internet so nutze, dass ich mich nicht von ihm besitzen zu lassen? Ein Beispiel: Ich lese die Zeitung wie früher am Frühstückstisch, allerdings seit einem Jahr digital. So liegt das iPad selbstredend auf dem Frühstückstisch. Gerade diese Situation sollte laut Alexandra Borchardt eine internetfreie Zone sein. Dann werde ich die Zeitung wohl demnächst vor oder nach dem Frühstück lesen müssen.

Die Zusammenfassung des Buches ist überschrieben mit: „Kleine Philosophie der Freiheit in der digitalen Welt – das gute Leben“ (Kapitel 8). Die Ansätze dieses Essays bestehen darin, sich im digitalen Leben weiterhin politisch zu verstehen. Wir werden eine „lernende Gesellschaft“, aber wir brechen zugleich das „Effizienz – Diktat“. Wenn das Internet eine neue Tendenz zur Dezentralisierung fördert, dann ist das im Sinn des gesellschaftlichen Lebens. Das funktioniert aber nur, wenn die Vereinzelung aufgebrochen wird. Die Vernetzung muss die Menschen geradezu auffordern, eigenständig zu denken und zu handeln.

Vielleicht gibt es nicht ganz wenige Menschen, denen man mit einem Geschenk dieses Buches einen Gefallen tun kann, vielleicht sogar zu Weihnachten.

Internet-Seelsorge, Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2014

Zu: Birgit Knatz, Handbuch Internet Seelsorge, Grundlagen Formen Praxis, Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 2013, ISBN 978-3-579-07402-3, Preis: 29,99 Euro

20140201-230438.jpgEs ist ein Kennzeichen systemischer Seelsorge, dass es keinen einheitlich passenden Ansatz für alle möglichen Situationen und Arbeitsbereiche gibt. Wichtig ist zusätzlich, auf die Genese des jeweiligen Seelsorge-Segments zu schauen. Der Bereich Internetseelsorge liegt schon von der Nutzung technischer Medien her der Telefonseelsorge nahe. So verwundert es nicht, dass die Leiterin der Telefonseelsorge Hagen (Westfalen) das „Handbuch Internet Seelsorge“ geschrieben hat.

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Fertig zum Kentern? Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2012

Zu: Marie Katharina Wagner: Die Piraten, Von einem Lebensgefühl zum Machtfaktor, Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 2012, ISBN 978-3-579-06645-5, Preis: 19,99

Das Buch über die Piraten-Partei der FAZ Autorin Marie Katharina Wagner erschien am 26.11.2012, einen Tag nach dem Bundesparteitag der Piraten zum Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2013. Typisch für die Piraten war bei dieser Veranstaltung, dass eine Versammlung nicht in der Lage war, ein vollständiges und durchstrukturiertes wirtschaftspolitisches Wahlprogramm zu beschließen. Immerhin konnten einige Positionen die Mehrheit der Delegierten finden, so dass die Partei über den Ansatz eines Profils verfügte. Warum? Es wäre doch ein Leichtes gewesen, die Positionen über Internet und Twitter vorab abzustimmen und zur Übereinstimmung zu bringen. „Fertig zum Kentern? Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2012“ weiterlesen

Datenflut und Hackerethik. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2011

Zu: Thomas Fischermann und Götz Hamann: Zeitbombe Internet, Warum unsere vernetzte Welt immer störanfälliger und gefährlicher wird. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2011, ISBN 978-3-579-06682-0, Preis: 17,99 Euro

Kürzlich begegnete mir eine Twitter-Meldung des Users @zeitbomber (kein Tippfehler!), die darauf hinwies, dass ein automatischer Facebook-Button „gefällt mir“ auf einer Homepage möglicherweise dazu dient, unerlaubter Weise persönliche Daten der Nutzung dieser Homepage an Facebook zu übermitteln, was von Seiten der Homepage-Betreiber indirekt ein Straftatbestand sein könnte. „Datenflut und Hackerethik. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2011“ weiterlesen

Information in the First Life! Christoph Fleischer, Werl 2010

Rezension zu: Markus Reiter, Dumm 3.0. Wie Twitter, Blogs und Networks unsere Kultur bedrohen. Gütersloher Verlagshaus 2010, ISBN 978-3-579-06883-1, 17,95 Euro

Die Formulierung des Buchtitels „Dumm 3.0“ spielt an auf die Bezeichnung des interaktiven Internets als „Web 2.0“. Damit ist die rhetorische Figur der Klimax gemeint, deren Aussage hier ist: Nach Web 2.0 kommt Dumm 3.0. Dass diese Phase jetzt schon im Internet angekommen ist, zeigen z. B. auch erste Reaktionen auf Interviews zu diesem Buch z. B. auf Twitter, womit es aber auch Aufmerksamkeit erzeugt.

Journalismus muss bezahlt werden, um gut zu bleiben.
Markus Reiter kennt sowohl vom „Readers Digest“ als auch von der „FAZ“ her die Funktionsweise des professionellen Journalismus, der Informationen auf ihren Nachrichtengehalt hin prüft, bewertet und aus der Vielzahl von Meldungen auswählt. Journalismus muss zudem gesellschaftliche Skandale aufwecken und Demokratie erlebbar machen. Er darf nicht nur in den Suchdiensten des Internets recherchieren, sondern muss dies auch persönlich vor Ort und im Gespräch. In Reiters Buch kommen daher Blogger wie Presse-Journalisten gleichermaßen zu Wort.

Das Internet ist die Zukunft.
Obwohl der Autor schon mit dem Titel die Zukunft des Internets schwarz malt, die Entgleisungen der Bloggerszene als „Kakophonie“ bezeichnet, ist klar: Die Präsenz des Internets hat schon jetzt begonnen, die journalistische Welt zu verändern. Interessanterweise kommt in diesem Zusammenhang der Schritt zu den Massenmedien Radio und TV ein wenig zu kurz. Dass man in den Zeitungen die Nachrichten von gestern liest, weiß ja schon der Radiohörer und nicht erst der Nutzer des Internets. Manchmal schienen Markus Reiters prophetische Zukunftsvisionen den Weg zu einer deutlicheren Analyse zu verstellen. Was bringt die Zukunft wirklich? Wird die Tageszeitung abgesehen von überregionalen Massenblättern bald nur noch als E-Book gelesen, wie er prophezeit? Wäre es wirklich ein Beinbruch, wenn die Auflagenstärke der Presse auf den Stand der sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückfallen würde? Klar ist heute allerdings: Für die Meinungsvielfalt braucht die Presse in den Zeiten des Internet nicht mehr zu sorgen.

Demokratie, Meinungsfreiheit und Globalität.
Markus Reiter stellt an anschaulichen Beispielen dar, wie z. B. den „Piraten“, dass der Internet-Journalismus zu Meinungsinseln privater Gruppen führt, so er nicht ohnehin ein Spiegelbild der kommerziellen Angebote ist. Der Unterschied zwischen öffentlich und privat ist im Internet verschwunden. Suchdienste ersetzen den Journalismus nicht, können aber hochaktuelle Infos liefern (Beispiel: Wiederwahl des Bundespräsidenten). Die wichtigste Funktion des Internet scheint jedoch zu sein, Globalität herzustellen.

Fazit.
Markus Reiter verdeutlicht die Umbruchphase, in die das Internet den Journalismus gebracht hat. Manche Qualitätsverluste in der eigenen Zunft werden beklagt. Das Buch ist anregend und verdeutlicht die Empfindlichkeiten, die durch Kostendruck und Konkurrenz ausgelöst werden. Die Polemik Reiters gegen den Internetjournalismus klingt an einigen Stellen überzeichnet, wenn er auch zu Recht auf Missstände hinweist. Bezahlter Journalismus wird bleiben, nicht nur für die Eliten, sondern gerade auch für die nicht elektronisch lesenden Massen. Langfristig jedoch mögen elektronische Datenträger die Druck-Erzeugnisse verdrängen. Das Abo der Zeitung jedoch wird auch dann ein Abo bleiben. Das Internet vermittelt Globalität und Gleichzeitigkeit im „Second Life“, die Information im ersten Leben dagegen Lokalität und gute Recherche. Der Autor stellt wichtige Fragen und weist zu Recht auf die Aufgaben von Bildung hin. Die Geschichte der Zivilisation ist bis jetzt immer auf neue Medien eingestiegen, ohne die alten gänzlich aufzugeben. Es gibt die Bibel neben dem Fernsehen. Also wird es in Zukunft auch die Zeitung neben dem Internet geben. Dies alles wird vernetzt sein. Die Blogger-Cliquen werden sich hoffentlich auflösen. Und was bezahlt werden kann und soll, wird auch zu bezahlen sein.