Predigt vom Verlieren & Wiederfinden, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2021

Predigt Lukas 15, 8-10 ,   3. So. nach Trinitatis

Liebe Gemeinde,

Jesus erzählt Gleichnisse, wenn er den Menschen etwas über Gott und sein Reich sagen will. Hier erzählt er von einer Frau, die einen Silbergroschen verliert und ihn mit Mühe solange sucht, bis sie ihn findet. Ihre Freude darüber ist so groß, dass sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen herbeiruft, dass sie sich mit ihr mitfreuen.

Verlieren und Wiederfinden sind Themen, die sich durch unser Leben ziehen und die uns immer wieder existentiell angehen.

Die Fernsehserie Letzte Spur Berlin im ZDF dreht sich darum, dass ein Team von Ermittlern einen Menschen sucht, der mir nichts, dir nichts wie vom Erdboden verschwunden ist. Meistens entspinnt sich darum eine komplizierte Geschichte und der Zuschauer gewinnt einen tiefen Einblick in die menschliche Seele und atmet am Ende auf, wenn die vermisste Person wiedergefunden wird.

Menschen können sich auch selbst verlieren, sich so sehr verausgaben bis in den Burnout hinein, dass sie sich selbst nicht mehr kennen und andere sie auch nicht mehr wiedererkennen. Wie sehr wünschten sie sich, sich wiederzufinden und sie strengen sich dabei an und merken, dass der Wille nicht reicht – sie leiden unter ihrem eigenem Ausgebrannt-Sein, sind in ihrem Selbstwertgefühl völlig verunsichert, verlieren sich Stück für Stück, oft auch ihre Arbeit, Partner oder Partnerin.

Ist da jemand, der sie sucht, dass sie sich wiederfinden können? Wollen sie sich wieder finden lassen? Haben Sie Geduld nach der Suche nach sich selbst?

Und wenn ihnen das Geschenk widerfährt, dass sie sich wieder finden. Was ist das dann für eine Freude?

Auch jede Sucht ist ein Verlust seiner selbst. Die Sucht füllt nicht die Lücke, die Leere, die Angst. Das weiß der süchtige Mensch intuitiv und er weiß, dass er sein Leben zerstört und andere damit unglücklich macht, aber er kommt nicht davon los. Die Sucht ist sein einziger Halt, denkt der Süchtige. Diesem Irrglauben ist der Süchtige verfallen. Doch es gibt Wege aus der Sucht.

Und der Verlust der Selbständigkeit? Davor fürchten sich Menschen unserer Breitengrade am meisten. Der Verlust der körperlichen Selbständigkeit und der Verlust der geistigen Fähigkeiten greifen stark in unser Selbstbild ein. Wer bin ich dann noch? Gibt es dann überhaupt noch ein Sich-Wiederfinden?

Sicher in vielen Fällen kein Wiederfinden als sei nichts geschehen. Verlieren und Wiederfinden sind Prozesse. Nichts ist mehr wie vorher und wird wie vorher sein. Der Verlust bleibt immer ein Teil der eigenen Biografie, selbst da, wo der Mensch sich wieder findet, aber die Freude am Leben – und sei es nur ein Lächeln, das erwidert wird – ist wirklich Freude, und wie jede Freude, wie jedes Glück, wie jede Liebe ein Wieder-Gefunden-Werden – und das ist möglich bis zum letzten Atemzug.

Jesus spricht von Gott, als würde Gott und die ganze Welt Gottes unter dem Verlust der Menschen leiden, die er verloren hat. So sehr verloren hat, dass diese Menschen keine Beziehung mehr zu ihm haben. Das Geschöpf ist von seinem Schöpfer getrennt. Da ist eine Beziehungsunfähigkeit, die ein großer Verlust ist für die himmlische Welt. In der Bibel heißt dieser Verlust Sünde. Sünde ist die Entfremdung von Gott. Sünde ist in erster Linie ein relationaler Begriff. Der Sünder, die Sünderin hat keine Beziehung mehr zu Gott. Das ist die Sünde, nicht irgendein moralisches Fehlverhalten.

Jesus sagt, die Freude unter den Engeln ist groß, wenn ein Sünder sich wieder auf Gott ausrichtet, wenn ein Mensch wieder die Beziehung zu Gott lebt – dann ist es, als sei Gott selbst das Geschenk des Wiederfindens widerfahren.

Verlust kann schwer wiegen. Der Gottesverlust, sagt Jesus – so wie ich ihn verstehe – , ist der größte Verlust für den Menschen. Der Mensch lebt in Gottesferne, entfremdet von Gott und entfremdet von sich selbst und den Nächsten, weil jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist.

Wer die Dimension des Göttlichen, der göttlichen Liebe, in seinem Leben wieder entdeckt, wieder findet, den durchflutet eine Freude, die niemand nehmen kann.

Im Grunde genommen war die große Aufgabe des Gottessohnes Jesus den Menschen wieder neues Vertrauen zu Gott zu schenken. Dafür ist Jesus Mensch geworden, das hat ihn sein Leben gekostet, weil Jesus nicht anders konnte als von einem Gott der Liebe zu reden.

Gott hat mit der Auferweckung Jesu dafür gesorgt, dass der Verlust des Lebens aufgehoben wurde ins ewige Leben. Und im Glauben an Christus haben wir heute schon ewiges Leben in uns.

Es gibt ein Wiederfinden, jetzt schon und einmal in Ewigkeit. Und jedes Wiederfinden löst große Freude aus.

Amen

 

Jüdische Religion, philosophisch betrachtet, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017

Zu:

Emmanuel Lévinas: Schwierige Freiheit, Versuch über das Judentum, aus dem Französischen von Eva Moldenhauer, Jüdischer Verlag, Frankfurt am Main 2017, die 1. Auflage der dieser Ausgabe erschien 1992, Softcover 1992, 186 Seiten, ISBN 978-3-633-24112-5, Preis: 15,00 Euro

Eine interessante Erfahrung beim Rezensieren ist die, dass während des Schreibens partiell eine zweite Lektüre erfolgt. Diese Erfahrung ermöglicht hier der Buchmarkt durch ein Reprint als Neuauflage, sodass die Leserinnen und Leser zu einer erneuten Lektüre eingeladen sind, oder, wenn sie diese Arbeiten von Emmanuel Lévinas nicht kennen, dazu, sie zur Kenntnis zu nehmen.

Das Buch „Schwierige Freiheit“ ist eine Aufsatzsammlung, in der Texte aus unterschiedlichen Ausgaben und Quellen von Emmanuel Lévinas zusammengestellt sind, die insgesamt mit dem Judentum zu tun haben (Link zum Inhaltsverzeichnis siehe unten). Das sind kurze Artikel aus Zeitschriften genauso wie längere Aufsätze und Vorträge. Die umfangreichsten Texte sind die „messianische(n) Texte“ (46 Seiten) und die Niederschrift des Vortrags über Franz Rosenzweig „‘Zwischen wie Welten‘ (Der Weg von Franz Rosenzweig)“ (25 Seiten). In dieser Rezension soll keine weitere Inhaltsangabe erfolgen, sondern ich möchte einige Sätze zitieren, die mir bei der Lektüre aufgefallen sind, Sätze zum Judentum, die ich als Christ eigentlich ebenso formulieren könnte. „Jüdische Religion, philosophisch betrachtet, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017“ weiterlesen