Gelassenheit, Philosophie und Politik, Rezension Christoph Fleischer, Welver 2019

Zum:

Philosophie Magazin Nr. 5/2019, Philosophiemagazin Verlag Berlin, Preis: 6,90 Euro

„Gelassenheit“ – mit diesem Leitbegriff scheint das neue Heft des Philo-Magazin (5/2019) einer eher unpolitischen Haltung das Wort zu reden, die nicht gerade gleichgültig, aber vielleicht besonnen und gleichmütig auf die Probleme dieser Welt reagiert. Was in diesem Heft hingegen auffällt, ist die hohe Anzahl großer und kleiner Artikel mit mehr oder weniger politischen Themen.

Nehmen wir schon einmal den Artikel zum Stichwort „Gelassenheit“ über Martin Heidegger, der zu diesem Stichwort ein kleines Heft veröffentlicht hat. Auch wenn dessen Zielrichtung zunächst individuell zu sein scheint, ist Heideggers Votum eher politisch inspiriert, indem er unser Verhältnis zur Technik reflektiert.

Heidegger verdeutlicht den Wert menschlicher Souveränität am Verhältnis zu technischen Errungenschaften. Ich kann und will Heidegger Einstellung zur Atombombe nicht als reinen Antiamerikanismus abtun. Geht es wirklich nur um die Frage des Smartphones in der Tasche, und nicht auch doch um die Atomenergie, Braun- und Steinkohle, Gentechnik und vieles mehr? (D. Rez.)

Heidegger wird zitiert: „Ich möchte diese Haltung des gleichzeitigen Ja und Nein zur technischen Welt mit einem alten Wort nennen: die Gelassenheit zu den Dingen.“ (S. 49)

Ein weiterer Artikel dokumentiert eine Podiumsdiskussion zwischen dem Theologen Peter Dabrock und dem (Rechts-)Philosophen Reinhard Merkel auf der PhilCologne 2019, geleitet von Barbara Bielsch. Ein Hauptthema des Gespräch ist die gentechnische Methode namens CRISPR, mit der Gene gezielt verändert werden können. Die Methode kann zur Heilung von Krankheiten eingesetzt werden.  Erst am Ende der Diskussion wird deutlich, dass auch hier die Philosophie auf die Politik einwirken will: „Hier sehe ich den Staat in der Pflicht. Es ist seine Aufgabe, eine solche freiheitsfeindliche soziale Dynamik zu verhindern.“ (Reinhard Merkel, S. 29)

Eine andere Verbindung zwischen. Politik und Philosophie ist die alte Disziplin der Rhetorik. Hier setzt „Hübls Aufklärung“ an (S. 16). Das Thema,  das er aufgreift, zeigt, dass die Philosophie auf politische Diskurse einwirken sollte. Sie ruft die Politik zur Sachlichkeit, indem sie „fragwürdige Argumentationsstrategien“ entlarvt. Einfach gesagt: Wenn Politiker und Politikerinnen die sachlichen Argumente ausgehen, greifen sie zum „Ad-Hominem-Argument“, zum Angriff gegen die Person. Es tut gut zu lesen, wie politische Hetzkampagnen philosophisch zu entlarven sind.

Ein anderer kurzer Artikel geht auf das Thema des Humors ein, am Beispiel von Jan Böhmermann und anderen. Nils Markwardt geht auf Hannah Arendt zurück und stellt eine philosophische Referenz her: „Ich bin der Meinung, dass man lachen können muss, weil das Souveränität ist.“ (S. 12)

Auch in der Rubrik der Rezensionen taucht das Thema der Politik erneut auf: „Machtspiele der Demokratie“. Der hier besprohene Buchtitel von Michael Pauen lautet: „Macht und soziale Intelligenz. Warum moderne Gesellschaften zu scheitern drohen.“ (Rezension von Ronald Düker, S. 82). Michel Pauen, so der Rezensent, appelliert an sozialpsychologische Fähigkeiten, mit denen der Hang zur Gewalt zurückzudrängen ist.

Beim erneuten Durchblättern finde ich in weiteren Artikeln  Bezüge zur Politik, die jetzt der Vollständigkeit halber nur einfach genannt werden:

Paul Mason: „Linke müssen für die Aufklärung kämpfen.“ Gespräch des britischen (nehme ich an, d. Rez.) Publizisten und Wirtschaftstheoretikers mit Dominik Erhard (S. 18f)

Artikel im Dossier „Gelassen Sein“: Soldaten des Gleichmuts, von Nils Markwardt (S.54 – 57).

Gespräch mit Hélène Cixous über weibliches Schreiben: „Beim Schreiben muss man dem Körper alles abverlangen“ (S. 66 – 71).

Das Beiheft stellt Jeremy Bentham vor, dem Begründer des Utilitarismus.