Die Zukunft hat begonnen. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2011

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Zu: Gestern ist heute. Heinz Haber und Robert Jungk im Disput um die Zukunft. Hg. Von Wolfram Huncke. S. Hirzel Verlag Stuttgart 2011, ISBN 978-3-7776-2135-7, Preis: 19,90 Euro

Die Namen der beiden Gesprächspartner des Dialogs aus den Jahren 1983-1985 näher zu erklären, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Heinz Haber prägte durch seine Wissenschaftssendungen das Fernsehen der ersten Stunde. Robert Jungk, der sich Zukunftsforscher nannte, prägte von Anfang an die Diskussion um die Risiken der atomaren Bewaffnung und der sogenannten zivilen Nutzung der Atomenergie. Die Titel einiger seiner Bücher zeigen dies deutlich: „Die Zukunft hat schon begonnen“ (1952), „Heller als tausend Sonnen“ (1956), „Strahlen aus der Asche“ (1959), „Der Atomstaat“ (1977). Diese und weitere persönliche Notizen lassen sich den beigefügten Kurzbiografien entnehmen. Weiterhin hilfreich sind die auf grauem Hintergrund gedruckten Kommentare oder dokumentierten Materialien, die auch Jüngeren den Zeitsprung ermöglichen (z. B. Chemiekatastrophe von Bophal, Erdbeben in Mexiko 1985, Seveso, Zukunftsforschung, Harrisburg, usw. sowie zahlreiche biografische Notizen der im Gespräch genannten Personen).
So sehr das Buch den Zeitsprung der Zukunftsprognose thematisiert, stellt es ebenso den Zeitsprung in die Vergangenheit dar. Es vergegenwärtigt die Diskussion um die Atomkraft in den achtziger Jahren. Dabei ist der Dialog zwischen Heinz Haber und Robert Jungk noch nicht von Tschernobyl beeinflusst. Interessant ist der Dissens im Kern der Positionen: Heinz Haber, der Robert Jungk wegen seiner Zukunftsprognosen kritisiert, bezeichnet sich jedoch selbst als Kulturpessimist, der nicht glaubt, dass sich die Weichenstellungen in die Zukunft durch Bildung oder Politik ändern lassen. Er sieht sich jedoch als Landmann, der Samen aussät, der aufgehen kann. Robert Jungk versteht sich dagegen als Arzt, der angesichts seiner kritischen Diagnose nicht untätig bleiben darf.
Das Buch ist in der aktuellen Diskussion um die Atomkraft wichtig, da es die Position Robert Jungks vergegenwärtigt und zeigt, dass sie nichts an Eloquenz eingebüßt hat. Interessanter im dokumentierten Gespräch selbst ist jedoch die Passage, in die beide Diskussionspartner Einigkeit signalisieren. Sie sehen die Rolle für den gesellschaftlichen Fortschritt bei der jungen Generation. Dieser Gedanke sollte auch heute eine Herausforderung für die Weiterentwicklung der Bildungssysteme  sein.
Die Veröffentlichung aus dem Archiv des Herausgebers der Zeitschrift „bild der wissenschaft“  Wolfram Huncke, der auch die Gespräche führte, zeigt, wie langlebig kreative Grundgedanken sind und wie kurzlebig deren ideologische Verfestigung wirkt. Prognosen für die Zukunft sind dazu da, die Kreativität der Gegenwart zu beflügeln. Die Zukunft ist nie fern, sondern sie ist im Heute und hat gestern schon begonnen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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