Die Definition der Religion als Definitionslosigkeit. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2011

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zu: Andreas Kilian: Die Logik der Nicht-Logik, Wie Wissenschaft das Phänomen Religion heute biologisch definieren kann, alibri-Verlag Aschaffenburg, 2010, ISBN 978-3-86569-062-3, Preis 17 Euro

Es ist im Prinzip nicht neu oder revolutionär, sich von profan wissenschaftlicher Seite dem Phänomen Religion zu nähern, man denke nur an Ludwig Feuerbachs Werk „Das Wesen des Christentums“ (1841). Der Autor Andreas Kilian, selbst promovierter Biologe, bringt hierzu aktuelle Beobachtungen aus der Biologie ins Spiel. Interessanterweise eröffnet er das Buch mit einer Überlegung zur Definitionsfrage. Von der selbst gestellten Aufgabe, Religion definieren zu wollen, kommt er zum Ergebnis, dass im Interesse der Gläubigen Religion nicht definiert werden kann bzw. nicht definiert werden sollte. Somit ist Religion das Nicht-Definierbare, denn wäre sie definierbar, wäre sie keine Religion. Liest man vor diesem Hintergrund die Metaphysik des Aristoteles, so stellt man fest, das die Frage nach einer Definition zur Metaphysik gehört, also eine metaphysische Frage ist. Die Beobachtung, dass metaphysische Gedankengänge dazu neigen, den eigenen Ausgangspunkt zum Ergebnis der Überlegungen werden zu lassen, ist auch an diesem Buch festzustellen, da der Autor am Ende des Ersten Kapitels selbst auf eine eigene Definition von Religion verzichtet bzw. diese nicht als solche bezeichnet, sondern stattdessen den eigenen Arbeitsgang mit Religion definiert. Setzt man die eben formulierten Gedanken bei der Lektüre der biologischen Phänomene der Religion voraus, so stellt man fest, dass die hier beschriebenen Verhaltensweisen Religion empirisch beschreiben lassen. Wer menschliche Verhaltensweisen der Religion beschreibt, stellt dann als Ergebnis zu Recht menschliche Verhaltensweisen fest, die das Phänomen Religion umschreiben. Damit ist klar, dass diejenigen, die Religion wissenschaftlich beschreiben, versuchen, dabei eine eigene Vorstellung von dem vorauszusetzen, was ihrer Meinung nach Religion ist oder sein kann, um diese dann kritisch zu beschreiben. Sicherlich ist zugestanden, dass es religiöse Einstellungen gibt, die Phantasie mit Wirklichkeit verwechseln. Eine Religion, die Gott als Teil der Wirklichkeit beschreibt, wird durch die metaphysische Form der Kritik nicht berührt, da sie konstatiert, dass persönliche Gotteserfahrungen per definitionem subjektiv sind. Wenn schon die Religion ohne Metaphysik auch keine feste Definition braucht, sollte doch wenigstens eine wissenschaftliche Abhandlung über Religion von einer klaren Definition ausgehen. Wieso eine religiöse Einstellung eine „Vorteilsnahme mit Hilfe nicht überprüfbarer Argumente“ ist, wie es auf dem Klappentext zu lesen ist, ist nicht begründet. Dass allerdings Religion allgemein ein Phänomen des menschlichen Gehirns ist und Gott ein Wort unserer Sprache, sollte auch religiösen Menschen bewusst sein. Sie brauchen sich ihres Glaubens trotzdem nicht zu schämen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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