Christ im Widerstand. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2011

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zu:  Eric Metaxas: Bonhoeffer, Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet. SCM Hänssler, Holzgerlingen 2011, ISBN 978-3-7751-5271-6, Preis: 29,95 Euro

Den Ausgang der Geschichte kennen wir: Das nationalsozialistische Todesurteil gegen Dietrich Bonhoeffer wurde am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg vollstreckt. Bekannt wurde er erst wirklich danach. Sein Freund Eberhard Bethge gab die zwischenzeitlich versteckten Haftbriefe, das Fragment „Ethik“ und viele andere Schriften Bonhoeffers heraus. In der Sammlung „Dietrich Bonhoeffer Werke“ ist fast alles vereinigt und kritisch ediert, was es von Dietrich Bonhoeffer gibt. Die klassische Bonhoeffer-Biographie Eberhard Bethges ist im Grunde als historischer Begleitband der sich vervollständigenden Werkausgabe Bonhoeffers zu lesen. Die nun vorgelegte Biografie des Amerikaners Eric Metaxas setzt all dies voraus, zitiert daraus reichlich und erzählt das Leben Dietrich Bonhoeffers neu. Einzelne Kapitel sind mehr der Entstehung und Schilderung des Nationalsozialismus in Deutschland gewidmet als Bonhoeffers selbst. Insgesamt entsteht das Bild des jungen Theologen, der sich im Zusammenhang der zeitgeschichtlichen Katastrophe zusehends radikalisierte. Doch er ist und bleibt in allem menschlich. Metaxas ist ein hervorragender Erzähler, der von der Familie Bonhoeffers, aber auch von Freundinnen und Freunden zu berichten weiß, während die akademische Arbeit zumindest in den Zitaten etwas in den Hintergrund tritt. Dietrich Bonhoeffer lebte seinen Glauben und glaubte an Christus in den Umständen seines Lebens und seiner Zeit. In der Perspektive des amerikanischen Autors treten die Lebensstationen Bonhoeffers, die er in den USA verbrachte, deutlich hervor, ja erscheinen als entscheidend: Im Zweitstudium nach der Habilitation gewinnt seine Theologie Weltbezug, politische Konsequenz, religiösen Tiefgang und ökumenische Weite. Literarisch herausragend sogar ist die Schilderung der „Sechs Wochen“ in New York im Jahr 1939. Bonhoeffer kam als Emigrant in die USA, erlebt Heimweh und Heimatlosigkeit am eigenen Leib und kehrte nach Deutschland zurück. Auf der Suche nach kirchlichem Kontakt in dieser Zeit fand er fruchtbare Begegnungen mit fundamentalistisch orientierten Gemeinden, während die weltoffenen, liberalen ihn eher abschreckten. Doch zu dieser Richtung gehörte das College, in dem er lehren sollte. Der Autor schildert den in dieser Zeit sehr intensiven Glaubensbezug Bonhoeffers, indem er sich, die Tagebuch-Notizen auswertend, Bibelstellen herausgreift, die Dietrich Bonhoeffer leiteten und letztlich zur Rückkehr nach Deutschland bewegten. Wenn Dietrich Bonhoeffer in dieser Hinsicht Fundamentalist war, aus der Sicht des Autors sicher zu recht, verstand er sich in Deutschland jedoch im Gegensatz zum Pietismus. Doch diese Aktzentsetzung sei dem Autor verziehen, denn es ist gut, dass diese Erzählung einen Autor hat, der aus seiner Sicht wertet und kommentiert, ohne jedoch die Fakten beiseite zu lassen. Die Kommentierung des Geschehens durch den Erzähler hilft den Lesern, sich ihr eigenes Bild zu machen. In diesem Zusammenhang stört allerdings die fast vulgäre, weil undifferenzierte Bezugnahme auf Friedrich Nietzsche, der hier ausschließlich in nationalsozialistischer Linie gesehen wird.

Die menschliche Deutung Dietrich Bonhoeffers durch den Autor dient den Lesern jedoch als Brücke zur Person des geschilderten Lebens, sodass hier auch zumindest potenziell zwischen Gelingen und Scheitern des Glaubens unterschieden werden kann. Mehr kann eine Biografie nicht leisten und weniger darf sie nicht bieten. Die Fragen, die Metaxa auch an sein Volk wie an alle Leser faktisch richtet sind in etwa: Sind alle Völker, gegen die die USA militärisch agieren, automatisch und durchweg das Reich des Bösen? Wie ermutigen wir Menschen zum Widerstand gegen in ihrem Land erfahrendes Unrecht? Und: Kann und muss der Widerstand gewaltlos bleiben? Dietrich Bonhoeffers Frömmigkeit jedenfalls war zeitweise politisch radikal, immer theologisch reflektiert und an der Bindung an konkrete Menschen interessiert, für die er dann auch durch Dick und Dünn zu gehen bereit war. Dabei wird der Autor nicht pathetisch, sondern bleibt sachlich.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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