Predigt zu Markus 10, 17-27, Christoph Fleischer, Werl 2011

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Am 18. Sonntag nach Trinitatis 2011

Liebe Gemeinde,

da ich die Predigt heute als Bibeldialog halten möchte, werde ich nicht zuerst den Bibeltext vorlesen. Es ist besser, wenn wir ihn dann gleich gemeinsam hören und, so gut es geht, durchspielen. Mit dem Spielen meine ich natürlich, dass wir das mit Worten tun. Wenn ich die jeweiligen Textabschnitte vorlese, spreche ich zu der einen oder anderen Person oder Personengruppe und bitte Sie/Euch, für diese Personen zu antworten. So frage ich z.B. Jesus: „Wie fühlst Du Dich nach dieser Antwort?“ Dann bitte ich Sie(Euch) spontan zu reagieren und etwas zu sagen. Ich komme dann dorthin zu Ihrem/Eurem Platz und wiederhole diese Aussage in meinen Worten. So spielen wir die Textabschnitte durch und erfahren an unserer eigenen Reaktion, wie es sich darin verhält.

Bevor ich damit beginne, möchte ich in den Text kurz einführen. Es ist eine Begebenheit, die im Markusevangelium erzählt wird. Wir wissen, dass sich Jesus immer wieder in Orten und Gegenden aufhält, dass sich Menschen um ihn versammeln und ihm zuhören. Gelegentlich werden dabei auch Menschen geheilt. Jesus befindet sich zur Zeit auf dem Weg nach Jerusalem, allerdings nicht im direkten Sinn. Er zieht durch das Gebiet jenseits des Jordans, das Ostjordanland, in dem nur in einigen Orten Juden wohnten. Berichtet wird von einer Lehrrede gegenüber Pharisäern über das Thema „Familie“. Er hat in Fragen des Ehebruchs eine andere Auffassung, als die übliche Gesetzesauslegung. Im gleichen Dorf begegnet Jesus den Müttern, die die Kinder zu ihm brachten, dass er sie segnete. Hier ist von einer Meinungsverschiedenheit mit den Jüngern die Rede, die die Mütter zuerst abwiesen. Als das alles geschehen war, machte sich Jesus wieder auf den Weg, so stellt man sich das jedenfalls nach den Worten des Markusevangeliums vor. Sein Ziel war Jerusalem. Der Weg Jesu verliert den Charakter des Umherziehens. Es geht klar auf ein Ziel zu. Dass er das Ostjordanland besucht, hat vielleicht strategische Gründe, weil er sich dort sicher fühlte. Von Jericho aus konnte er Jerusalem direkt erreichen. Die Stimmung Jesu ist vielleicht auch ein wenig von dieser Vorahnung erfüllt. Die Ankündigung der Kreuzigung löst ja auch bei den Jüngern heftige Debatten aus. Schon die Trennung der Mütter von der übrigen Gemeinde scheint darauf hinzudeuten, dass die Jünger sich jetzt auf eine Situation vorbereiten, in der Frauen und Kinder nicht direkt verwickelt werden sollten.

In diese etwas stressige Situation hinein geschieht nun wohl noch in dem Dorf jenseits des Jordans aber eben schon auf dem Weg folgendes Ereignis:

Als Jesus sich auf den Weg machte, kam einer herbeigelaufen, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: „Guter Lehrer, was soll ich tun, damit ich Anteil am ewigen Leben erhalte?“

Du bist der Mensch, der zu Jesus gekommen ist: Bitte, lieber Mensch, was willst Du von Jesus?

– Jesus, ich möchte doch nur wissen, wie ich in dem Himmel komme.

– Jesus, ich möchte wissen, ob ich ein guter Mensch bin.

– Jesus, ich möchte wissen, was das ewige Leben ist. Ich möchte nicht sterben

– Jesus: Was muss ich machen, was muss ich bezahlen, damit ich (in die Gemeinde) aufgenommen werde?

Jesus entgegnete ihm: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott allein.“

Du bist der Mensch, der zu Jesus gekommen ist: Wie fühlst Du Dich nach dieser ersten Antwort Jesu?

– Jesus, so habe ich das doch nicht gemeint. Das war doch ein Kompliment!

– Jesus, warum bist du so unfreundlich?

– Jesus, du hast schon so vielen Menschen geholfen mit Rat und Tat. Willst Du mir nicht auch helfen?

Jesus fährt fort: „Die Gebote kennst du: Du sollst nicht töten! Du sollst keine Ehebrechen! Du sollst nicht stehlen! Du sollst keine falschen Aussagen machen! Du sollst keinen Raub begehen! Halte deinen Vater und deine Mutter in Ehren!“ Da antwortete der andere: „Lehrer, das alles habe ich seit meiner Jugend befolgt.“ Jesus blickte ihn an und umarmte ihn voller Zuneigung.

Jesus, Du umarmst diesen Menschen. Warum umarmst Du ihn? Was willst Du mit dieser Geste sagen?

– Der Mensch ist mir sympathisch, weil er nach den Geboten lebt.

– Ich habe ihn doch nicht verletzen wollen. Er ist wohl eingeschüchtert, oder?

– Weiß er eigentlich, was er wirklich will?

– Wenn die Gebote selbstverständlich sind, dann muss er noch etwas anderes tun wollen. Er will wohl besonders gut sein, heilig vielleicht sogar. Er will ein Super-Christ sein! Ob das gut geht?

Jesus sage zu ihm: „Eins fehlt dir: Geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen! Dann wirst Du einen Schatz im Himmel haben. Danach komm her, folge mir nach!“ Der andere wurde über diese Antwort traurig und ging niedergeschlagen fort; denn er hatte viele Besitztümer.

Mensch, erst gehst Du voller Begeisterung zu Jesus und sprichst ihn an, und jetzt gehst Du traurig weg. Was hat sich verändert? Was hat Dich traurig gemacht?

– Ich weiß jetzt, dass die Gebote nicht alles sind.

– Es gibt viele Sachen, von denen ich mich nicht trennen kann.

– Ich bin zu reich, um etwas abgeben zu können.

– Ich habe gemerkt, dass ich mein Leben doch nicht verändern will.

– Es soll alles so bleiben wie es ist, denn es ist gut. Ich habe ja die Gebote und bin ein guter Mensch.

Da schaute sich Jesus um und sagte zu seinen Jüngerinnen und Jüngern: „Wie schwer werden alle, die etwas besitzen, in Gottes Reich hineingelangen.“ Die Jüngerinnen und Jünger erschraken über seine Worte.

Sie sind/Ihr seid die Jüngerinnen und Jünger: Warum seid ihr so erschrocken? Was hat sich für euch durch diese Begebenheit verändert?

– Jesus ist so ernst. Er will doch sonst immer alle Leute bei sich haben.

– Macht Jesus doch Unterschiede zwischen Menschen, nur umgekehrt: Also die Reichen sind schlecht und die Armen sind gut?

– Was macht es den Reichen denn so schwer, Jesus nachzufolgen.

– Worauf muss man denn verzichten, um zu Gott zu gehören. Was müssen wir denn noch aufgeben?

Wieder antwortete Jesus ihnen: „Kinder, wie schwer ist es, in Gottes Reich hineinzugelangen! Es ist leichter für ein Kamel, durch ein Nadelöhr hindurchzukommen, als für Reiche, in Gottes Reich hineinzugelangen.“ Da entsetzten sie sich völlig und sprachen zueinander: „Wer kann dann heil werden?“ Jesus blickte sie an und sagte: „Bei den Menschen ist es unmöglich, aber nicht bei Gott. Denn bei Gott ist alles möglich.“

Der Predigttext bricht an dieser Stelle ab, während das Gespräch in der Bibel noch weitergeht. Hier im Gottesdienst soll also das letzte Wort Jesu ein besonderes Gewicht erhalten. Ich habe daran keine neue Frage geknüpft, sondern das jetzt im Raum stehen lassen. Danke für alle, die mitgemacht haben. Wir sind jetzt keine Reichen Jünglinge mehr, keine Jüngerinnen und Jüngern und nicht mehr Jesus. Wir habe diesen Abschnitt, diesen so wichtigen Bibeltext einmal richtig durchgespielt. Vielleicht sind nun gar nicht alle Fragen beantwortet, ja vielleicht sind sogar neue Fragen dazu gekommen.

Kategorie: Allgemeines
Erstellt von: Christoph Fleischer
Liebe Gemeinde!

Jesus erscheint ziemlich schroff. Der liebe Jesus segnet die Kinder, aber ist zu anderen Leute auch einmal ziemlich aggressiv. Gut, auch diesen Menschen hat er in die Arme genommen, um ihn dann doch ziehen lassen zu müssen. Müssen wir als Kirche nicht auch akzeptieren, dass es Menschen gibt, die nicht zur Kirche gehen, ja die sich vielleicht sogar abgewandt haben. Sie kommen alle mit der Frage nach dem Sinn des Lebens, doch mit der Antwort der Bibel können sie manchmal nichts anfangen. Die FRage schimmert durch, wie wir als Kirche mit Enttäuschungen umgehen wollen. Doch zuerst sind unsere Geadanken sciher bei dem reichen Jüngling, weil auch wir gemekrt haben, dass jeder und jede von uns Beispiel dafür kennt, etws nicht aufgeben zu können oder zu wollen. Sind wir nicht alle so ein wenig wie die Jüngerinnen und Jünger, die sich hier über Jesus erschrecken? andererseits müssen sich die Jünger und auch wir dem Anspruch Jesu stellen. Was ist wichtiger als der Glaube? Wie wertvoll sind vergängliche Güter?

Die Reichen haben es schwer, ins Reich Gottes zu kommen, warum? Sind diese nicht diejenigen, über deren Gaben sich die Kirche besonders freut. Wir merken ja, wie geschockt die Jünger sind. Sie leben von dem Geld, das ihnen zugesteckt wird, und je so mehr Reiche dazu gehören, um so besser geht es ihnen. Wir haben als Kirche doch auch Angst, die Reichen zu vergraulen. Wir haben als Kirche doch auch Angst, auf die Kirchensteuer zu verzichten. Wir haben als Kirche auch Angst, auf staatliche Privilegien zu verzichten. Als der Papst Benedikt XVI. kürzlich in Deutschland war, hat er in einer Rede von dem Vertretern des Zentralkomittees gerade zu dieser Frage gesprochen und aus der Sicht der Weltkirche eine erstaunliche Position vertreten:

„Die geschichtlichen Beispiele zeigen: Das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage. Die von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein. Sie kann ihre Berufung zum Dienst der Anbetung Gottes und zum Dienst des Nächsten wieder unbefangener leben. Die missionarische Pflicht, die über der christlichen Anbetung liegt und die ihre Struktur bestimmen sollte, wird deutlicher sichtbar. Sie öffnet sich der Welt, nicht um die Menschen für eine Institution mit eigenen Machtansprüchen zu gewinnen, sondern um sie zu sich selbst zu führen, indem sie zu dem führt, von dem jeder Mensch mit Augustinus sagen kann: Er ist mir innerlicher als ich mir selbst (vgl. Conf. 3, 6, 11). Er, der unendlich über mir ist, ist doch so in mir, dass er meine wahre Innerlichkeit ist. Durch diese Art der Öffnung der Kirche zur Welt wird damit auch vorgezeichnet, in welcher Form sich die Weltoffenheit des einzelnen Christen wirksam und angemessen vollziehen kann.“ (Benedikt XVI.)

(Quelle: http://www.zenit.org/article-23763?l=german)

Genau wie bei Jesus kann man jetzt auch bei dieser Äußerung sagen: wie könnte er das denn gemeint haben? Vielleicht ist das Nadelöhr doch größer, als man im ersten Moment annimmt. Und vielleicht gibt es doch noch Hoffnung für unser Kirchensteuersystem. Die Innerlichkeit, die der Papst beschreibt, ist doch auch nur eine andere Form von Weltlichkeit. Und kann auch eine Form von Anpassung an menschliche Bedürfnisse sein, unpolitisch und passiv. Doch die Grundgedanken der müssen ja nicht deshalb falsch sein. Es geht um die Grundfrage der Zugeständnisse der kirchlichen Verkündigung an Sponsoren und staatliche Geldgeber.

Der Papst zeigt: Im Glauben geht es eben nicht um die Frage: Was muss ich für die Kirche tun?

Das Kirchensystem, so wie wir es haben, lässt die Kirche als Stellvertreter Gottes erscheinen. Die Menschen müssen etwas für die Kirche tun, damit ihnen Gott nahe ist. Sie müssen eintreten, Steuern zahlen usw.. Das ist ja alles nicht falsch. Es geht um die Konsequenzen der Verbindung und um die Verbindlichkeit. Aber es kann den Blick verstellen für das, was Jesus im Evangelium von Gott predigt: Keine Steuer, kein Kirchenbesuch, keine Spende, aber auch keine freiwillige Tat kann Gottes freie Zuwendung ersetzen.

„Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.“ Das Reich Gottes kann sich keiner erkaufen. Das ewige Leben und den Sinn des Lebens finde wir dann, wenn wir ihn nicht erarbeiten, verdienen oder erkaufen wollen, sondern dann, wenn er uns gegeben wird.

„Gott kann es schenken, Gott kann es lenken.“

Das ist auch keine Allmachtsidee. Jesus weist jede Absolutheitsvorstellung von sich: Niemand ist gut außer Gott allein. Gottes Macht ist seine Güte. Wir dürfen leben und dankbar sein. Wer an etwas hängt, womit er sein Leben angeblich sichern musste, ist auf dem Holzweg. Der Reichtum verstellt den Blick zum eigentlichen Leben, auch wenn er zum Spenden gebraucht wird. Weil man das Heil Gottes eben nicht irgendwie erkaufen kann.

Gott ist in seiner Liebe nicht allmächtig, sondern er ist souverän und frei. Das klingt so ähnlich, ist aber völlig anders gedacht. Sonst müssten wir uns Gott als den obersten Herrn der Kirche vorstellen, als den Überpapst. Gott ist als der Vater Jesu, als der Schöpfer des Leben in dieser Welt du hier begegnet er uns. Die Kirche verkündigt im Namen Jesu die Freiheit und die Liebe Gottes. Wird sie das auch in Zukunft tun können?

Ich meine allerdings nicht, dass die Lösung darin liegt, sich gesundzuschrumpfen und dann nur noch die zu sammeln, die sowieso alles schon viel zu gut wissen und alles besser können. Denn auch hierin erkennen wir den reichen Jüngling, den Jesus in die Arme nimmt. Die Lösung liegt darin, die Freiheit und die Güte Gottes in die Welt zu tragen, durch Übernahme von Verantwortung und ein glaubhaftes Zeugnis.

Was ist ein Glaube wert, dessen Leben dem widerspricht. Dann sagt der unvoreingenommene Beobachter: „Sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser“.

Die Finanzkrise macht es uns doch schon deutlich, dass das inzwischen die ganze Welt erfasst hat: Wir Reichen leben auf Kosten anderer, auf Kosten der Armen und auf Kosten der Zukünftigen. Wie wollen wir das alles zurückzahlen? Wie wollen wir das der Erde zurückzahlen, was wir ihr weggenommen haben? Jesus hat uns doch gewarnt, doch was haben wir gemacht: Wir haben gemeint, das Reich Gottes selbst schaffen zu müssen, mit Energie und Technik und mit geliehenem Geld, mit Kapital.

Es wäre noch zu schön, wenn es nur um die Kirche ging. Aber die Kirche muss sich ändern, damit sich die Welt ändert. Und dies alles kann nur im Kleinen anfangen, nicht in der Politik. Vielelicht ist die Frage schon falsch gestellt. Es muss nicht heißen, „Was muss ich tun, damit ich Anteil am ewigen Leben erhalten?“ Denn diese Frage offenbart nichts anderes als Angst vor dem Sterben.

Die Frage sollte besser heißen: Was müssen wir tun, damit es allen Menschen gut geht? Worauf müssen wir verzichten?

Amen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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