Koran und Ḥadith – Quellen islamischer Religion, Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2010

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–          Der Koran. Aus dem Arabischen neu übertragen von Hartmut Bobzin unter Mitarbeit von Katharina Bobzin. Verlag C.H.Beck München 2010, ISBN 978-3-406-58044-4 (Leinenausgabe), 38,- Euro, inzwischen auch als Taschenbuch: C.H.BECK München 2012. 640 S.: mit 119 Kalligraphien. Paperback, ISBN 978-3-406-64047-6, Preis: 17,95 Euro

–          Der Ḥadith. Urkunde der islamischen Tradition, ausgewählt und übersetzt von Adel Theodor Khoury, Band III, Ehe und Familie, Soziale Beziehungen, Einsatz für die Sache des Islams, Gütersloher Verlagshaus 2009, ISBN 978-3-579-08068-0, 49,95 Euro

Gemeinsam betrachtet bilden der Koran und die Ḥadithe die Quellen islamischer Religion. Selbst wenn der Koran die Heilige Schrift der Muslime ist, so ist er doch für die Gläubigen nur durch die Auslegung verständlich. Dazu hat man von je her Beispiele aus dem Leben Mohammeds und seiner Aussprüche gesammelt. Koran und Ḥdith stehen von daher in engem Zusammenhang.

 

Koran.
Der Koran gilt den Muslimen als die Offenbarung, als Wort Gottes, den sie Allah nennen. Dieses arabische Wort taucht allerdings in der Koranübersetzung von Hartmut Bobzin nicht auf. Bobzin ist um eine Übersetzung in eine nachvollziehbare deutsche Sprache bemüht. So wird auch deutlich, in welch‘ hohem Maß die Muslime der Bibel und ihrer Überlieferung verbunden sind. Dennoch ist der Koran ein arabisches Buch. Dem trägt der Band in der „orientalischen Bibliothek“ dadurch Rechnung, dass jede Sure mit einer arabischen Kalligrafie versehen ist (von Sahid Alam). Weiterhin lässt Bobzin die Sprache der Übersetzung nicht ins Profane abgleiten. Das sonst eher geläufige Reden von Körperflüssigkeiten klingt hier schon ein wenig anders: „Wenn ihr unrein seid, dann reinigt euch.“ (Sure 5,6). Der Islamwissenschaftler Bobzin ist von der lyrischen Sprachkraft des arabischen Koran fasziniert, lässt aber die Übersetzung nicht zu oft in den dort üblichen Endreim auslaufen: „Bei den nacheinander Ausgesandten, dann heftig Stürmenden, bei den rasch Zerstiebenden, dann sich Trennenden und dann Ermahnung Bringenden, Verzeihung oder Warnung…“ (Sure 77, 1-6). Denkt man an den Stil von Bibelübersetzungen, so erklingt hier eher die Sprache Luthers als die der nüchtern wirkenden Einheitsübersetzung. Auch ein modernisierender Klang ist hier nicht zu spüren, eher der Respekt vor der Religionsschrift des Islam. Neben dem Nachwort, in dem der Autor die Entstehung seiner Übersetzung erklärt, gibt es noch einen Anhang mit Erläuterungen zu jeder einzelnen Sure, die aber den Kommentar nicht ersetzt, vielmehr auf seine geplante Veröffentlichung verweist, mit einem Glossar zu wichtigen arabisch-islamischen Begriffen und mit einem Stellenverzeichnis wichtiger Stichworte. Gerade dieses Stellenverzeichnis wird für den interreligiösen Dialog eine gute Hilfe sein. Einige Beispiele aus der 2. Sure seien hier in zufälliger Auswahl zitiert:
– Vers 26: „…so wissen sie, dass es die Wahrheit ist, von ihrem Herrn!“
– Vers 42: „Vermengt die Wahrheit nicht mit Nichtigem…“
– Vers 91: „Wobei sie aber nicht daran glauben, was danach war, obwohl es doch die Wahrheit ist, bestätigend, was sie schon hatten.“ („Wenn deutsche Wörter kursiv gesetzt sind, so heißt es, dass sie besonders betont werden müssen“, so Bobzin im Nachwort).
– Vers 119: „Siehe, wir sandten dich mit der Wahrheit, als Künder froher Botschaft und als Warner.“
– Vers 252: „Das sind die Verse Gottes. Wir tragen sie dir vor, in Wahrheit. Siehe, du bist wahrhaftig einer der Gesandten.“
Die zitierten Verse lassen erspüren, dass die Übersetzung Bobzins die religiöse Ausprägung des Korans sehr gut wiedergibt. Etwas störend ist, dass die arabischen Titel der Suren, die in den Überschriften mitgenannt, ja sogar illustriert sind, im Inhaltsverzeichnis fehlen, in dem lediglich die Zahlen und die deutschen Titel aufgezählt sind. Der Umfang und die Aufmachung des Buches gibt ihm die Würde einer Heiligen Schrift einer wichtigen Weltreligion.

Der Ḥadith.
Der Ḥadith, Band III, setzt die von Adel Khoury begonnene Reihe „Der Ḥadith“ fort. Khoury setzt die Worte des Ḥadith (Sprüche mit genauen Quellenangaben) zu entsprechenden Koranzitaten in Beziehung, so dass eine Brücke zum Koran entsteht. Es ist schon erstaunlich, in welchem Maß der Islam bis ins Detail das persönliche Leben der Muslime regelt, ohne sie jedoch aus der eigenen Verantwortung ihrer Lebensgestaltung zu entlassen. Dieser Teilband der vierbändigen Ausgabe ist insofern interessant, als dass er eine Auswahl „schwieriger“ Themen in Bezug auf die Praxis des Islam im Kontext der modernen Gesellschaft beinhaltet. Dazu seien stichwortartig einige Aussagen zusammengefasst:
– Heirat: Frauen und Männer sollen zueinander passen,
– keine Heirat ohne die Zustimmung der Frau,
– gegen übertriebene Feiern, für Gastfreundschaft,
– Empfängnisverhütung auf natürlichem Weg,
– den Vorstehern soll man gehorchen, auch wenn sie Unrecht tun,
– Verbot der Untreue und Bestechung,
– Aussöhnung geht vor Verurteilung,
– Geldverleihen: Aufschub oder Nachlass auf Wunsch gewähren,
– man darf die Mutter nicht von ihrem Kind trennen,
– Schulden sind erlaubt, wenn man sie zurückzahlt,
– Nachbarn soll man beschenken,
– Hunde sind als Zwecktiere erlaubt, sonst nicht,
– man soll ein Opfertier pro Jahr schlachten,
– Essen mit der rechten Hand,
– Lob Gottes nach dem Essen,
– Verschleierung der Frauen,
– gegen Bilder,
– Heilmittel gegen Krankheiten erfinden,
– das richtige Betreten eines Hauses (Privatsphäre),
– Verbot des Glücksspiels,
– wer sich für Gott einsetzt, erbt das Paradies,
– für den Glauben sterben,
– der Märtyrer hält Fürsprache für seine Verwandten,
– Rolle der Frauen im Kampf (verbinden und verpflegen),
– die Auswanderung wird fortgesetzt,
– Verbot, einem Esel ins Gesicht zu schlagen,
– Verbot, Frauen, Kinder und Alte zu töten,
– Ziel des Kampfes ist ausschließlich die Ausbreitung der Religion,
Diese Stichworte sollen in ihrem Lebensbezug verdeutlichen, dass es angebracht ist, die Lebensweise von Muslimen zu respektieren, da sie oft allgemein religiös begründet ist, auch wenn westliche geprägte Menschen dies nicht erkennen, da dies bei ihnen so oft nicht der Fall ist. Ein Beispiel dafür mag das Verbot der Haltung von Hunden sein. Die Aufzählung ist nicht spezifisch, sondern hat den Zweck in willkürlicher Auswahl Beispiele von Aussagen des Ḥadith zu illustrieren. Es wird von daher auch deutlich, wieso eine Beurteilung islamischer Positionen allein vom Koran her oft nicht ausreicht. Die Erfahrungen des Dialog zeigt, dass Muslime auch sehr offen darin sind, Auskunft über die Hintergründe ihrer Lebensweise zu geben. Diese Lektüre ermutigt, in diesen Dialog einzutreten und Fragen zu stellen. Deutlich wird: Das Ziel des Islam ist kein Zustand der Gewalt. Der Islam fordert die Verehrung des Schöpfers und die Anerkennung der Geschöpfe. Allerdings sind viele dieser Bestimmungen deutlich geprägt von geschichtlichen und lokalen Gegebenheiten Arabiens, und daher kulturell bedingt. Doch Respekt ist angebracht.

 

Fazit:

Es ist zu erwarten und zu hoffen, dass die neue Koranübersetzung auch durch die islamischen Organisationen in Deutschland anerkannt wird. Mit ihr und mit der Hadith-Ausgabe liegt eine gute Basis für den interreligiösen Dialog vor, der den gegenseitigen Respekt und die gegenseitige Achtung fördert. In Bezug auf Judentum und Christentum ist anzuerkennen, dass der Islam sich als Fortsetzung dieser Religion versteht, und die Missstände, z. B. den Streit der christlichen Konfessionen beseitigen will. Mag dies eine Mahnung sein, das Verbindende immer vor die Unterschiede zu stellen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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