Predigt über Genesis 1 und 2, Die Schöpfungsgeschichte, Christoph Fleischer, Werl 2013

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Gehalten wird die Predigt im Abendmahlsgottesdienst in Möhnesee-Körbecke am Sonntag Jubilate

[1,1] Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. [2] Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. [3] Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. [4a] Und Gott sah, dass das Licht gut war. [ … ]

[26] Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. [27] Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.

[28] Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.

[29] Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise. [30] Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so. [31a] Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. [ … ]

[2,1] So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. [2] Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. [3] Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte. [4a] So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden.

Liebe Gemeinde,

Die Erschaffung der Welt durch Gott ist sicherlich eines der wichtigsten Glaubensinhalte und ist im apostolischen Glaubensbekenntnis enthalten: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ Und so müsste ich mich jetzt folglich an die Arbeit machen, die Ärmel hochkrempeln und Ihnen und uns hier in der Kirche dieses Werk Gottes erklären, die Schöpfung. Unweigerlich landen wir dann bei den Fragen, die zwischen Religion und Naturwissenschaft aufgebrochen sind. Keine Frage, ein interessantes Thema. Auch wenn wir heute die Erde für eine Kugel halten, und wissen, dass sie nicht in der Mitte des Universums ist, ist uns die Aussage nach wie vor wichtig, dass Gott der Schöpfer ist. Doch heute möchte ich dieses Thema eher am Rande behandeln und der mich anderen Frage zuwenden, die in der Betrachtung dieser Geschichte oft zu kurz kommt.

Es ist dies die Frage nach Gott: nehmen wir einmal die Überschrift, den Leitsatz. Das ist der erste Vers: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Wir haben das Wort am Anfang, dann das Wort Gott sowie die Aussage seiner Tätigkeit, Himmel und Erde zu schaffen. Diese Handlung ist genauso wichtig wie die handelnde Person, Gott. Die Bibel ist eine Erzählung, in der Gott die handelnde Person ist. Ein paar Beispiele: Gott setzt die ersten Menschen Adam und Eva in einen Garten, gibt ihnen einige Regeln und vertreibt sie aus dem Garten, weil sie die Regeln nicht einhalten. Gott lässt Noah ein Schiff bauen, um seine Familie und alle Tiere vor der geplanten Flut zu retten. Gott offenbart sich Abraham und gibt ihm den Auftrag, in ein fernes Land zu gehen und sich dort niederzulassen.

Übrigens ist das eine der Haupttätigkeiten Gottes in der Bibel, sich zu offenbaren. Er offenbart sich dem Moses am Berg Horeb und gibt ihm den Auftrag, das Volk aus der Knechtschaft in Ägypten zu befreien. Gott zeigt sich dem Volk in der Wüste in einer Wolke und einer Feuersäule. Gott ist eine unsichtbare Person, die sowohl in ein Geschehen eingreifen oder es laufen lassen kann, die Menschen beauftragen kann und sie dann bei ihren Handlungen mehr oder weniger unterstützt. Gott ist weiterhin jemand, der das, was bei den Menschen geschieht, beurteilt. Diese Kommentare Gottes sind immer eingestreut in die Geschichte der Bibel. Die Urteile Gottes sind nicht immer so positiv wie hier in der Schöpfungsgeschichte. Aus den negativen Urteilen Gottes kann Gewalt erwachsen. Doch davon soll hier nicht die Rede sein. Die Schöpfungsgeschichte zeichnet sich dadurch aus, dass Gott alles gut findet, was er gemacht hat. „Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ Jeder würde mir beipflichten, wenn ich sage, dass Gott die Hauptfigur der biblischen Erzählung ist. Das gilt auch auch für den ersten Abschnitt der Bibel? Gott ist die Hauptperson der Schöpfungsgeschichte.

Die modernen Menschen sagen ja zu Recht, dass es nicht unbedingt ersichtlich ist, dass Gott die Erde geschaffen hat. Man könnte sogar sagen, dass die Wissenschaft geradezu das Gegenteil behauptet: Die Erde und was auf ihr lebt, braucht keinen Schöpfer, denn sie ist ihr eigener Schöpfer. Alles was auf der Erde lebt, wird von der Erde selbst hervorgebracht. Ich möchte einmal vorschlagen, dass wir heute einmal so tun, als sei das richtig. Behauptet irgendjemand mit dieser Aussage, dass es Gott nicht gibt? Nein, eben nicht. Das einzige, was man daraus für die Religion folgern kann ist: Es geht in der Schöpfungsgeschichte nicht um das Verständnis der Natur im Sinne der Wissenschaft, sondern im Sinne der Religion, es geht um Glaube. Wenn es um Wissenschaft ginge, dann müsste in der Schöpfungsgeschichte noch genauer beschrieben werden, wie Gott die Erde technisch gemacht haben soll. Doch das ist nicht der Fall. Die Aussage darüber, was auf dieser Erde ganz konkret wird, überlässt Gott der Erde selbst. Am Beispiel von Gras und Kraut ist das sogar aufgenommen: „Die Erde soll hervorbringen Gras und Kraut.“ Dass die Erde selbst Leben hervorbringt, steht also weder im Widerspruch zur Naturwissenschaft, noch steht es im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte.

 

Nur es geht nicht um die Naturwissenschaft, sondern um den Glauben. Es geht um Gott. Die Bibel rührt immer wieder an die Frage: wer ist Gott? Und wir spüren, dass wir an dieser Frage immer wieder scheitern. Es ist geradezu grotesk, dass die wichtigste Person dieser Erzählung irgendwie in einem eigenartigen Dunkel ist. Niemand kann sie gegenständlich beschreiben. Ja gewiss, einmal geht Gott in einem Garten hin und her, einmal macht er die Tür der Arche von außen zu und einmal erlaubt er dem Mose, sich ihm bis auf ein paar Meter zu nähern, um ihm Steinplatten zu übergeben. Gott hat keine Gestalt und ihm entspricht kein Bild. Dennoch ist ständig von ihm die Rede. Er oder man kann auch sagen sie, die Gottheit, fühlt und spricht, denkt und macht, lässt etwas geschehen oder greift ein. Gott spricht, und es geschieht. Gott sieht, segnet und spricht. Gott sieht und vollendet. Gott ruht aus und segnet. Solche Tätigkeiten sind keine Nebensache, denn diese Worte sind das einzige, was uns das Wesen Gottes in der Bibel näher bringt. Um es zusammen zu fassen: Gott handelt, indem er spricht und Gott spricht und handelt zugleich. Aus den Worten Gottes kommt etwas hervor. Was Gott sagt, geschieht, und was geschieht, ist Gottes Wort-Entsprechung. Daraus folgt ein Ablauf, eine Geschichte. Wie an einer Perlenkette reiht sich Erzählung an Erzählung. Dass es dabei um die Zeit geht, wird gleich zu Beginn der Schöpfungsgeschichte klargestellt: „Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.“ Dass es um die Zeit geht, ist nicht zufällig.

Das Chaos des Lebens ordnet sich, wenn man es von Gott her sieht. Aus dem Geschehen wird Geschichte. Letztlich sehen wir nur das, was vor Augen ist, wir sehen nur das Ergebnis dessen, was geschieht und hinter diesem Geschehen steht ein Wort, eine Aussage Gottes. Das ist der Sinn des Lebens, das Wort Gottes. Damit ist gar nicht genau gesagt, was es im einzelnen bedeutet. Aber dass es Worte sind, steht fest. Gott ist die Person, die für diese Worte zuständig ist. Manchmal werden diese Worte aufgeschrieben, weil sie offenbar werden. Dann kommen sie ans Licht. Normalerweise werden sie aber nicht ausgesprochen, sondern sind einfach da, still und hinter allem, was geschieht. Die Gottheit ist mit allem, was geschieht, identisch, indem sie diesem Geschehen einen Sinn gibt. Viele verstehen den Sinn des Lebens nicht. Ja, woher auch? Den Sinn des Lebens kann man ja auch nicht sehen. Was man sieht, ist die Gestalt des Lebens, aber nicht deren Sinn. Der Sinn ist ein Wort, eine Botschaft, die nur Gott kennt, und die Gott uns manchmal offenbart. Mit dieser ersten Eigenschaft Gottes, den Sinn hinter und in allem Geschehen, geoffenbart im Wort, kommt eine zweite Eigenschaft hinzu: Gott sieht. Der dreieinige Gott wurde früher manchmal als Auge in einem Dreieck dargestellt. Gott ist der Beobachter. Und der Beobachter beurteilt. Hier, in der Schöpfungsgeschichte, sagt Gott nur Gutes. Aber wir wissen, dass das nicht so bleibt. Gott gibt vielen Dingen einen Namen und sagt, was und wie sie sind. Zum Guten sagt er „gut“ und zum Bösen sagt er „böse“. Wenn ich an Gott glaube, dann hat für mich alles, was geschieht, einen Sinn, ohne wirklich genau zu wissen, welcher es ist. Ich gehe davon aus, dass Gott sieht, was auf dieser Welt geschieht. Ich will die Welt etwa wie ein Theater sehen, dessen Stück ein Drehbuch hat und dessen Geschichte vorgespielt wird. Diese Gottes-Vorstellung darf man nicht mit einem allmächtigen König oder Richter verwechseln. Es ist bei Gott ganz oft so, dass er etwas sieht, aber nichts dagegen tut oder machen kann. Oder er sieht etwas und tut etwas, das sich aber dann erst in einiger Zeit positiv entwickelt. Gott sprach zu Mose am Berg Horeb und sagte, dass er die Not in Ägypten gesehen hat. In der Berufung des Mose zum Befreier des Volkes nahm die Geschichte ihren Anfang. Sehen und Urteilen fallen bei Gott zusammen. Gott hat alle Menschen gleich geschaffen und nicht die Sklaverei, er sieht das ungerechte Sterben in den Kriegen, wie den Hunger in der Welt und sagt: Das ist nicht gut. Gott sieht diese Welt wie sie ist und wie sie sein soll.

Ich wiederhole den ersten und zweiten Teil der Aussagen über Gott in der Schöpfungsgeschichte.
Zum ersten: Gott handelt, indem er spricht. Gottes Handeln ist Sprechen. Gott ist der Sinn und die Bedeutung des Lebens, das Wort hinter allem Geschehen Ich sage, dass ich den Sinn manchmal nicht kenne, aber ich weiß, dass es ihn gibt. Zum zweiten: Gott sieht und urteilt. Mit diesem roten Faden beginnt die Erzählung der Befreiung des Menschen. Sehen und Urteilen gehören zusammen. Aus Gott kommen Menschenrechte und Demokratie. Gott ist das Grundelement unserer christlichen Zivilisation. Gott will sehen und urteilen, Gott will sagen, ob etwas gut oder schlecht ist. Und wenn etwas schlecht ist, dann will Gott nicht, dass es schlecht bleibt, wenn etwas gut ist, wie die Erde, will Gott, dass es so bleibt.

Zum dritten hören wir, dass Gott segnet. Segnen heißt zum einen, dass Gott etwas gut findet. Gott segnet die Menschen, segnet Männer und Frauen, weil er sie gut findet. Gottes Segen wird in der Religion ausgesprochen. So segnen wir in der Kirche Kinder, die getauft oder konfirmiert werden. Um zu sagen, dass Gott sie gut findet. Gottes Segen bringt auch seinen Auftrag zum Ausdruck. Gott segnet die Menschen und setzt sie in Beziehung zueinander und zur Umwelt. Er gibt Ihnen die Nahrung aus der Schöpfung und sagt dass die Welt ihr Lebensraum ist. Dieser Schöpfungsauftrag besteht darin, die Erde heil und gut zu erhalten. Gottes Segen ist Zuspruch und Anspruch. Das wird deutlich im Wort zu Abraham: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ (Genesis 12,2). Mit dem Segen macht Gott die Religion handlungsfähig. Wir dürfen Gottes Worte weitergeben und sie als Auftrag verstehen. Das wird in der Bibel an mehreren Stellen wiederholt. Gott segnet und Menschen segnen in Gottes Auftrag. Menschen beten zu Gott und hören auch seine Worte, Menschen fragen nach dem Sinn, weil Sie mehr über Gottes Auftrag wissen wollen.

Weil alles gut war, ist es uns und Gott eben nicht egal. Es ist ärgerlich, wenn etwas, das gut war, schlecht wird. Für uns und für Gott. Indem wir uns mit Gott und der Geschichte Gottes in der Bibel beschäftigen, denken wir immer mehr auch wie er und eignen uns seine Vorgehensweise an. Wir sehen und urteilen, d. h. wir denken. Wir reden und handeln, und wir denken, bevor wir reden und wir reden, bevor wir handeln. Wir sehen und erleben die Welt und finden sie gut. Wir geben Gottes Segensworte weiter und setzen uns für den Erhalt der Erde ein, weil sie gut geschaffen ist, weil sie sinnvoll ist. Wir wollen nicht, dass etwas zerstört wird, was sinnvoll ist. Wir mögen die Gewalt nicht. Wir wollen, dass das Gesicht der Erde von Liebe geprägt ist. Wir wollen, dass Liebe der Sinn ist, der hinter allem steht. D. h. wir wollen Gottesbilder auf dieser Erde werden. Wir glauben, dass diese Erde eine gute Geschichte hat und wir wollen, dass diese Geschichte auch über unser Leben hinaus gut weitergeht. Wir wollen diese Erde unseren Nachkommen gut und heil hinterlassen.

Wir sind so zum Anfang zurück gekommen um zu sehen, dass hier keine Botschaft gegen die Evolution herauszulesen ist, sondern der Glaube an den lebendigen Gott. Die Schöpfungsgeschichte ist der Anfang der Bibel, der Geschichte Gottes mit den Menschen, der dem Leben einen Sinn gibt, der es sieht und urteilt, der es gut findet und segnet. Und der zuletzt auch zu ruhen vermag, am siebten Tag. Der der Erde erlaubt, sich selbst weiterzuentwickeln in dieser Ruhe. Gott ist wie ein Bauer, der ausgesendet hat und wartet, dass etwas wächst; das heißt auch ruhen und warten können. Und der Sinn und Auftrag der Schöpfungsgeschichte ist im Grunde in diesem einen kurzen Satz: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ Amen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

2 Gedanken zu „Predigt über Genesis 1 und 2, Die Schöpfungsgeschichte, Christoph Fleischer, Werl 2013“

  1. Laut Westermann ist es ein pluralis deliberationis. Das kann man jetzt nachschlagen. Ich meine es aus dem Kontext so zu verstehen, dass das kein echter Plural ist, der etwa einen göttlichen Hofstaat voraussetzt. Der Plural zeigt einen besonders wichtige Entschluss Gottes, der sich selbst im Plural anspricht. Ich würde also nicht fragen, warum ist Gott im Plural, sondern warum ist das Ich im Plural? Jede Äußerung setzt also so etwas wie einen inneren Dialog voraus. Theologisch könnte man mit diesem Plural also auch Gottes Universalität deuten. Andererseits wäre auch ein Gedanke der Mitwirkung möglich. Das ist ja auch schon bei der Erde so, die Gras und Kraut hervorbringen soll. Abgesehen vom Anfang obliegt die Entstehung des Menschen ja den Menschen selbst. Ein Gedanke auf Gott bezogen ist auch im Psalm 90 der Strom der Menschen gemeint, die kommen und zuletzt zum Staub zurückkehren.

  2. Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. [27] Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.
    -> wieso wird ein uns verwendet am Anfang? Gott ist doch nur einer oder ?

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