Burn-Out bearbeiten, Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2013

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Zu: Wolfgang Krahé & Heinz J. Weigt: Mein erschöpftes Ich, Burnout – Energieblockaden lösen und die Lebenskraft wiederfinden, weltinnenraum.de J. Kamphausen Verlag, Bielefeld 2013, ISBN 978-3-89901-791-5, Preis 19,95 Euro

Dieses Buch zum Burnout ist ein Buch zweier Praktiker. Daher werden nicht nur theoretische Grundlagen geliefert, sondern auch Übungsbeispiele vorgestellt. Diese Rezension geht allerdings auf die Übungen kaum ein, weil sie von psychologischer Seite her fachlich zu beurteilen wären. Stattdessen werde ich anhand einiger ausgewählter Zitate das Verständnis der Autoren zum Begriff Burnout vorstellen und zeigen, welcher therapeutische Ansatz sich daraus ergibt.

Sie schreiben über sich selbst:

Wir arbeiten tiefenpsychologisch, wir wenden Techniken aus der humanistischen Psychologie, der tiefenpsychologisch fundierten Psychologie und der Verhaltenstherapie an ebenso wie körper- und atemtherapeutische und yogisch-meditative Übungen, und wir haben auch keine Berührungsängste hinsichtlich der medizinisch-pharmakologischen Errungenschaften. (S. 14)

Wer das Inhaltsverzeichnis liest, dem wird der Begriff der Chakren auffallen. Das mag manche Leserinnen und Leser zunächst davon abhalten, das Buch zu lesen, weil es sich damit in einen esoterischen Zugang einordnet. Wichtig ist dagegen zu erkennen, dass der Zugang zur Symptomatik des Burnout zunächst rein psychologisch oder auch medizinisch ist.

Subjektiv erscheint diese Reaktion der Psyche im Bewusstsein des Betroffenen als Mangel an Lebenskraft, Verlust der erlebten Fähigkeiten und Kompetenzen mit Einbuße des Empfindens von Selbstwirksamkeit und der Sicherheit bezüglich des Lebenssinnes. (S. 15)

Doch diese subjektiv erlebten Symptome sind nicht allein ausschlaggebend, sondern sind eher Signalträger für andere Botschaften. Dabei ist die soziale Komponente besonders zu beachten. Typisch für an Burnout Erkranke sind Opfergeschichten.

Eine Geschichte, die den Kranken zum Opfer der Umstände macht, gibt es gerade in Burnout-Situationen oft. Oder auch eine Geschichte darüber, warum trotz so viel Engagement und gutem Willen der Zusammenbruch nicht zu vermeiden war. Dazu zwei wichtige Punkte: Erstens gilt es stets, der Unerträglichkeit spezifischer Lebenssituationen und dem menschlichen Leid mit Respekt zu begegnen. Zweitens darf darüber jedoch nicht vergessen werden, dass wesentliche Ursachen gerade von Burnout-Phänomenen oft in viel, viel früheren Lebensphasen zu suchen sind. Man könnte sagen, irgendein Krug im Leben eines betroffenen Menschen wurde so lange zum Brunnen getragen, bis er brach. (S. 22)

Während betroffene Menschen also vor allem die akute Problematik im Blick haben, sehen Therapeutinnen und Therapeuten die Situation eher systemisch komplex. Typisch ist neben der Situationsanalyse auch die Frage nach dem Energiefluss, die auch später bei den Übungen eine große Rolle spielt:

Dann Menschen in die psychotherapeutische Praxis in einem Zustand völliger Energielosigkeit, und bei der Anamnese stellt sich dann heraus, dass es keineswegs das Übermaß an täglicher Arbeit ist, dass ihre Energie versiegen lässt, sondern die grundsätzliche Lebenssituation, die geprägt ist von einem Gefühl der Leere und des Ausgebremstseins und vom Fehlen irgendeiner konstruktiven Perspektive… (S. 26)

Die übliche Orientierung an Lösungen ist oft nicht sinnvoll, da es oft schon eine Geschichte gescheiterter Lösungsversuche gibt. Besser ist es zunächst daran zu arbeiten, wie die Situation als solche angenommen und als Botin für Lebenssignale angesehen werden kann. Die Brücke dieser Betrachtung, die im Buch auch die Perspektive zu den Übungen bietet, ist die Frage nach drei Bezügen:

Der erste existenzielle Bezug ist der Bezug nach innen. Im Bild einer Brücke betrachtet: Die erste Brücke ist die nach innen, wo es um die Verbindung zum eigenen Wesenskern geht, d. h., es geht um die Frage, wie ein Mensch in seinem alltäglichen Leben das Gefühl hat, mit sich selbst identisch und verbunden zu sein: wie weit er von der Sicherheit getragen wird, wirklich von innen heraus, aus sich selbst heraus, zu entscheiden und zu handeln, oder wie weit er von sich selbst abgelenkt ist, sich womöglich selbst vergessen hat. Der zweite existenzielle Bezug oder, anders betrachtet, die zweite energetische Brücke ist die Brücke zum Du; sie steht für die Verbundenheit mit dem Gegenüber. Sie baut auf der ersten Brücke auf. … Schließlich gibt es noch eine dritte existenzielle Dimension: das Bezogensein auf ein umfassenderes Ganzes. Dieses größere Ganze kann die Familie sein, die Firma, das Dorf oder der Stadtteil, in dem ich lebe, die Peergroup, die Zivilgesellschaft, die Menschheit, die Natur, die Erde oder gar das Universum, der Kosmos. … (S. 31/32)

Wie bei der Frage nach dem Lebenssinn muss es eine Verbindung beben zwischen der Alltagsrealität und den persönlichen Zielen, auch dann, wenn der Alltag als „Hölle“ erlebt wird.

Aus der Hölle gibt es keinen Notausgang. Die Hölle hat ein Recht darauf, anerkannt zu sein. Das ist das Allererste. Unsere einzige Chance besteht darin, unser Leben auch in der Hölle anzunehmen. Wenn uns das gelingt, dann kommt es zur Wandlung. Und mit dieser Wandlung erschließt sich die Perspektive auf ein neues Leben. (S. 38)

Die therapeutischen Ziele der Autoren sind Elemente von Verbundenheit. Die Wege zu dieser Verbundenheit werden anhand von Übungen dargestellt, die sich an der Chakrenlehre orientieren, wie sie aus der indischen Religion oder aus dem Yoga bekannt sind. Dadurch erhält dieser Heilungsweg eine spirituelle Dimension, die aber nicht weniger religiös, sondern eher von der Frage der psychologischen Heilung her gesehen werden kann sollte.

In diesem Sinne ist eine echte Gemeinsamkeit vieler Burnout-Prozesse darin zu sehen, dass ein Mensch all seine Kraft einsetzt, um ein Ziel zu erreichen, mit dem er nicht wirklich verbunden ist. Diese Unverbundenheit führt dann dazu, dass seine innere Energiequelle sich nicht regenerieren kann im Gefühl echter Befriedigung. (S. 42)

Mit dem Lebensgefühl der Verbundenheit ist die Erfahrung eines vitalen Energieflusses gegeben. Dieses nachvollziehbare Ziel lässt sich auch nach der Lektüre des Buches in Form eines Selbstmanagements praktizieren, wenn die Grundproblematik durch einen therapeutischen Weg erkannt worden ist. Die Chakrenlehre selbst ist hier kein Dogma, sondern eingebettet in die psychologischen Konzepte – und bringt die Ganzheitlichkeit des Ansatzes zu Bewusstsein, zu dem die spirituelle Dimension notwendig hinzugehört.

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Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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